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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 06/2014
Oligarchen und extreme Rechte

von Angela Klein

Die Präsidentschaftswahlen in der Ukraine haben mal wieder einem schwerreichen Oligarchen, Petro Poroschenko, das Mandat gegeben. Der demokratische und antioligarchische Impuls der Maidanbewegung ist gebrochen. Sie hat es nicht vermocht, ihrem Anliegen in einer eigenständigen, unabhängigen Kandidatur einen politischen Ausdruck zu verleihen.Der Osten

Die Wahlbeteiligung war mit landesweit 60,3% die niedrigste aller Präsidentschaftswahlen in der Ukraine überhaupt. Der Hauptgrund dafür war, dass in der Region Donezk nur in 5 von 22 Wahlbezirken, und in der Region Lugansk nur in 4 von 12 Wahlbezirken Wahlen überhaupt durchgeführt werden konnten. In der Region Donezk gingen 668000 von 3,3 Millionen Wahlberechtigten zur Wahl (20,3%), in der Region Luhansk 216000 von 1,8 Millionen (12%). Dort wo die Wahl stattfinden konnte, erhielt Poroschenko eine relative Mehrheit (in Donezk 35,2%, in Lugansk 33,2%); an die zweite Stelle kam Serhiy Tihipko mit jeweils 19,6% und 15,8%. Timoschenko, Dobkin und die anderen landeten weit abgeschlagen bei 7% und weniger.

Tihipko gehört zur Kaste der Reichen. Er wird als Parteigänger von Leonid Kutschma in den 90er Jahren vorgestellt, dann Wirtschaftsminister unter Juschtschenko, bevor er eine eigene Bank gründete, die er später für 1 Mrd. US-Dollar an die schwedische Swedbank verkaufte.

Michail Dobkin ist Führungsmitglied der Partei der Regionen, war Gouverneur der Region Charkow und Bürgermeister der Stadt Charkow. Er war der einzige, der einen Wahlbezirk für sich entscheiden konnte (in der Region Charkow).

Ins Fernsehen gelangt sind die Bilder, wie bewaffnete Männer die Wahlurnen aus den Wahllokalen entfernen und zerstören. Das war laut Wolodimir Ischtschenko (siehe SoZ 5/2014) jedoch nicht der einzige Grund für die geringe Wahlbeteiligung. Das Kiewer Institut für Soziologie führte am Tag der Wahl eine Telefonumfrage in den Regionen Donezk und Lugansk durch und fragte u.a. danach, ob die Befragten zur Wahl gehen würden und wenn nicht, warum nicht. Das Umfrageergebnis ist ganz aufschlussreich: 17% gaben an, sie wollten zur Wahl gehen, würden jedoch daran gehindert. 67% sagten, sie würden nicht wählen gehen. Von diesen gaben 46% politische Gründe an: keinen wählbaren Kandidaten, keine fairen Wahlen, Donbass gehöre nicht mehr zur Ukraine; 32% organisatorische Gründe: in ihrem Wahlkreis fänden keine Wahlen statt; 17% gaben persönliche und andere Gründe an; und 7% sagten, sie fühlten sich bedroht, es sei zu gefährlich, wählen zu gehen.

Das heißt, ein knappes Drittel der Wahlberechtigten wollte aus politischen Gründen nicht zur Wahl gehen, etwa 43% sahen sich an der Wahl gehindert.

In zwei weiteren Regionen des Südostens, Odessa und Charkow, lag die Wahlbeteiligung unter 50%.

