von Paul B. Kleiser
Chrystia Freeland: Die Superreichen. Aufstieg und Herrschaft einer neuen globalen Geldelite. Frankfurt a.M.: Westend, 2013. 358 S., 19,99 EuroVor zwei Jahren besetzte die Blockupy-Bewegung zahlreiche Plätze und demonstrierte unter dem Motto: Wir, die 99 Prozent gegen das reiche eine Prozent! Wer glaubte, die These sei doch arg zugespitzt, möge Die Superreichen lesen, dort werden fleißig Zahlen und Argumente zur Unterstützung der These zusammengetragen.
Das Buch der Journalistin Chrystia Freeland ist ein Versuch, die starken Veränderungen in der Weltwirtschaft der letzten dreißig Jahre durch genaue Beobachtung der Entwicklungen an der obersten Spitze der Gesellschaft zu verstehen. Dabei beschränkt sich ihre Analyse nicht nur auf Nordamerika und Europa, vor allem Großbritannien, sondern bezieht auch die sogenannten BRIC-Staaten plus Mexiko mit ein.
Die Autorin verfügt über ein breites Wissen und konnte als Journalistin der Financial Times an zahlreichen hochrangig besetzten Treffen in Wirtschaft und Politik teilnehmen. Sie hat eine Unmenge Interessantes über das Zusammenspiel zwischen der technologischen Revolution (Chip und Internet), der Globalisierung der Wirtschaftskreisläufe und einem politischen Handeln zu berichten, das vor allem auf die Privatisierung und Liberalisierung des Finanzsektors ausgerichtet ist. Als Linksliberale stellt sie den Kapitalismus nicht grundsätzlich in Frage, kommt aber zum Ergebnis, dass ein weiteres Anwachsen der globalen sozialen Ungleichheit seine Zukunft gefährden könnte.
21.Juni 2007, kurz vor Ausbruch der Krise: Die Beteiligungsgesellschaft Blackstone (ein Hedgefonds) geht an die Börse, nimmt dabei über 4 Mrd. Dollar ein und erreicht einen Gesamtwert von 31 Mrd. Dollar. Der Anteil von Steve Schwarzman, einem der beiden Firmengründer, erreichte damals einen Wert von 8 Mrd. Dollar; der andere Gründer, Peter Peterson, zieht sich mit «bescheidenen» 1,88 Mrd. rechtzeitig in den Ruhestand zurück.
Aus diesem Anlass, und weil gerade das erste Buch seiner Tochter Holly erschienen ist – eine Satire auf das Leben und die Liebe von Finanziers und ihren Ehefrauen in der New Yorker Upper East Side – schmeißt Peterson eine Party für alle, die Rang und Namen haben. «Die Leute haben überhaupt keine Ahnung, wieviel Geld es in der Stadt gibt», schreibt die Autorin: Viele Leute unter 40 machen 20–30 Mio. Dollar im Jahr und haben keinen Schimmer, was sie damit anstellen sollen. Weil dieses Einkommen für einen Privatjet noch nicht ausreicht!»
Auch Schwarzmann lässt sich nicht lumpen und veranstaltet eine Party in einem superteuren Hotel; es gibt ein halbstündiges Konzert mit Rod Stewart, der für diesen Auftritt eine Million Dollar bekommen haben soll. Und natürlich wird Schmuck im Wert von mehreren hundert Millionen Dollar zur Schau getragen.
Im späten 19.Jahrhundert gab es die berühmten «Räuberbarone»: erst im Eisenbahngeschäft – wie Vanderbilt – dann im Ölgeschäft reich gewordene Tycoons – wie Rockefeller mit Standard Oil. Wie damals so bildet sich auch heute die Mehrheit der Superreichen ein, ihren Reichtum «aus eigener Kraft» geschaffen zu haben (vielleicht haben noch ein paar Menschen mitgearbeitet?). Die US-amerikanische Wirtschaftszeitschrift Forbes zählt 840 von 1226 Milliardäre, von denen man diese Einstellung kennt, sie macht einen wesentlichen Teil des Selbstbilds der «Superreichen» (und auch der aufgestiegenen, «technologiebesessenen Überflieger», den Nerds) aus.
