von Rolf Euler
Der 11.Februar sollte der Tag sein, an dem «wir zurückschlagen»: Proteste gegen die Überwachung durch NSA, GHCQ und andere Geheimdienste sollten zusammengefasst und verstärkt werden. Dazu aufgerufen hatten verschiedene Bürgerrechtsorganisationen, etwa die US-amerikanische Electronic Frontier Foundation*.Schon am 3.Februar hatten der Chaos Computer Club, die Internationale Liga für Menschenrechte und der Verein DigitalCourage Strafanzeige beim Bundesanwalt eingereicht. Die Anzeige wurde vom Bürgerrechtsanwalt Rolf Gössner vertreten. Sie beschuldigt die Minister der Bundesregierung und die Leitungen der deutschen Geheimdienstbehörden, gegen Gesetze der Bundesrepublik verstoßen zu haben, die die Unverletzlichkeit des Wortes und des Briefgeheimnisses betreffen.
Es lägen genügend «Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten der Verdächtigen» vor, argumentiert sie, insbesondere wegen «verbotener Geheimdiensttätigkeit, Verletzungen des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs sowie Strafvereitelung» im Amt. Die deutschen Geheimdienstbehörden hätten sich «durch die massenhafte Übermittlung von Telekommunikationsmetadaten» an ausländische Geheimdienste strafbar gemacht. Sie seien auch verdächtig, nicht nur Metadaten, sondern auch inhaltsbezogene Informationen an diese Kreise übermittelt zu haben.
Dies ist das zweite Mal, dass unter anderem der Chaos Computer Club rechtliche Schritte gegen die Massenüberwachung einleitet. Schon im vergangenen Jahr hatte der Club beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof Anzeige gegen den britischen Geheimdienst erstattet (siehe dazu das Interview mit Constanze Kurz in SoZ 2/14). Der Gerichtshof will die Beschwerde vorrangig bearbeiten. Nach Mitteilung des CCC wurde die britische Regierung vom Gericht aufgefordert, bis zum 2.Mai die Überwachungspraktiken zu rechtfertigen und zu erläutern, wie sie mit der Europäischen Konvention der Menschenrechte zu vereinbaren seien.
Die rechtlichen Schritte der Liga, des CCC und von DigitalCourage gegen die Massenüberwachung stützen sich auf die Tatsache, dass aus den Enthüllungen Edward Snowdens hervorgeht, dass innerhalb Deutschlands Leitungen angezapft wurden und eine Zusammenarbeit mit deutschen Geheimdienststellen zum Zweck der Datenherausgabe stattgefunden hat. Hierbei wurden in großem Maß Daten von Bundesbürgern erfasst, etwa Mails und Mobiltelefondaten. Rechtsanwalt Gössner betont, das von der Verfassung garantierte Recht des Einzelnen, unkontrolliert zu kommunizieren, sei schwer verletzt worden, sei aber eine «Grundvoraussetzung einer offenen demokratischen Gesellschaft».
Die bisherige Reaktion der Bundesregierung auf Snowdens Enthüllungen zeigt, dass die Sache völlig heruntergespielt wird und vor allem keinerlei Schutzmaßnahmen der Bürger vor ungesetzlicher Ausspähung eingeleitet werden. Ob die Strafanzeige daran viel ändern wird, scheint zwar fraglich, aber wichtig ist es, die Regierung auch rechtlich unter Druck zu setzen.
*Für nähere Angaben siehe die Kampagnenseite NSA-Aushorchprogramm https://thedaywefightback.org.
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