von Jochen Gester
Die Siegesfeier fiel aus. Die UAW (United Auto Workers) scheiterte erneut beim Versuch, als Gewerkschaft in einem Montagebetrieb der Autoindustrie (VW Chattanooga) im weitgehend gewerkschaftsfreien Süden der USA anerkannt zu werden.
Der scheidende UAW-Vorsitzende Bob King hatte sich zuvor noch überzeugt gezeigt: Die Beschäftigten würden sich bei einer freien und demokratischen Wahl, die nicht durch das Unternehmen bekämpft wird, für ihre Vertretung durch die Gewerkschaft entscheiden. Und tatsächlich sah es für die UAW diesmal so aus, als ob ein Durchbruch erzielt werden könnte. Denn anders als bei Organisierungsversuchen in anderen Unternehmen setzte das Management der VW AG nicht alle Hebel in Bewegung, um die Gewerkschaft in der Öffentlichkeit zu diskreditieren, sondern verpflichtete sich zur Neutralität.
Dieses Zugeständnis machte der Konzern seinem Weltbetriebsrat, in dem die IG Metall großen Einfluss hat. Der hatte darauf gedrungen, dass das Montagewerk in Chattanooga im US-Bundesstaat Tennessee nicht länger das einzige Werk im Konzern bleibt, das ohne Betriebsrat ist. Da dessen Gründung – und dies ist eine erkämpfte Rechtsposition gegen die Installierung gelber Gewerkschaften – im US-Arbeitsrecht nur möglich ist, wenn es im Betrieb eine anerkannte Gewerkschaft gibt, wurden die Beschäftigten in Chattanooga gefragt, ob sie sich in Tarifverhandlungen durch die UAW vertreten lassen wollten. Entgegen den Erwartungen der UAW lehnte jedoch eine Mehrheit von 712 Beschäftigten gegenüber 626 Ja-Stimmen dies ab.
Warum?
Einen Grund für das enttäuschende Ergebnis sehen sowohl die UAW als auch verschiedene, der Gewerkschaft eher zugeneigte, Kommentatoren in der gewaltigen Medienkampagne, die das konservative Lager organisierte. Republikanische Politiker gingen damit hausieren, sie verfügten über Informationen, die besagten, es werde eine neue Produktionslinie von SUVs in Chattanooga nur dann geben, wenn die Beschäftigten gegen die UAW votierten. Auch würden bei einem Pro-UAW-Votum weitere staatliche Fördergelder für die Fabrik in Frage gestellt.
Andere Kommentatoren hingegen betonen, die Abstimmung sei das Ergebnis der früheren Politik der UAW. Sie habe durch ihr konfrontatives Verhalten den Niedergang der US-Automobilindustrie zu verantworten. Auch deutsche liberale Leitmedien sehen das so: «Die Arbeiter fürchteten offenbar, dass es ihnen im Süden ähnlich ergeht wie in Detroit, wenn sie für die UAW stimmen.» (SZ, 16.2.)
In einem Artikel von Mike Elk auf dem Internetportal «In these times», der sich auf Befragungen von Beschäftigten des Pro-UAW-Lagers und ihrer Gegner von «No 2 UAW» stützt, werden jedoch auch andere, für die Beteiligten vielleicht wichtigere, Gründe genannt: Etwa den, Vorarbeiter und höhere Angestellte hätten sich nicht an das Neutralitätsgebot gehalten sondern, mit «Vote No»-T-Shirts ausgestattet, gegen die UAW agitiert. Gegen die UAW wurde der Vorwurf erhoben, sie habe einen Deal mit der Geschäftsleitung gemacht, in dem sich die Gewerkschaft verpflichtet dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten vor Ort nicht länger über dem Niveau der «Big Three» (der drei großen US-amerikanischen Autokonzerne) bezahlt werden. Dies träfe insbesondere die neu eingestellten Beschäftigten. Sie wären schlechter dran, käme auch in Tennessee der 2-Stufen-Tarif in Anwendung (bereits unter Vertrag stehende Beschäftigte verdienen wesentlich mehr als Neueingestellte).
Die Widersprüche der UAW
So waren «No 2 UAW»-Akteure bemüht, möglichst jeden Widerspruch im gegnerischen Lager für sich zu nutzen. Und es war kein Problem, der Gewerkschaft einerseits ihre angeblich zu konfrontative Haltung gegenüber den Automobilunternehmen vorzuwerfen, um ihr dann gleichzeitig anzukreiden, sie lasse sich vor den Karren der Firma spannen.
Die UAW hat sich im Vorfeld der Wahlen viel Mühe gegeben, ihr altes Image abzustreifen und betont, sie habe sich geändert und wolle in Zukunft mit und nicht gegen die Arbeitgeber arbeiten. In einem eigens dafür gedrehten Video mit dem Titel «Co-determinating the Future» warb sie für einen neuen Standard innovativer Arbeitsbeziehungen, der bei VW Wirklichkeit werden könne. Er käme allen Beteiligten zugute. Bob King: «Unternehmen, die sagen, die UAW sei konfrontativ, sind gefangen in einer dreißig Jahre alten Denkart».
Doch der Ausgang der Wahl zeigt: Allein die Tatsache, dass es gelingt, zu Vereinbarungen mit Unternehmen zu kommen, die das «deutsche Modell» als Standortvorteil im Konkurrenzkampf nutzen, reicht nicht aus, in den Transplants des amerikanischen Südens das Tor für reale soziale und politische Besserstellungen der Belegschaft aufzustoßen. Ein von Mike Elk interviewter Community-Aktivist wies auf eine weitere, mögliche offene Flanke der UAW-Kampagne hin. Die Gewerkschaft habe kaum Anstrengungen unternommen, ihr Anliegen zu einem des kommunalen Gemeinwohls zu machen. Das habe sich gerächt. Denn: «Es gibt keinen Weg, im Süden zu gewinnen, ohne jeden, der bereit ist, dich zu unterstützen, dazu zu gewinnen, auch mit dir zu kämpfen. Denn der Süden ist eine gigantische Antigewerkschaftskampagne.»
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