Die Wahlen haben das Ergebnis gebracht, das viele vermutet hatten und das sich laut Umfragen die Bevölkerung mehrheitlich wünscht. Es ist auch die Konstellation, die von den Unternehmerverbänden wie von den Spitzen der großen Gewerkschaften favorisiert wird. Trotzdem hat diese Wahl einiges auf den Kopf gestellt:
Das Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag bringt Bewegung ins Lager der liberalen Parteien (FDP wie Grüne) und der national-konservativen Rechten. Ob sich eine national-konservative Partei fest etablieren kann und welches Gesicht der Liberalismus in Deutschland künftig haben wird, wird sich in den nächsten Jahren herausstellen.
Frau Merkel ist in eine relativ komfortable Lage gekommen: In einer Dreierkoalition mit CSU und SPD kann sie die Moderatorin spielen. Auf die CSU ist sie für Mehrheiten im Bundestag nicht angewiesen.
Einige Einzelheiten aus dem Wahlergebnis
Die Zahl der Wähler ist um 280.000 leicht gestiegen (die Wahlbeteiligung lag bei 71,5%). Von den Nichtwählern holte die Union den Löwenanteil, 1,13 Millionen Stimmen, den Rest die AfD. Alle anderen Parteien haben netto an die Nichtwähler abgegeben.
Die Anzahl der Parteien, die nicht in den Bundestag kommen, und die Zahl der Wähler, die sie binden, ist diesmal besonders hoch: 30 Parteien fallen unter die 5-Prozent-Hürde, sie binden rund 6,9 von insgesamt 44,3 Millionen Wählern. Der Löwenanteil entfällt mit 4,1 Millionen auf FDP und AfD, gefolgt von 1,5 Millionen für Piraten und NPD (beides Parteien mit über 500.000 Stimmen).
Der haushohe Wahlsieg der Union beruht somit auf zwei Pfeilern: Die Union hat 3,5 Millionen Stimmen dazugewonnen und: Wegen der hohen Zahl der Stimmen für Parteien, die nicht über 5% kamen, sank die Schwelle für eine absolute Mehrheit im Bundestag auf 43%.
Die extreme Rechte bleibt klein und hat gegenüber 2009 rund 150.000 Stimmen verloren (die werden zur AfD gegangen sein). NPD, Reps und Pro Deutschland erhalten zusammen 726.000 Stimmen, der Löwenanteil von 560.000 entfällt auf die NPD.
Die Kanzlerin hat’s gebracht: Zum erstenmal in ihrer Geschichte wurde die Union von mehr Frauen (44%) als Männern (39%) gewählt; den Frauenvorsprung haben sonst nur noch die Grünen (9% Frauen, 7% Männer).
Die Union hat auch die meisten Erstwähler gezogen (30%); SPD (24%) und vor allem Grüne (12%) sind abgeschlagen, die LINKE kommt auf nur 7%, weniger als ihr Wahlergebnis insgesamt.
Arbeiter wählten die Union zu 35%, die SPD zu 27%, die Linkspartei zu 13%. Bei den Arbeitslosen liegt die SPD mit 26% vorn, gefolgt von der Union mit 24% und, dicht drauf, der Linkspartei mit 23%.
Wählerwanderungen
Die Union hat nur an die AfD abgegeben, allerdings weniger als FDP und LINKE.
Die FDP hat über zwei Drittel ihrer Stimmen von 2009 verloren und an alle Parteien (einschließlich AfD) abgegeben.
Die Grünen haben knapp 1 Million Stimmen (19,6%) verloren; die SPD hat 1,2 Millionen Stimmen gewonnen.
Die LINKE hat 1,4 Millionen oder 27,5% Stimmen verloren – und zwar an alle Parteien mit Ausnahme der FDP. Das Jubelgeschrei, die LINKE sei nun «dritte Kraft», beweist an der Stelle nur, dass sie vorhat, aus einer realen Wahlniederlage keine Konsequenzen zu ziehen.
Die LINKE und die AfD
Die LINKE hat 370.000 Stimmen an die SPD abgegeben, 340.000 Stimmen an die AfD und 320.000 an die Nichtwähler. Bei der Performance, die die SPD in diesem Wahlkampf hingelegt hat, und dem deutlich rechtslastigen Einschlag der AfD ist das eine alarmierende Leistung. Zugelegt hat die LINKE nur in vier Wahlkreisen Westberlins. Ihre Verluste in Westdeutschland waren höher als in Ostdeutschland – jeweils gemessen an den Bundestagswahlen 2009.
Die Drift zur AfD kann man nur so verstehen, dass die LINKE partiell ein ideologisches Umfeld bedient, das eher national orientiert ist. So ganz erstaunlich ist das nicht: Umfragen vor der Wahl hatten ergeben, dass die Wähler der LINKEN zu 57% für den Austritt aus dem Euro sind – die wichtigste Wahlaussage der AfD. Außerdem scheint die AfD auch in größerem Umfang Arbeiterstimmen gezogen zu haben. In Ostdeutschland kam sie auf 5,8%.
Die LINKE hat es im Wahlkampf versäumt, ihre Aussagen zur sozialen Gerechtigkeit in einen außenpolitischen Kontext zu stellen, der einen dritten Weg aufzeigt zwischen der Hinnahme der neoliberalen EU auf der einen und der Rückbesinnung auf das Nationale auf der anderen Seite.
Das war die wahre Herausforderung für die LINKE bei dieser Wahl. Die AfD zeigt, dass mit der Angabe einer klaren übergeordneten politischen Perspektive durchaus Stimmen zu holen sind. Bei der Europawahl im nächsten Jahr wird sich diese Frage noch zuspitzen.
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