von Udo Bonn
London, Anfang März 2012, die Olympischen Spiele stehen bevor. Die Erwartungen des Establishments an das Großereignis sind groß, positive Auswirkungen auf die Märkte sind eingeplant. Wie ein i-Tüpfelchen auf die gespannte Stimmung wirkt da das Angebot des charismatischen indischen Aufsteigers Frank D’Cruz, eine Elektroautofabrik im entindustrialisierten England zu errichten. Dann aber wird D’Cruz’ Tochter Alyshia entführt. Die Bedingungen: Keine Polizei, lediglich die Ex-Frau des Industriellen, Isabel, darf im Kontakt zu den Entführern stehen. Die Einschaltung des ehemaligen Polizisten und Militärs Charles Boxer, der nun als Berater bei Kidnappingfällen arbeitet, hilft nicht weiter: Die Täter scheinen Profis zu sein, und sie stellen keine Forderungen.
Auf knapp 540 Seiten treibt Robert Wilson in seinem neuen Roman «Stirb für mich» eine vibrierend spannende Geschichte voran, gleichzeitig Familiendrama, Psychokrimi, Gangstergeschichte und Politthriller. Staffellaufartige Entführungen, radikalislamische Netzwerke in Indien und Pakistan, Geheimdienstgeneräle als Führungsfiguren der Taliban, irritierte MI5- und MI6-Abteilungsleiter, verkommene CIA-Killer, Londons Oldstyle-Gangster vs. pakistanische Jungkriminelle, all das wird in Bewegung gesetzt, weil irgendjemand mit D’Cruz abrechnen will. Aber wie tief muss in die Vergangenheit des Mannes vorgedrungen werden, der seine Karriere als Goldschmuggler begann, zum Filmstar wurde und dann genügend Kapital, Geheimnisse und Verbindungen akkumuliert hat um aufzusteigen, immer bemüht, sich andere ohne Skrupel dienstbar zu machen? Und der an seine Grenzen gebracht wird, trotz des Geldes, trotz seiner Macht. Tolle Spannungslektüre aus einer fremden, amoralischen Parallelgesellschaft.
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