In den 1970er Jahren ergatterte in den USA das oberste eine Prozent etwa 10% des nationalen Einkommens, heute hat sich dieser Anteil auf fast ein Drittel erhöht. Laut Robert Reich, dem Arbeitsminister in der Clinton-Administration, besaß Bill Gates 2005 ca. 46,5 Mrd. Dollar, Warren Buffet 44 Mrd. – dabei machte das gesamte Vermögen der unteren 40% der Bevölkerung etwa 95 Mrd. Dollar aus, also kaum mehr als die beiden zusammengenommen. Auch in den BRIC-Staaten hat die Ungleichheit der Einkommen und Vermögen in kaum vorstellbarem Maße zugenommen, sie liegt in China heute noch höher als in den USA.
Auch unter den Superreichen (es gilt das Matthäus-Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben) fand der größte Zuwachs an der Spitze der Pyramide statt. Die reichsten 100 der reichsten 400 Amerikaner steigerten ihre Einkünfte zwischen 1983 und 2000 um den Faktor 4,3, der Rest «nur» um 2,1. Freeland schreibt dazu: «Für das Durchschnittseinkommen amerikanischer Familien 2010 ergeben sich … folgende Zahlen: Familien, die dem obersten 0,01% angehören, verdienten 23846950 Dollar. Schon deutlich weniger nahm jenseits des obersten 0,01% das oberste 0,1% ein, nämlich 2802020 Dollar. Das oberste 1% machte 1019089 Dollar im Jahr, die obersten 10% verdienten 246934 Dollar. Die unteren 90% brachten im Durchschnitt 29840 Dollar nach Hause.»
Laut Crédit Suisse gibt es weltweit 29,6 Millionen Menschen mit einem Nettovermögen von mehr als einer Million Dollar. Von diesen sind jeweils 37% in Nordamerika und Europa beheimatet, 19% im asiatisch-pazifischen Raum, 3,4% in China und der Rest in Indien, Afrika oder Lateinamerika. Ein Nettovermögen von über 100 Mio. Dollar nannten (2011) 29000 «Superreiche» ihr eigen, eins über 500 Mio. Dollar nur noch gut 200.
42% der Superreichen leben in den USA, China folgt mit deutlichem Abstand bereits auf Platz 2, dann kommen Deutschland, die Schweiz, Japan, Russland, Indien und Brasilien. Die wirtschaftliche Erholung seit 2009 fütterte zu 93% die Konten des reichsten 1%.
Die Kritik an den russischen Oligarchen oder den chinesischen «roten Kapitalisten» gilt es zu relativieren: «Oligarchen aus aufstrebenden Volkswirtschaften, die ihre ersten Vermögen durch Amigo-Privatisierungen ergatterten, mögen die offensichtlichsten Superrentiers sein, die sich auf Staatskosten bereicherten. Westliche Regierungen, besonders Washington und London, spielten jedoch, indem sie die Finanzmärkte deregulierten, eine noch größere Rolle beim Aufstieg der globalen Superelite. Wie beim Verkauf staatlicher Vermögenswerte in den Entwicklungsländern schuf die Deregulierung eine Plutokratie und stellte das klassische Denken über rentenökonomisches Ertragsstreben auf den Kopf. Denn wie die Privatisierung war auch die Deregulierung Teil einer globalen Tendenz zur Liberalisierung mit dem Ziel, den Staat aus der Wirtschaft zu drängen und die Kräfte des Marktes walten zu lassen. Doch eine ihrer Folgen bestand eben darin, dem Staat eine direkte Rolle bei der Auswahl der Gewinner und Verlierer zuzuweisen – in diesem Fall, indem er den Finanzjongleuren in die Hand spielte.»
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