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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 09/2013
Ver.di soll Ja sagen zu Verschlechterungen im Manteltarif
von Helmut Born

Trotz vieler Streiks in mehreren Bundesländern hat es in der Tarifrunde des Einzelhandels noch keinen Abschluss gegeben, die Unternehmer sind bei ihrer Konfrontationsstrategie geblieben. In Nordrhein-Westfalen gab es vor dem Beginn der Sommerferien eine massive Streikwelle. Kolleginnen und Kollegen von Edeka, Kaufland, Real, Kaufhof, H+M, Zara, Esprit, Praktiker, Karstadt und vielen anderen Betrieben haben sich an den zahlreichen Streiks beteiligt.

Die Beschäftigen wehren sich gegen die Zumutungen der Unternehmer: Die wollen wichtige Bestandteile des Manteltarifvertrags abschaffen und fahren einen scharfen Angriff auf die Einkommen der Beschäftigten. In der letzten Verhandlungsrunde waren sie lediglich zu leichten Korrekturen an ihrem bisherigen «Forderungspaket» bereit. Von ihrer Erpressungsstrategie wollten die Einzelhandelsbosse nicht ablassen: Einen Abschluss über Lohn und Gehalt werde es erst geben, wenn Ver.di zu Zugeständnissen im Manteltarif bereit sei.

Das ist für die Einzelhandelsbeschäftigten und ihre Gewerkschaft unannehmbar. Die Unternehmer wollen den Einzelhandel offensichtlich zu einer auch tariflich abgesegneten Niedriglohnbranche machen. Nicht anders ist ihr Agieren zu erklären.

Für die Beschäftigten wären die Auswirkungen der Manteltarifforderungen der Unternehmer katastrophal:

– die Nachtarbeitszuschläge von 55% sollen für Auffüllkräfte gestrichen werden;

– der Lohn für Auffüllkräfte soll von 12,30 Euro auf 8,20 Euro gesenkt werden;

– die Arbeitszeiten sollen sich nach dem Geschäftsverlauf (Vertrauenarbeitszeit) richten;

– den Kassiererinnen soll die Zulage von 25 Euro gestrichen werden;

– die Durchstiegsmöglichkeit für ungelernte Beschäftigte in die Gehaltsgruppe 1 soll abgeschafft werden.

Wird dieser Horrorkatalog beibehalten, gibt es keinen Tarifabschluss über Lohn und Gehalt, das ist klar. Die Einzelhandelsbosse legen mit ihrer Taktik den Grundstein für eine langandauernde Auseinandersetzung. Zu allem Überfluss haben sie nach der letzten Verhandlungsrunde am 24.7. eine Verbandsempfehlung an die Betriebe verschickt, die Einkommen der Beschäftigten ab dem 1.August um 2,5% anzuheben. (In NRW fordert Ver.di 6,5% mindestens 140 Euro. In anderen Tarifbezirken, z.B. in Baden-Württemberg, fordert sie 1 Euro mehr pro Stunde.)

Am 13.August gab es in verschiedenen Tarifbezirken sog. Sondierungsgespräche zwischen Ver.di und dem Unternehmerverband. Bei diesen Gesprächen ging es noch nicht um konkrete Lösungen, sondern um verschiedene Lösungsmodelle. Allerdings haben die Unternehmer mit ihrem Horrorkatalog zu einer beispiellosen Mobilisierung der Beschäftigten beigetragen und den Organisationsgrad von Ver.di im Einzelhandel signifikant erhöht. Deswegen kann es auch keine Zugeständnisse an die Unternehmer geben.

Im Einzelhandel gilt es, nach den Sommerferien wieder in die Tarifrunde einzusteigen und für die eigenen Forderungen zu kämpfen. Aber selbst wenn die Unternehmer ihren Horrorkatalog zurückziehen, muss eine anständige Lohnerhöhung durchgesetzt werden. Ihre 2,5% sind ein Witz, zumal darin drei Nullmonate enthalten sind. Ein Abschluss im Einzelhandel muss sich an den besten Abschlüssen in anderen Branchen orientieren und eine überproportionale Erhöhung durch einen Festbetrag in den unteren Lohngruppen und für Azubis vorsehen. Dies wird nur durch weitere breite Mobilisierungen zu erreichen sein.

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