von Carl-D.A. Lewerenz
In immer kürzeren Abständen stellen international aufgestellte Autobauer Prototypen von Fahrzeugen vor, die mit Strom aus Wasserstoffbrennstoffzellen (H2-BZ) ohne Lärm und ohne bewegte Teile angetrieben werden. Das Erstaunliche an diesen Fahrzeugen ist die Speicherung des Treibstoffs Wasserstoff.Hierfür wurden Behälter entwickelt, die einen Gasdruck von 700 Bar TÜV-geprüft aushalten. (Der üblicherweise verbreitete Reifendruck misst 2,2 Bar.)
Gegenüber akkuelektrisch angetriebenen Fahrzeugen haben mit Wasserstoffbrennstoffzellen angetriebene Fahrzeuge den Vorteil der größeren Reichweite und der zügigen Betankung innerhalb von rund drei Minuten (bei akkuelektrisch angetriebenen Fahrzeugen beträgt die Ladezeit oft mindestens 30 Minuten und die Reichweite ist auf höchstens 150 Kilometer begrenzt). Beide Arten der individuellen Elektromobilität haben den Umweltvorteil, dass sie am Ort des Einsatzes ohne Treibhausgasemissíonen betrieben werden können.
Gegenüber benzin- und dieselgetriebenen Fahrzeugen haben brennstoffzellenangetriebene Fahrzeuge nicht nur den genannten Umweltvorteil, sondern auch den eines höheren Wirkungsgrads. Erstere können von der Energie im Treibstoff allerhöchstens 35% für den Antrieb nutzen. Brennstoffzellenangetriebene Fahrzeuge nutzen die im Wasserstoff enthaltene Energie bis zu 60% für den Antrieb.
Wasserstoff auch zur Stromerzeugung?
In Deutschland macht der Anteil der durch den Verkehr verursachten Treibhausgasemissionen zwar nur etwa 17% aus. Dennoch sind die hier möglichen Emissionsminderungen unter anderem wegen der oft sehr hohen Konzentrationen von Treibhausgas in den Städten zu begrüßen und zu fördern. In den Ausbau eines Wasserstofftankstellennetzes kommt jetzt auch Bewegung: Sechs Partner, Air Liquide, Daimler, Linde, OMV, Shell und Total, haben sich im Herbst 2013 für einen konkreten Handlungsplan zum Aufbau eines landesweiten Wasserstofftankstellennetzes für Brennstoffzellenfahrzeuge zur «H2-Mobility-Initiative» zusammengeschlossen. Bis 2017 sollen bereits 100 Wasserstofftankstellen (über die 15 bestehenden hinaus) in Betrieb gehen, bis zum Jahr 2023 sollen es landesweit rund 400 sein. Dafür stellen die beteiligten Unternehmen einen Investitionsaufwand in Höhe von insgesamt 350 Millionen Euro in Aussicht. Insbesondere verkehrsreiche Städte können eine Verringerung der Smogbelastung erwarten. Denn aus den Abgasanlagen der Wasserstofffahrzeuge kommt nur noch umweltneutraler Wasserdampf.
Den mit 36,8% größten Anteil an den in Deutschland emittierten Treibhausgasen verursacht die Stromerzeugung. Von den nichterneuerbaren Energieträgern kommen Uran, Braunkohle, Steinkohle, Öl und Fossilmethan zum Einsatz. Ihre Klimaschädlichkeit misst sich nicht nur an den Emissionen, die am Ort der Stromerzeugung entstehen, sondern auch an denen, die mit der Förderung und dem Transport, also den sogenannten «Vorketten», einhergehen. Auch das so oft als umweltfreundlich gelobte Erdgas besteht im wesentlichen aus fossilem Methan mit einem Emissionsanteil von rund 450 Gramm Kohlendioxidäquivalenten je elektrische Kilowattstunde – wenn man alle Vorketten berücksichtigt.
Es fragt sich nun, ob Wasserstoff auch bei der Stromerzeugung eine umweltschonende Rolle spielen kann. Hierfür können die privaten Haushalte von Bedeutung sein. Die Erzeugung von Solarstrom auf dem Dach ist inzwischen, dank entschlossener Einführungsförderung, eine weit entwickelte Technik, die allerdings nur mit zusätzlichen teuren Akkumulatoren auch zu Nachtzeiten Strom zur Verfügung stellt.
