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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 12/2013
Vom Armenhaus zur Goldmine?

von Ilona Herrmann

Erst wenn der letzte Baum gerodet, die letzten Flüsse vergiftet sind, werdet ihr feststellen, dass man Gold nicht essen kann. Nach den Lebensgrundlagen der Menschen wird in Nordgriechenland nun auch weiträumig die Natur zerstört – ausgerechnet durch Goldabbau.Chalkidiki ist eine Halbinsel im Norden Griechenlands, südöstlich von Thessaloniki. Ihre malerische Landschaft aus Bergen, unberührten Mischwäldern, idyllischen Dörfern und wunderschönen Stränden macht sie zum beliebten Touristenziel. Daneben leben die örtlichen Gemeinden von Agrar- und Forstwirtschaft, Tierhaltung, Lebensmittelherstellung, Imkerei und Fischerei.

Die Region im Osten von Chalkidiki besteht zu 90% aus Wald, dessen Bäume zu den Primärwäldern Europas zählen, sie sind teilweise hunderte von Jahren alt. Tief unter der Erde liegen reichlich Bodenschätze: Zink, Blei, Mangan, Kupfer, Silber und Gold.

Gift für Gold

Bereits vor 4000 Jahren wurde in Europa Gold abgebaut. Der Goldanteil in der kontinentalen Erdkruste beträgt durchschnittlich 4 Gramm je 1000 Tonnen Gestein. Der Anteil schwankt je nach Region. 2011 betrug die Weltjahresförderung 2700 Tonnen, hundertmal mehr als im gesamten 19.Jahrhundert. Die Förderung in Europa ist bis jetzt relativ unbedeutend und lag in Griechenland in den letzten Jahren bei einer halben Tonne jährlich.

Für den Abbau von Gold benötigt man große Mengen Wasser und Chemie, giftiges Zyanid, das zum Herauslösen des Goldes aus dem Gestein eingesetzt wird. Der Bergbau bringt schwerwiegende und irreversible Schäden für die natürliche Umwelt, Luftverschmutzung, Mondlandschaften, Zerstörung der Wasserressourcen, Vergiftung der Böden und Schäden für die Gesundheit und die Lebensqualität mit sich.

Gegen die Umweltzerstörung gibt es seit Jahren breiten Widerstand in der Bevölkerung. Ihm ist es zu verdanken, dass 2002 das oberste Verwaltungsgericht Griechenlands die Goldförderung auf Chalkidiki verbot, weil die möglichen Umweltrisiken größer sind als die wirtschaftlichen und sozialen Vorteile für die lokale Gemeinschaft. Der kanadische Bergwerkskonzern TVX, der aus dem Abraum der stillgelegten Kassandra-Minen Gold gewinnen wollte, musste seine Tätigkeit auf der Halbinsel deshalb beenden.

Dasselbe Verfahren wurde im rumänischen Baia Mare verwendete. Dort war im Februar 2000 nach starken Regenfällen der Damm eines mit Zyanidlauge und schwermetallhaltigem Schlamm gefüllten Abwassersees gebrochen. Es war die schwerste Umweltkatastrophe in Osteuropa seit Tschernobyl, das Gift überschwemmte die Felder der Region, ergoss sich in die Flüsse Sasar und Theiss bis in die Donau. Um Entschädigungsforderungen zu entgehen, meldete der Betreiber Aurul Konkurs an, ein altbewährter Trick.

Verbrecher namens Politiker

Im Dezember 2003 kaufte der griechische Staat die Kassandra-Minen für 11 Mio. Euro erneut, um sie samt Schürfrechten am selben Tag noch an die neugegründete Gesellschaft Hellas Gold zum gleichen Betrag zu verkaufen. Es gab weder eine öffentliche Ausschreibung noch wurde der Wert der Minen durch einen unabhängigen Sachverständigen geschätzt. Die Übertragung enthielt noch weitere Vergünstigungen, so wurde Hellas Gold von der Zahlung der Grunderwerbsteuer befreit und bezahlte nur reduzierte Anwalts- und Notargebühren. Sechs Monate später wurde der Vermögenswert der Minen auf 408 Mio. Euro geschätzt.

Der Deal wurde vom damaligen Staatssekretär im Finanzministerium, Christos Pachtas (PASOK), eingefädelt, dem heutigen Bürgermeister der Gemeinde Aristoteles (benannt nach dem griechischen Philosophen Aristoteles, der auf Chalkidiki geboren wurde). Am Konsortium Hellas Gold sind der kanadische Goldförderer Eldorado Gold mit 95% und Griechenlands größtes Bau- und Engineering-Unternehmen Ellaktor SA mit 5% beteiligt.

