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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 11/2013

Das Rote Kreuz schlägt Alarm: 43 Millionen Menschen in Europa sind vom Hunger bedroht. Europa befinde sich in der "schlimmsten humanitären Krise seit sechs Jahrzehnten". Schuld ist die Finanzkrise.
von Rolf Euler

Man weiß es und liest es doch mit Erschrecken: In vielen Ländern Europas wird seit der Finanzkrise gehungert. Und zwar im alten, verdrängten und vergessenen Sinn: Die Menschen haben nicht genug zum Essen. Das marktgängig aufgezogene Europa bietet Millionen Menschen vor allem in Südeuropa nicht das Einkommen, das zum Leben ausreicht.Zum Anwachsen des Bedarfs nach Speisung durch Tafeln in Deutschland kommt: die Einrichtung von Armenküchen in Großbritannien – die ersten seit dem Weltkrieg; Lebensmittelhilfen in Mailand oder Lissabon; Lebensmittelspenden in den Supermärkten Griechenlands – das ist nur ein Auszug aus den Meldungen der Hilfsorganisationen. Das Rote Kreuz spricht von einem Anstieg der von Hilfsorganisationen betreuten Menschen um 75% in drei Jahren – allein in Spanien um 3 Millionen, die Caritas betreut dort dreimal so viele Menschen wie vor Ausbruch der Krise.

In Griechenland ist das Durchschnittseinkommen um ein Viertel gesunken. In Portugal ist die Armut seit Beginn der «Reformen» oder der «Sanierung» der Finanzen so stark gestiegen, dass Hilfsorganisationen davon ausgehen, dass mehr als 10% der Bevölkerung Hunger leiden. Wohlgemerkt: Hunger, weil unter anderem die staatlichen Sozialsysteme auf Null gefahren werden und die Menschen arbeitslos ohne Einkommen dastehen, auf Familie und Spenden, auf Abfälle und Caritas angewiesen.
Das Finanzwesen der Banken und Staaten wird auf Kosten der Armen und Ärmsten gerettet. Es bereichern sich diejenigen, die noch an den Kreditrückzahlungen verdienen. Die Europahilfen fließen fast direkt an die Banken zurück, die den Staaten Geld geliehen haben. Krokodilstränen werden in den Nachrichten über Betroffenen vergossen – nie war die «Hilfe» für Menschen in Not in Portugal, Griechenland oder Spanien gedacht, immer für die finanziellen Verpflichtungen, die Rückzahlung von Krediten. Hungern die Aktionäre und Finanzfonds, die ihr Geld zu hohen Zinsen in Italien, Griechenland und Spanien anlegen? Ja, auch sie hungern – nach den fast zinslosen Krediten, die die EZB anbietet, und die sie zu höheren Zinsen mit Profit weiter reichen können.

Jean Ziegler sagte über den Hunger in Afrika vor Jahren schon: Jedes vor Hunger gestorbene Kind wird ermordet. Bald kann man das auch für die Hungernden in Europa wiederholen. Hier wird noch nicht gestorben. Sollen wir etwa «ruhig» darauf warten?

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