Die extreme Rechte

Die extreme Rechte der Westukraine, die Kandidaten der Swoboda-Partei und des Rechten Sektors, landeten weit abgeschlagen bei 1,2% bzw. 0,7%. Soviel zur Behauptung, in der Westukraine herrschten die Faschisten. Auch aus ihren Regierungsämtern (drei Minister und ein Generalstaatsanwalt) konnten sie offensichtlich keinen Honig saugen. Hätte es die Möglichkeit einer problemlosen Abstimmung auf der Krim und im Donbass gegeben, wäre das prozentuale Gesamtresultat für die beiden rechtsextremen Parteiführer noch geringer ausgefallen als die ohnehin peinlichen jetzigen Ergebnisse. Die Gefahr, die in der Westukraine von rechtsextremen Gruppen ausgeht, ist ganz anderer Natur:

Erstens kommen sie in Umfrageergebnissen auf höhere Werte: Bei vorgezogenen Parlamentswahlen, die für Herbst angesetzt wurden, käme Swoboda wahrscheinlich über 5%, womit sie im Parlament mit einer eigenen Fraktion vertreten wäre; aber auch das wäre nur noch etwa die Hälfte des Zuspruchs, den sie bei den Parlamentswahlen 2012 erreichte. Den größten Zulauf hat Swoboda in Galizien. Der Rechte Sektor könnte auf 2–3% hoffen. Zweitens aber verschieben sie den Diskurs der bürgerlich-liberalen Mehrheit nach rechts, noch stärker in Richtung Nationalismus, Russenfeindlichkeit und Rassismus. Die «faschistische Gefahr» in der Ukraine liegt mit diesen Ergebnissen nicht höher als in Deutschland.

Es kommt aber ein drittes, ganz anders geartetes und unkontrollierbares Moment hinzu: Nämlich dass sich der Rechte Sektor als bewaffneter Arm für Oligarchen und als Ersatz für eine kaum einsatzfähige ukrainische Armee zur Verfügung stellt. Der ukrainische Staat befindet sich zum Teil faktisch «im Privatbesitz» von Oligarchen, und dies nicht erst seit der Maidan-Bewegung. Gleichzeitig hat die Arbeiterbewegung keinen unabhängigen politischen Ausdruck und ist gespalten. Von dieser Konstellation, nicht von ein paar rechtsextremen Ministern und nicht einmal vom Rechten Sektor, geht die größte Gefahr für einen Krieg in der Ukraine aus.

Ein Neonationalsozialismus ist nach Ansicht von Anton Schechowzow, Rechtsextremismus-Forscher am University College London, innerhalb der extremen Rechten der Ukraine noch peripher. Er erklärt damit auch das relativ geringe Maß an rassistischer Gewalt in der Ukraine, vor allem während der letzten Jahre. «Dieser Trend läuft der unter einigen linken Publizisten und Politikern in der EU populären Ansicht von der Ukraine als traditionellem Hort gewalttätigen Ultranationalismus zuwider. Das weit verbreitete Vorurteil führte u.a. zu einer westeuropäischen Medienhysterie im Vorfeld der Fußballeuropameisterschaften 2012», schreibt er auf seinem Blog http://anton-shekhovtsov.blogspot.de. «Während des gesamten Turniers [das von Polen und der Ukraine ausgerichtet wurde] gab es nicht einen einzigen bedeutsamen Vorfall rassistischer Gewalt in der Ukraine. Stattdessen ereigneten sich fast alle Vorfälle solcher Art im EU- und NATO-Mitgliedstaat Polen...»

Er fährt fort: «Laut einer Statistik der Xenophobie-Beobachtergruppe des Euro-Asiatischen Jüdischen Kongresses über Hassverbrechen wurden in der Ukraine in den Jahren 2012–2013 etwa 40 Personen Opfer rassistischer Übergriffe. Ein Mord aufgrund ethnischen Hasses wurde das letzte Mal im Jahre 2010 registriert.» Zum Vergleich: Deutschland hatte in den Jahren 2010–2013 sechs Todesopfer rassistischer Gewalt zu verzeichnen.

Schechowzow weiter: «Die mit Abstand größte Anzahl gewalttätiger Hassverbrechen in Europa wird sowohl in absoluten als auch in relativen Zahlen seit etlichen Jahren von neonazistischen Skinheads und anderen Rassisten in Russland verübt. Dabei sind mögliche Gewaltverbrechen von Rechtsextremisten in Kampfgebieten wie dem Nordkaukasus oder der Ostukraine nicht berücksichtigt.»

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