2011 wurde der Schleuderpreis von 11 Mio. Euro von der EU-Kommission als rechtswidrige staatliche Beihilfe eingestuft und Hellas Gold aufgefordert, 15,34 Mio. Euro an den griechischen Staat zu bezahlen. Interessanterweise wehrte sich nicht Hellas Gold gegen diese Forderung, sondern der ehemalige Finanzminister Giorgos Papakonstantinou (PASOK) und klagte im Namen Griechenlands vorm Europäischen Gerichtshof. Die Klage wurde abgewiesen. Papakonstantinou war von Juni 2011 bis Mai 2012 Umweltminister und genehmigte, gerade mal 20 Tage im Amt, den geschönten Umweltreport von Hellas Gold – und damit den Beginn des Minenausbaus. Seine Vorgängerin im Umweltministerium, Tina Birbili (PASOK), hatte die Genehmigung wegen offensichtlicher Mängel zwei Jahre lang verweigert.

Wer regiert auf Chalkidiki?

Wenn alles nach Plan läuft, soll Griechenland bis 2015 zum größten Goldproduzenten Europas werden. Auf Chalkidiki sollen die bestehenden Minen in Stratoni und Olympiada ausgebaut werden und neue hinzukommen. In den umkämpften Wäldern von Skouries soll eine Tagebaumine von 700 Metern Durchmesser und 200 Metern Tiefe entstehen, unter Tage 770 Meter tief. Für den Goldabbau sollen großflächig Bäume gefällt werden – eine Katastrophe, weil die Wälder des Berges Kakkavos der Wasserspeicher der Chalkidiki sind.

Hellas Gold behauptet, das Gold (1–5 Gramm je Tonne Erde) mit einem umweltfreundlichen Schwebeschmelzverfahren zu gewinnen, bei dem kein Zyanid verwendet wird. Das Verfahren ist aber bisher, außer in der Kupfergewinnung, nicht erprobt. Zudem darf das Gestein nicht mehr als 0,4% Arsen enthalten. Der vorherige Minenbesitzer TVX hat aber eine Arsenkonzentration von 11% ermittelt. Außerdem ist noch völlig unklar, was mit dem giftigen Abraum und den Schlämmen passiert, die beim Auswaschen anfallen.

Das Gold-Projekt ist Teil des Ausverkaufs von Griechenland – seiner Rohstoffe, Kulturgüter und öffentlichen Güter. Im Zuge dessen sollen in Perama, in der Nähe von Alexandroupolis, weitere Minen geöffnet werden. Aber auch dort organisiert sich erheblicher Widerstand, der mit der Bewegung in Chalkidiki vernetzt ist.

In einem Interview mit Wolfgang Pomrehn auf Labournet Austria erklärt Giorgos Velegrakis von SYRIZA: «Auf der Halbinsel Chalkidiki zerfällt die lokale Gesellschaft. Um das Projekt durchzusetzen, haben private Unternehmen und die Behörden in der Region gemeinsam eine Art Polizeistaat etabliert. Die Polizei schützt die private Infrastruktur gegen die Anwohner und patrouilliert in den umliegenden Dörfern, nimmt Menschen fest, nimmt DNA-Proben. Die Botschaft ist: Der Goldabbau soll unter allen Umständen durchgesetzt werden. Viele Anwohner berichten von zum Teil brutalen Polizeieinsätzen. Das sorgt natürlich auch innerhalb der Dörfer für erhebliche Spannungen, denn ein Teil der Bewohner unterstützt das Vorhaben, weil sie auf Arbeitsplätze hoffen.»

Zweifelhafter Arbeitsplatz

Derzeit arbeiten 1200 Menschen aus der Gemeinde Aristoteles für Hellas Gold. Die Minenbefürworter argumentieren, in den nächsten fünf Jahren würden es bis zu 5000 Arbeitsplätze werden. Ob das stimmt, sei dahingestellt. Das zunehmende Lohndumping in Griechenland macht die Schwerstarbeit im Drei-Schicht-Betrieb für 1400 Euro netto im Monat attraktiv. Eldorado Gold rühmt sich auf seiner Webseite, «einer der kostengünstigsten Hersteller» zu sein.

Die Menschen von Chalkidiki haben ihren langjährigen Kampf gegen die Zerstörung ihres Landes und für ein menschenwürdiges Leben dokumentiert. Sie brauchen internationale Unterstützung. Der weltweite Aktionstag am 9.November 2013, bei dem in Düsseldorf kurzzeitig das griechische Konsulat besetzt wurde, ist erst der Anfang. Es eilt, im Frühling wurden in den Wasserläufen beim Ort Olympiada große Mengen Schwermetalle wie Arsen, Blei und Zink festgestellt. Die «Zeitung der Redakteure» berichtete von Konzentrationen, die die zugelassenen Werte von Arsen um das 49000fache, die von Mangan um das 2660fache überschreiten – alles in geringer Entfernung von Fischzucht- und Muschelanlagen im Golf von Strymonikos.

 

Nähere Informationen unter antigoldgr.wordpress.com und soshalkidiki. wordpress.com. Empfehlenswert ist auch die Dokumentation Golden Times – Cassandra’s Treasure von Yorgos Avgeropoulos.

 

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