Strom aus dem Heizungskeller
Zu jeder gewünschten Zeit im Heizungskeller Strom erzeugen kann aber ein auf Gasbetrieb umgerüsteter Verbrennungsmotor von VW, angeboten von der Hamburger Firma Lichtblick. Dieses Aggregat kostet rund 30000 Euro und hat eine elektrische Leistung von 20 Kilowatt, erbringt in einer Stunde also 20 Kilowattstunden (kWhel). Daraus ergibt sich ein aktueller Leistungspreis von rund 1500 Euro pro kWel. Während der Stromerzeugung werden aus dem Kühlwasserkreislauf aber auch noch 32 Kilowatt thermische Energie als Nächstwärme für Warmwasser und für Warmwasserheizung zur Verfügung gestellt. Das verbessert die Kosten-Nutzen-Struktur erheblich.
Wenn ein Verbrennungsmotor, ursprünglich für den mobilen Einsatz in Pkw konstruiert, auch zur Stromerzeugung im stationären Bereich betrieben werden kann (mit Hilfe eines Generators, versteht sich), dann fragt sich sogleich, ob ein solcher stationärer Einsatz auch mit Wasserstoffbrennstoffzelle möglich ist. Die Frage kann grundsätzlich bejaht werden. Allerdings unterscheiden sich die Anforderungsprofile für den mobilen Einsatz von Brennstoffzellensystemen in bestimmten Bereichen von den Anforderungen im stationären Einsatz. Im mobilen Bereich haben die Autobauer es geschafft, Brennstoffzellen bis zu –20°C widerstandsfähig zu machen. Zeitlich braucht die Haltbarkeit dagegen 5000 Betriebsstunden nicht zu überschreiten. Im stationären Bereich jedoch sind 80000 Betriebsstunden erwünscht.
Klein und praktisch
Für den massenhaften Betrieb von Wasserstoffautos ist das derzeitige Haupthindernis, dass zu wenige Wasserstofftankstellen vorhanden sind. Das Haupthindernis für den Betrieb von Brennstoffzellensystemen zur Stromerzeugung im Heizungskeller mit Nächstwärmenutzung besteht darin, dass die 17 Millionen Privathaushalte mit Gasanschluss in Deutschland gegenwärtig keinen Wasserstoff, sondern nur Erdgas beziehen.
Der wesentliche Vorteile einer Stromerzeugung im Heizungskeller mit Hilfe von Brennstoffzellen besteht darin, dass sie sehr leise ist. Es braucht auch keinen Anlassermotor. Überhaupt beschränken sich die beweglichen Teile auf einige wenige Ventile, die den Zustrom von Wasserstoff steuern. Im Verhältnis zu Hausstromerzeugern mit Verbrennungsmotoren fallen Wasserstoffbrennstoffzellen sehr klein aus und werden voraussichtlich raumsparend an die Wand gehängt werden können. Sobald die Bedingungen für eine Massennachfrage gegeben sind und angemessene Marktanreize greifen, kann in großen Serien produziert werden. Die Stromerzeugung mit Brennstoffzellen im Heizungskeller mit Nächstwärmenutzung könnte so billig werden, dass sie auch dann noch zum Testsieger aufsteigt, wenn die Zellen im Abstand von fünf Jahren wegen Abnutzungserscheinungen ausgetauscht werden müssen.
Woher kommt der Wasserstoff?
Wie können diese Vorteile nun genutzt werden? Entweder man muss dem Brennstoffzellensystem eine kleine Wasserstofffabrik («Reformer») vorschalten, die dem Erdgas (CH4) den Wasserstoff (2 H2) entzieht, oder das Gasleitungsnetz wird umgebaut und mit Wasserstoff betrieben. Übermäßig aufwändig dürfte der Umbau nicht sein: Das früher in Kokereien erzeugte «Stadtgas» bestand ungefähr zur Hälfte aus Wasserstoff, und die Rohrleitungen wiesen kaum Schäden auf.
