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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 10/2013
Die Wohnungsnot der Studierenden
von Max Manzey und Kerstin Wolter

In diesen Wochen strömen knapp eine halbe Million junger Menschen an die Hochschulen, um ihr Studium zu beginnen. Nachdem sie es geschafft haben, sich mit guten Noten oder vielen Wartesemestern einen Studienplatz zu ergattern, müssen sie nun weiter um die wenigen Plätze in den oft völlig überfüllten Seminaren kämpfen. Für viele bedeutet der Beginn des Studiums zudem Auszug bei den Eltern und die Suche nach einer ersten eigenen Wohnung. Die ist oft schwieriger als gedacht.

Angetrieben durch das faktische Ende des staatlich geförderten Sozialwohnungsbaus und durch Spekulationen auf dem Wohnungsmarkt steht in vielen Städten Deutschlands kaum noch günstiger Wohnraum zur Verfügung. Insbesondere Unistädte sind von den explodierenden Mietpreisen betroffen. Die teuersten Städte sind laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) München, Frankfurt/Main und Hamburg. Mietpreissteigerungen von über 20% in den letzten Jahren sind keine Seltenheit.

Studierende haben darunter stark zu leiden: Durchschnittlich geben sie 298 Euro für die Miete aus. Auch Berlin, jahrelang für günstige Mieten bekannt, ist inzwischen die neuntteuerste Stadt Deutschlands, zum Paradies ist sie inzwischen eher für Investoren geworden. Bei durchschnittlichen Einnahmen von 864 Euro gehen rund 34% des monatlichen Einkommens von Studierenden für die Wohnkosten drauf – im Durchschnitt der Nettohaushalte bundesweit sind es im Vergleich dazu 28%.

Besonders hart trifft es die 20% der Studierenden, denen weniger als 650 Euro im Monat zur Verfügung stehen und die oftmals neben dem Studium arbeiten müssen. Viele von ihnen sind auf einen günstigen Platz im Studentenwohnheim angewiesen. Doch obwohl die Zahl der Studierenden in den letzten Jahren drastisch gestiegen ist, fließt kaum öffentliches Geld in den Ausbau von Wohnheimplätzen. Das Deutsche Studentenwerk fordert schon seit Jahren 25.000 Plätze mehr, die tatsächlich benötigte Zahl liegt vermutlich noch deutlich höher.

Studierende sind nicht die einzigen, die überdurchschnittlich stark von den steigenden Mieten betroffen sind, dazu gehören vor allem auch Alleinerziehende und die von Armut Gefährdeten – sie geben bis zu 40% und 50% ihres Einkommens für die Miete aus.

Opfer der Gentrifizierung

Im Kapitalismus wird Wohnraum, sobald er auf den freien Markt kommt, zur Ware und dient nur noch dazu, möglichst viel Gewinn aus der Vermietung zu ziehen. In der Regel werden die höchsten Profite erzielt, wenn zahlungskräftige MieterInnen die Wohnungen beziehen. Da die aber erst kommen, wenn die Wohnung entsprechend ausgestattet ist, investieren Eigentümer oft in aufwendige Sanierungen, um die Miete anheben zu können. Die steigenden Mieten können von den ursprünglichen BewohnerInnen dann bald nicht mehr getragen werden, sie werden verdrängt und ziehen an den Stadtrand. Dieser Prozess, allgemein als Gentrifizierung bezeichnet, ist ein grundsätzlicher Aspekt des kapitalistischen Wohnungsmarktes und wurde schon von Friedrich Engels vor über 140 Jahren beobachtet.

Studierenden wird oft eine Mitschuld an Gentrifizierungsprozessen gegeben, denn die neue Urban Upperclass legt nicht nur Wert auf schicke Wohnungen, sonder auch auf ein alternatives Image Wert. Studierende sind zusammen mit Künstlern oft diejenigen, die zuerst in Stadtteile mit heruntergekommenen Wohnungen und niedrigen Mieten ziehen und mit ihren szenigen Kneipen und kleinen Ateliers genau dieses Image schaffen. Steigen die Mieten dort dann, weil die zahlungskräftige Klientel anrückt, sind sie auch die ersten, die diese Stadtviertel wieder verlassen müssen.

Derzeit wird die Dynamik der Gentrifizierung verstärkt durch eine neoliberale Stadtpolitik, die massiv öffentliche Güter (Wohnraum, Plätze, Energie) privatisiert, soziale Leistungen (sozialen Wohnungsbau, Jugendeinrichtungen etc.) abbaut und für öffentliche Investitionen Öffentlich-Private-Partnerschaften eingeht. Die Stadt wird dadurch zu einem Ort, an dem es nicht darum geht, Teilhabe und Gleichberechtigung für alle lebbar zu machen, sondern zu einem nach Kapitalinteressen geleiteten Unternehmen. Zahlreiche Initiativen, Stadtteilgruppen und politische Akteure versuchen heute schon, Widerstand gegen Mietsteigerung und Verdrängung zu leisten. Dabei ist es wichtig, dass sich die unterschiedlichen sozialen Gruppen nicht gegeneinander ausspielen lassen, sondern längerfristige Bündnisse eingehen. Es ist ein Kampf, der von Arbeitern, Arbeitslosen, Rentnerinnen, Studierenden und allen Betroffenen nur gemeinsam gewonnen werden kann.

Sozialistische Akteure wie DIE LINKE oder der SDS sollten den Kampf um günstigen Wohnraum aktiv unterstützen und darüber hinaus für eine Perspektive jenseits des kapitalistischen Wohnungsmarktes und für die Vergesellschaftung von Wohnraum eintreten. Erst eine Gesellschaft, die sich an den Bedürfnissen der Menschen und nicht an den Profitinteressen von Investoren orientiert, wird die Wohnungsfrage letztendlich lösen können.

Das Bündnis "Studis gegen Wohnungsnot" ruft vom 5.–8. November zu einer bundesweiten Aktionswoche an den Hochschulen auf. Das Bündnis bestehend aus Studierendenvertretungen und Jugendorganisationen von Parteien (u.a. DIE LINKE.SDS). In einem gemeinsamen Aufruf fordern sie mehr Wohnheimplätze in Uninähe, einen Mietenstopp bei Neuvermietungen und die Rekommunalisierung von privatisiertem Wohnraum. Damit stellen sie sich an die Seite von Mieterinitiativen wie „Kotti und Co“ in Berlin oder das Bündnis „Recht auf Stadt“ in Hamburg.

Max Manzey gehört dem Bundesvorstand von DIE LINKE.SDS an, Kerstin Wolter ist dessen Geschäftsführerin.

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