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Nur Online PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 03/2014

Die Bedeutung des Durchbruchs der rechtsextremen Front National (FN)

von Johann Schögler*

Für die Front National (FN) von Marine Le Pen war schon vor dem 2. Wahldurchgang der Kommunalwahlen am 30. März klar, dass sie sich fest als dritte Kraft neben der Sozialdemokratie von Hollande, die die größten Verluste einfuhr und der rechtskonservativen Oppositionspartei UMP von Copé, die - obwohl intern auch in einer Krise - leicht zulegen konnte, etabliert hat.Die Kommunalwahlen haben die politische Landschaft verändert, da die FN nun auch endgültig lokal verankert ist.

Das Jahr 7 der Krise seit  2007 (Subprime-Krise in den USA) hat es möglich gemacht, dass die FN so einen Durchbruch erlebte, der von allen Beobachtern und Meinungsforschungsinstituten erst für die EU-Wahl am 25. Mai vorauszusehen war.

In der sich vertiefenden Weltwirtschaftskrise des kapitalistischen Systems profitieren die rechtsextremen Parteien mit ihrer nationalistischen, ausländerfeindlichen, rassistischen, antisemitischen Ideologie und rhetorischen Kritik am Großkapital von der Angst jener Leute, die zu Recht befürchten, dass die Zukunft schlechter sein wird als es die Gegenwart ohnedies schon ist.

Dieser Trend ist in fast allen Ländern von Lissabon bis Moskau und von Athen bis Göteborg ersichtlich. Auch in den USA gibt es mit der Tea-Party ähnliche Entwicklungen.

Dass sie für die Leute eine glaubhafte Alternative zur katastrophalen herrschenden Politik darstellen können, zeigt auch die Geschichte der größten Krise in den 30er Jahre des vorigen Jahrhundert, und es scheint sich wiederum ein faschistischer Ausweg mit Zerstörung und Krieg abzuzeichnen um das System zu retten.

Bis nicht ein entscheidender Block von Ländern aus dem Kapitalismus ausgebrochen ist, sehen die Menschen überhaupt keine andere glaubwürdige Alternative. Dass die kritische, antikapitalistische Linke nicht von den Krisenerscheinungen profitiert, ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sie für die Menschen keine echte glaubhafte Alternative im Sinne der Perspektive eines postkapitalistischen Systems anbieten kann.

Die FN Wähler - vorwiegend aus den Verliererschichten der Globalisierung stammende Protestwähler - gingen vermehrt zur Wahl, wohingegen die Schicht der kleinbürgerlichen SP Wähler vorwiegend den Urnengang aus Protest gegen die sozialliberale Wirtschaftspolitik von Präsident Hollande verweigerte. Fast 40% der Wahlberechtigten machten im 1. Wahlgang keinen Gebrauch von ihrem Stimmrecht. Das führte zur bisher niedrigsten Wahlbeteiligung seit 1971 bei Kommunalwahlen.

Wenn man die Nichtwähler, diejenigen, die nicht mehr auf einer Wählerliste stehen und die ungültigen Stimmen addiert, so ist dies bereits die Mehrheit aller Wahlberechtigten.

Die internationale Presse von der Wall Street Journal über die Financial Times.El Pais; Frankfurter Allgemeine Zeitung; Spiegel; La Stampa bis zur La Repubblica zeigen sich unisono schockiert und sehen die Gewinne des FN vorwiegend als Ausdruck der Unzufriedenheit mit Hollande an.

Landesweit gab es für die Parteien folgenden Prozentsatz: UMP

46.5%     SP 37,7%     FN 5,9%

Ein Vergleich des Abschneidens des FN 2014 zu 2008 macht das Ausmaß der Verankerung bewusst.

Die FN hat 2014 auf  597 Listen in Gemeinden über 3.000 Einwohner kandidiert und landesweit 5,94% der Stimmen erreicht. (2008 waren es  nur 122 Listen). Diesmal erreichten sie fast eine Million Stimmen (2008 waren es 144.000 Stimmen); dort, wo die FN angetreten war, erreichte sie einen Durchschnitt von 15.50% der Stimmen (2008:  9,22%).

Nimmt man die 20 Städte her, in denen die FN die meisten Stimmen erreichte, so lagen diese zwischen 33,70% und 50,26% und aller abgegebenen Stimmen. Im Durchschnitt entspricht dies 37,9% (2008: 14,27%).

Überall dort, wo die FN gewann, war die Wahlbeteiligung weitaus höher (über 65%) als im Landesdurchschnitt.

Die Leute sind von den beiden Großparteien endgültig enttäuscht und haben für die dritte Kraft FN gestimmt. Diesen Trend wollen sie bei der EU-Wahl im Mai fortsetzen, indem sie auf der immer breiter werdenden Anti-EU Welle surfen, um nächstes Jahr bei den Regionalwahlen weiter zu punkten und alles auf die Präsidentschaft 2017 auszurichten, bei der sie mit Marine Le Pen in die Stichwahl zu gehen hoffen.

Diesmal gibt es einen wesentlichen Unterschied zu 2002: Damals konnte sich Jean-Marie Le Pen in der Stichwahl noch nicht auf ein feinmaschiges landesweites Netz wie heute stützen.

Symptomatisch ist der Sieg der FN in Hénin-Beaumont gleich im 1. Wahlgang mit 50,26% der Stimmen und dies in einer Arbeiterkleinstadt in Nordfrankreich mit 27.000 Einwohnern, die hundert Jahre lang links regiert worden war.

* geschrieben am 26.März 2014

 

 

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