Die Hersteller von Stromerzeugern auf der Basis von Brennstoffzellen können natürlich nicht warten, bis irgendwann eine Parlamentsmehrheit für die Umstellung der Gasversorgung auf Wasserstoff stimmt. Daher mussten die Techniker auf Geheiß ihrer Chefs in den sauren Apfel beißen und den Stromerzeugern auf der Basis von den Brennstoffzellen entweder Reformer vorschalten oder ein Hochtemperaturbrennstoffzellensystem entwickeln, bei dem bei rund 800°C der Wasserstoff in der Zelle selbst aus Erdgas gewonnen wird. Erstaunlicherweise ist dabei ein Gerät entstanden, das einen Stromwirkungsgrad von über 60% aufweist (BlueGen von CeramicFuelCell, Heinsberg). Dieses Gerät im Waschmaschinenformat hat allerdings nur eine Leistung in Höhe von 1,5 kWel. Außerdem benötigt es 25 Stunden, um auf Betriebstemperatur zu kommen. Es ist zum Dauereinsatz vorgesehen, wobei die Wärmeauskopplung für das Warmwasser eines Privathaushalts ausreicht. Mit Installation kostet diese Anlage ungefähr 25000 Euro.
Das Beispiel Dänemark
In Dänemark sind brennstoffzellenbasierte Stromerzeuger im Heizungskeller mit Nächstwärmenutzung zu besichtigen, die kein Erdgas verdauen müssen, sondern direkt mit hochreinem Wasserstoff aus einer Elektrolyseanlage beschickt werden. Obwohl die elektrische Leistung dieser Brennstoffzellensysteme ebenfalls nur 1,5 Kilowatt beträgt, ist dieses Niedertemperatursystem halb so teuer, halb so raumgreifend und halb so schwer. Es kann bequem an der Wand installiert werden.
Das sind schon jetzt klar erkennbare Vorteile einer Umstellung der Gasversorgung auf Wasserstoff. Allerdings handelt es sich in Dänemark um ein Demonstrationsprojekt, für das eigens neue Wasserstoffleitungen verlegt wurden. Insgesamt wurden 25 Familienhäuser mit diesem System ausgestattet, außerdem eine Schule, ein Altenheim und ein Ausstellungsgebäude – ein Hinweis auf hohe Sicherheit. Das ist ein Stück Wirklichkeit eines lokalen Wasserstoffnetzes in Nakskov-Vestenskov, im Westen der Insel Lolland.
Wasserstoff lässt sich speichern
Woher kommt der Wasserstoff, den perspektivisch 17 Millionen Privathaushalte mit Anschluss ans Gasleitungsnetz benötigen? Erprobt ist das Dampfreformierungsverfahren zur Erzeugung von Wasserstoff aus Erdgas in industriellen Größenordungen und mit einem Umwandlungswirkungsgrad von etwas über 70%. Aufgrund langfristiger Lieferverträge wird man diese nicht klimaneutrale Verwendung von Erdgas nicht gänzlich ausschließen können.
Wasserstoff kann aber auch elektrolytisch hergestellt werden. In Deutschland arbeiten schon eine Reihe von Elektrolyseanlagen, die mit mit unverkäuflichem Windstrom betrieben werden, um Energie zu speichern. Der Wasserstoff lagert dabei in riesigen Salzkavernen, bis er Gasleitungsnetzen zugemischt oder zur zentralen Stromerzeugung eingesetzt wird.
Ein künftiger Königsweg der Erzeugung von Wasserstoff scheint jedoch die thermochemische Verarbeitung von Bioabfällen zu sein, die ab Januar 2015 in rauen Mengen per Biotonne in den Kommunen gesammelt werden. Die hieraus herstellbaren Wasserstoffmengen reichen aus, um einen großen Teil des jährlichen Strombedarfs in Deutschland mit Hilfe der Stromerzeugung im Heizungskeller mit Nächstwärmenutzung zu decken.
Carl-D.A. Lewerenz, Diplom-Jurist (Ruhr-Universität Bochum), ist während seines Berufslebens sowohl als Vorsitzender eines großen Mietervereins als auch als Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung mit Fragen der Energiegerechtigkeit, später Klimagerechtigkeit in Berührung gekommen. Er ist Initiator und Mitgründer der «Basis-Initiative Pro Wasserstoff».
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