Neuer Anlauf auf dem Hamburger Kongress am 10.Mai
von Pidder Lüng
Am 10.Mai 2014 fand in Hamburg ein Kongress zum Thema «Arbeitszeitverkürzung – ein Weg aus der Krise?» mit ca. 200 Teilnehmenden statt. Er verabschiedete unter großem Beifall nebenstehende Abschlusserklärung.
Zuvor hatten die Anwesenden an einem abwechslungsreichen Programm aus Podiumsdiskussionen und Workshops mitgewirkt. Basisaktive unterschiedlichster Herkunft und Motivation hatten den Kongress von unten organisiert.
Schon vor Beginn warf der Kongress Schatten: Der Vorsitzende des Hamburger Ver.di-Landesbezirks, Wolfgang Abeln, bei Aktiven als gewerkschaftlicher Rechtsausleger verschrien, war zurückgetreten und hatte als einen der Gründe genannt, er sei im Landesbezirksvorstand überstimmt worden, als es darum ging, den Kongress mit 1000 Euro aus der Gewerkschaftskasse zu unterstützen. Eine Sitzung davor war es ihm noch gelungen, den entsprechenden Antrag gar nicht erst zu befassen. Dass es einen Monat später den gleichen Antrag dann prompt noch einmal gab, empörte ihn aufs äußerste. Pikant ist das vor dem Hintergrund, dass die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bei Ver.di auf Bundesebene Beschlusslage ist. Es zeigt aber auch, dass die Forderung Potenzial hat: Einerseits mobilisiert sie, andererseits polarisiert sie auch.
Eröffnet wurde die Veranstaltung durch eine Podiumsdiskussion, bei der die Vielschichtigkeit des Themas deutlich wurde: Arbeitszeitverkürzung kommt vollzeitbeschäftigen Erwerbstätigen genauso wie Erwerbslosen und Unterbeschäftigten, die sich von einem prekären Job zum nächsten hangeln müssen, ohne sicher sein zu können, auch morgen noch über die Runden zu kommen. Diskutiert wurde das Thema nicht nur aus dem nationalen Blickwinkel, sondern auch hinsichtlich seiner globalen Auswirkungen. Gerade dazu gab es eine Kontroverse auf dem Podium zwischen den Professoren Bontrup und Paech, die das Thema zwar recht akademisch, aber in einem herzhaften Streit austrugen, was manchen im Publikum zuviel wurde.
In zwei anschließenden Workshop-Phasen wurden insgesamt 26 Arbeitsgruppen angeboten, was den Eindruck von der Breite des Themas nochmals verstärkte. Da ging es um Arbeitszeit und Gesundheit, um verkehrspolitische Aspekte, aber auch um betriebliche und gewerkschaftliche Praxis.
Beim Abschlusspodium ging es ans Eingemachte: «Wie durchsetzen?», war die von den Organisatoren vorgegebene Fragestellung. Hier wurde in kurzer Zeit eine Menge klar: Die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung ist nur dann sinnvoll, wenn sie verknüpft wird mit der nach vollem Lohn- und Personalausgleich. Dann aber hat sie das Potential, die Machtfrage zu stellen. Einig waren sich alle darin, dass es einerseits nicht geht, dass einzelne Gewerkschaften diese Forderung allein in einer Tarifrunde durchsetzen. Andererseits sind hierzulande gerade Tarifrunden das gewerkschaftliche Mittel schlechthin. Die Forderung breit in der Gesellschaft zu verankern, eine umfassende Bewegung zu organisieren und die Tarifrunden sinnvoll in das Gesamte einzufügen: Das wird die Herausforderung sein, der sich alle stellen müssen.
Hier wurde auch der Unterschied zur 35-Stunden-Wochen-Kampagne deutlich: Der Ansatz beginnt jetzt von vornherein mit einer größeren gesellschaftlichen Breite. Dass das den Teilnehmenden bewusst ist, zeigt auch der Wortlaut der Abschlusserklärung. Das Spektrum der Teilnehmenden spiegelte die Breite wider. So ist die Hoffnung auf eine Bewegung, die möglichst viele verschiedene, politische wie soziale Bereiche umfasst nicht bloß abstrakt.
Der Chor Hamburger Gewerkschafter rundete den Kongress mit seinem musikalischen Programm ab. Extrabeifall gab es für die Aktualisierung der «8-Stunden-Marseillaise» zu einer 6-Stunden Marseillaise.
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