von Inge Höger
Auf dem Göttinger Parteitag hielt der damalige und heutige Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi seine viel zitierte Hassrede. Oskar Lafontaine stellte auf dem gleichen Parteitag richtig fest, dass es nicht um Hass geht, sondern um die inhaltliche Ausrichtung der Partei. Nicht erst seit diesem Zeitpunkt arbeiten Teile der Partei zielstrebig daran, die Partei DIE LINKE auf ein Bündnis mit SPD und GRÜNEN zu trimmen.Statt im Wahlkampf die Alleinstellungsmerkmale der LINKEN, das NEIN zu sämtlichen Auslandseinsätzen und das NEIN zu allen Banken- und Eurorettungspaketen in den Mittelpunkt zu stellen, gab es immer wieder Gesprächsangebote an SPD und Grüne. Und nach den für DIE LINKE noch einmal glimpflich ausgegangenen Bundestagswahlen durfte Sahra Wagenknecht nicht gleichberechtigte Fraktionsvorsitzende werden. Ihre fundierte Kritik an der EU und an der Fehlkonstruktion des Euro passt nicht zur Annäherung an SPD und Grüne. Dabei haben deren Zustimmung zu Kriegen und ihr Sozialabbau mit der Agenda 2010 erst zur Gründung der Partei DIE LINKE geführt. Und in Zeiten einer großen Koalition und neu erwachter deutscher Großmachtpolitik in Europa und der Welt ist konsequente linke Opposition notwendiger denn je.
Als dann im Entwurf für ein Europawahlprogramm u.a. der Satz stand, die EU ist eine neoliberale, militaristische und weithin undemokratische Macht, ging ein wahres Kesseltreiben durch die Medienlandschaft. Die SPD erklärte flugs, man werde erst mit den Schmuddelkindern reden, wenn DIE LINKE ihre Positionen zur EU- und internationalen Politik änderte, da war der Anpassungsdruck bei einigen führenden Linken groß. Die sozialdemokratischen Teile der Partei laufen geradewegs in die zerstörende Umarmung. Mit Tricks und Manövern haben sie eine Neuformulierung der Präambel zum Programm erarbeitet und durchgesetzt. Und haben dann noch dafür gesorgt, dass die bekannten EU-kritischen und bewegungsorientierten Linken Tobias Pflüger und Sabine Wills nicht auf die Kandidatenliste gewählt wurden.
In dem nun beschlossenen Programm sind zwar noch viele EU-kritische Positionen enthalten, aber sie stehen unvermittelt neben Passagen, die auf Reformen der EU setzen. Insbesondere in der nun durchgesetzten Präambel werden Illusionen in eine angeblich friedliche und demokratische EU geweckt, die durch ein wenig mehr Einfluss des Europäischen Parlaments reformierbar sei. Auch die Rolle der Merkelschen Politik, die zusammen mit der Troika den Ländern Südeuropas massive Spar- und Verelendungsprogramme aufdrückt, wird nicht ausreichend analysiert. Es wird die Illusion geschürt, dass DIE LINKE das Projekt des europäischen Kapitals mitgestalten oder gar retten könnte.
Mitglieder der Antikapitalistischen Linken und des Geraer Sozialistischen Dialogs haben versucht, mit einem Rückholantrag den Satz: «Spätestens seit dem Vertrag von Maastricht wurde die EU zu einer neoliberalen, militärischen und weithin undemokratischen Macht, die nach 2008 einer der größten Krisen der letzten 100 Jahre mit verursachte», wieder in die Präambel zu bekommen. Dadurch hätte sich zwar der Charakter des Programms kaum geändert, aber dieser Satz war in den letzten Wochen zu einem Symbol der Auseinandersetzung von Anpassung oder Opposition geworden. Reden, die die EU in dieser Weise charakterisierten, bekamen auf dem Parteitag viel Beifall. Einige Medien schrieben später, am Beifall gemessen hätten die kritischen EU-Positionen in der Partei wohl eine Mehrheit, in den Abstimmungen wurden jedoch andere Mehrheiten durchgesetzt.
Das nun beschlossene Programm und die auf die Europawahlliste gewählten Personen machen einen linken antikapitalistischen Wahlkampf sehr schwer. Insbesondere erschweren sie die Solidarität mit den Opfern der EU-Politik – der Rettung von Banken und Konzernen auf Kosten der Menschen –, sie erschweren eine gemeinsame Politik mit anderen europäischen Linken und auch innerhalb der Europäischen Linkspartei (EL). Dennoch werden die antikapitalistischen Linken sich am Wahlkampf beteiligen und für ein gutes Ergebnis der LINKEN kämpfen. Auch wenn wir befürchten, dass sich noch mehr Menschen in den Nichtwählerbereich flüchten, weil sie keine sinnvolle Alternative für eine andere Politik und Verbesserungen ihrer Lebensbedingungen erkennen können.
Der Fraktionsvorstand und die sozialdemokratischen Teile der Partei haben eine grundlegende Kritik an der Politik der EU, an Markt, Wettbewerb und Militarisierung verhindert. Sie wollen den Weg der Anbiederung an SPD und Grüne weitergehen und übersehen dabei, dass die Partei DIE LINKE dann überflüssig würde. Noch eine Partei, die wie die Grünen von einer Friedenspartei zu einer Partei der Kriegsunterstützung, oder wie die SPD die von einer Arbeiterpartei zu einer Partei der Banken und Konzerne wurde, wird in Deutschland und Europa nicht gebraucht. Eine LINKE gegen Kriege, Militarisierung und Sozialabbau ist nötiger denn je.
Inge Höger sitzt für DIE LINKE im Verteidigungsausschuss des Bundestags.
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