von Walter Zehringer
Bezugnehmend auf die Ausstellung «1914, die Avantgarden im Kampf» schreibt Angela Klein, dass sich die westeuropäische Künstleravantgarde zwar antibürgerlich gab, aber trotzdem für Gott, Kaiser und Vaterland in den Krieg zog, eine neue Formsprache in der Malerei entwickelte, doch keine Kritik an den sozialen Verhältnissen formulierte. Hier möchte ich auf die russische Konstruktivistische Avantgarde hinweisen, die schon in der vorrevolutionären Zeit ab 1915 den totalen Bruch mit traditionellen Bildvorstellungen vollzog und die Überwindung der Kunst als einer individuell allein aus sich legitimierten Tätigkeit proklamierte. Ziel der Konstruktivisten W.Tatlin, El Lissitzky, A.Rodtschenko u.a. war die Überführung der freien Kunst in die Sphäre der Produktion, in den Alltag der sozialistischen Gesellschaft. Als notwendige Voraussetzung sahen sie die Verbundenheit mit der alles umwandelnden internationalen sozialistischen Revolution. Die «Linke Front der Kunst» (LEF), ein Zusammenschluss von Konstruktivisten, verteidigte in den 20er Jahren das Vermächtnis der Oktoberrevolution gegen Rückschritt und Abweichung, hielt an der sozialistischen Utopie fest, bis auch sie unter die stalinistischen Räder kam. In der westlichen bürgerlichen Kunstgeschichte werden die russischen Konstruktivisten unterschlagen bzw. unter politischem Vorbehalt behandelt oder dem Abstrahismus zugeschlagen.
Literaturhinweis: Katalog zur Ausstellung «Die große Utopie», Schirn Kunsthalle, Frankfurt 1992, speziell der Beitrag von Paul Wood, «Die Avantgarde und die Politik.»
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