von Jochen Gester
Im April berichteten wir in der SoZ über den Abschluss eines Mastervertrags zwischen der IG Metall und dem Opel-Management. Diese Vereinbarung besiegelte das endgültige Aus für die Fahrzeugproduktion in Bochum. Deshalb wurde der Vertrag in Bochum auch mit über 70% abgelehnt. Doch in allen anderen Standorten wurde er mit Quoten von über 80% gebilligt.
Schon die Schließung des Werks in Antwerpen war 2010 mit Billigung der Metall-Gewerkschaften Österreichs, Belgiens, Deutschlands, der Niederlande, Spaniens und Großbritanniens sowie des Europäischen Betriebsrats von General Motors erfolgt. Mit Bochum ist klar, dass die erklärte Zielsetzung dieser Gewerkschaften, kein Ergebnis zu unterschreiben, das einen Standort opfert, nicht nur auf europäischer Ebene gescheitert ist, sondern auch innerhalb des Organisationsbereichs der IG Metall.
In NRW arbeitete die Geschäftsführung erfolgreich nach der Salamitaktik. Stück für Stück baute sie die Belegschaft ab oder gliederte sie zu andern Bedingungen aus. Von den ehemals 9600 Werksangehörigen zur Zeit des Streiks 2004 sind heute noch 3400 Beschäftige übrig. 600 arbeiten bei Partnerfirmen, weitere 1000 bei Vertragsfirmen. Obwohl der Bochumer Betriebsrat die Stilllegung der Kfz-Produktion an der Ruhr nie durch seine Unterschrift besiegelt hat, geht es heute nicht mehr um ihre Weiterführung mit einem neuen Investor über das Jahr 2016 hinaus. Es geht nur noch um die Höhe der Abfindungen, die die IG Metall über einen Sozialtarifvertrag regeln wird.
Nach dem Votum der Bochumer Belegschaft gegen den Mastervertrag will Opel das Werk bereits Ende 2014 dicht machen. Auf der Webseite von Rainer Einenkel heißt es: «Opel Vorstand: Wir wollen Opel Bochum schließen, um andere Werke zu retten.» Im Werk II waren bis jetzt nur noch die Getriebebauer und die haben jetzt Schicht im Schacht. Sie können wählen zwischen Abfindung, Transfergesellschaft oder Wechsel an einen andern Standort.
Rüsselsheim soll spätestens Mitte 2015 die bis Ende 2014 exklusiv in Bochum angesiedelte Zafira-Produktion bekommen. Noch 2012 hatten die dortigen Betriebsräte erklärt, niemals einem solchen Transfer zuzustimmen. Nun erklärte deren Vorsitzender, er werde sich «nicht mehr dagegen wehren». Auch das Werk in Kaiserslautern bekommt eine Finanzspritze von 130 Mio. Euro.
Angesichts der für viele düsteren Arbeitsmarktlage und des drohenden Abstiegs in Hartz IV klammern sich die Beschäftigten an ihre Erwerbsquelle und sind bereiter denn je, auf Lohnzahlungen und andere Leistungen zu verzichten, in der Hoffnung, dass es danach wieder rund läuft. Und ihre gewählten gewerkschaftlichen Vertreter preisen die besondere Leistungsfähigkeit des jeweiligen Standorts in den höchsten Tönen. Dabei drehen die Gesamtbetriebsratsvorsitzenden die irrwitzigsten Pirouetten. Der amtierende Wolfgang Schäfer-Klug redet – wie schon sein Vorgänger Klaus Franz – so, als wolle er den Marketing-Chef des Konzerns beerben. Alle wollen «ihrem Unternehmen» helfen, sich gegen die anderen durchzusetzen. Mit dem Taschenrechner bewaffnet rechnen sie vor, kostengünstiger und profitabler als andere Abteilungen ihrer Klasse zu sein.
So machen sie die Beschäftigten zum Spielball der Unternehmer. Und es ist alles andere als ein Zufall, dass mit Zustimmung des Gesamtbetriebsrats hier eine Belegschaft über die Klinge springen soll, die sich in den letzten Jahrzehnten selbstbewusst zur Wehr gesetzt hat. Im Ergebnis ist hier ein Scherbenhaufen gewerkschaftlicher Politik zu besichtigen, die nicht mehr in der Lage oder bereit ist, der Wettbewerbslogik des Kapitals eine Logik der Arbeitswelt entgegenzustellen.
Diejenigen, die nicht mitspielen wollen, drehen gegenwärtig kein großes Rad. An den europäischen Standorten des Opel-Konzerns sind oppositionelle Gruppen entweder nicht vorhanden, oder geschrumpft oder sie scheitern am Generationenwechsel. Und dort, wo sie noch existieren, wie z.B. die Betriebsgruppe der MLPD in Bochum, verhindern sie durch großmäuliges Parteiengehabe eine offene Aktionsperspektive, auf die sich die Belegschaft einlassen könnte. Auch dieses – und nicht nur der Druck der Werksleitung, wie es in der Erklärung des ZK der MLPD-ZK heißt – dürfte mitverantwortlich dafür sein, dass nach der turbulenten Betriebsversammlung vom 9./10.September, die 17 Stunden dauerte und bei der 51 Redner zur Wort kamen, zwar die Nachtschicht bereit war zu streiken, die Initiative jedoch von der Frühschicht nicht weitergeführt wurde. Auch dürfte es eine Rolle spielen, dass viele Opelaner bereits damit beschäftigt sind, Alternativen zu suchen für die Zeit nach 2014. Wie beim letzten großen Sozialplan rechnet dann jeder für sich.
Stadt und Unternehmen suchen in der Zwischenzeit auf der Real Expo bereits Interessenten für das riesige Werksgelände mit einer Gesamtfläche von 1,6 Mio. Quadratkilometern. IHK und Stadt laden ein zu eine «Bochumer Runde», zu der sie 300 Investoren angeschrieben haben.
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