Rumänen und Bulgaren in Deutschland
Reisen dürfen sie. Seit dem 1.Januar 2014 können Bulgaren und Rumänen uneingeschränkt in Deutschland leben und arbeiten. Aber willkommen sind sie nicht. Und so versucht man sie zu vergraulen, indem man ihnen keine Wohnung gibt. Rund 11000 sind in Köln aktuell gemeldet. Anders als bei Flüchtlingen muss die Stadt nicht für ihre Unterkunft sorgen, da sie ja EU-Bürger sind. Viele der Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien sind Vorurteilen ausgesetzt, etliche von ihnen verdingen sich notgedrungen als Tagelöhner – in Köln werden sie vornehmlich rund um den Eigelstein, in Ehrenfeld und in Kalk stunden- und tageweise für harte Arbeit angeheuert. Eines der größten Probleme für die Rumänen und Bulgaren ist es, eine Wohnung zu finden, da viele Vermieter sie ablehnen.
«Kein mensch ist illegal» in Köln hat mit zwei dieser Zuwanderer gesprochen und der SoZ diesen Text, der auch in der Kalker Flugschrift für das Recht auf Stadt erscheint, zur Verfügung gestellt. Die Flugschrift wird von politisch engagierten Menschen aus Köln-Kalk herausgegeben.
Wir treffen D. und M. auf der Kalker Hauptstraße (Namen der Autorin bekannt). D. lebte bis vor kurzem mit seiner Frau und ihren drei kleinen Kindern in Kalk bei Verwandten. Obwohl er Arbeit hat, finden er und seine Familie keine eigene Wohnung, da sie systematisch von Vermietern abgelehnt werden, sobald diese hören, dass sie Roma aus Bulgarien ohne festen Arbeitsvertrag und Verdienstnachweis sind. Um jedoch einer geregelten Arbeit mit Verdienstnachweis nachgehen zu können, brauchen sie eine Wohnung, um sich dort anmelden zu können, da dies von Arbeitgebern als Bedingung vorausgesetzt wird.
Bis vor kurzem wohnten sie bei Verwandten mit acht Personen in einer Zwei-Zimmer-Wohnung, wo sie sich nicht anmelden konnten. Nachdem ein Nachbar mit Anzeige drohte, mussten sie auch diese vorübergehende Unterkunft verlassen, ihnen drohte Obdachlosigkeit. Seine Frau und seine Kinder mussten deshalb wieder zurück nach Bulgarien.
D. und M. sind nun obdachlos und müssen nach ihrer 10-bis-12-Stunden-Schicht auf dem Bau in der U-Bahn oder in anderen öffentlichen Räumen übernachten, aus denen sie immer wieder vertrieben werden. Am Wochenende kommen sie zu Gulliver, eine Überlebensstation für Obdachlose, um sich dort zu duschen und zu essen.
Eine schier aussichtslose Situation. D. und M. sind nach Deutschland gekommen, weil in ihrer Heimatstadt Vidin, einer Bezirkshauptstadt im Nordwesten Bulgariens an der Donau, junge Männer für die Arbeit auf dem Bau in Deutschland gesucht wurden. Sie wollten hier mit ihren Familien leben und ein vollständiger Teil unserer Gesellschaft sein. Obwohl sie keinen Mindestlohn erhalten und schwerste Arbeit ohne Arbeitskleidung leisten, fühlen sie sich hier wohler als in Bulgarien.
D. und M. erzählen, dass es zu Zeiten der Volksrepublik Bulgarien für alle Arbeit gab und ihre Väter Schafhirten waren, aber nach der «Wende» (seit 1990 Republik Bulgarien, 2007 EU-Beitritt) fand der große Ausverkauf in Bulgarien statt, was zur Folge hatte, dass viele Betriebe geschlossen und ein großer Teil der Bevölkerung erwerbslos wurde. Viele versuchen seitdem, ihre Familien mit Saisonarbeit über Wasser zu halten, Kinder fangen mit 12, 13 Jahren an zu arbeiten und können nur vier Jahre zur Schule gehen, danach ist sie nicht mehr kostenlos.
Trotz dieser Umstände hat D. es geschafft, Deutsch und die lateinische Schrift zu erlernen, weil er weiß, dass er und seine Familie aufgrund ihrer Roma-Herkunft im «neuen» Bulgarien noch weniger Chancen haben als vorher. Diskriminierung gehört für sie zum Alltag, eine Auflehnung dagegen ist sinnlos.
Das Leben ist durch den EU-Beitritt unerschwinglich teuer geworden, gleichzeitig sind die Löhne kaum gestiegen: 7,50 Euro pro Tag, also 150 Euro im Monat verdienen sie. Zum Leben und Schulbesuch der Kinder benötigten sie aber ca. 800 Euro. Allein die Miete für eine Zwei-Zimmer-Wohnung kostet 50 Euro.
Auch wenn D. und M. unter unmenschlichen Bedingungen in Deutschland leben und arbeiten müssen, wollen sie hier leben, weil sie sich und ihren Familien eine Chance auf Bildung und eine bessere Zukunft ermöglichen wollen. Der Staat verweigert jedoch den Neubürgern nicht nur ihre Rechte als EU-Bürger, sondern schafft immer neue Gesetze zur weiteren Ausgrenzung dieser Bevölkerungsgruppe.
Die Stadt Köln leugnet seit Jahrzehnten ihre Verantwortung für den Erhalt günstigen Wohnraums. Infolgedessen bleiben die betroffenen Menschen in diesem menschenunwürdigen Leben stecken und ihr Recht auf Teilhabe an unserer Gesellschaft wird ihnen verwehrt.