Eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung
von Jochen Gester
Aggressive Formen der Gewerkschaftsbekämpfung gibt es in den USA seit Jahrzehnten, sie werden dort Union Busting genannt. Hierzulande ist diese Form des Klassenkampfes bisher wenig erforscht. Umso verdienstvoller, dass nun im Rahmen einer Reihe von Arbeitsheften als Nr.77 eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung dazu erschienen ist, die von den Journalisten Werner Rügemer und Elmar Wigand im Auftrag der Stiftung erstellt wurde.* Ihre Ergebnisse zu beherzigen dürfte sich für den Ausgang kommender betrieblicher Auseinandersetzungen als unverzichtbar erweisen.
Union-Busting definieren die Autoren als «gezielte Anwendung und modulare Kombination von Praktiken, um arbeitgeberunabhängige Organisationen und Interessenvertretung in einem Betrieb, einer Branche oder innerhalb eines Staates zu unterbinden, auszuhebeln oder im Entstehen zu be- und verhindern … Ziel der Anstrengung ist die größtmögliche unternehmerische Gestaltungsfreiheit bei der Nutzung menschlicher Arbeit».
In den USA gab es bereits in den 80er Jahren mehr als 1500 Berater, die Unternehmen beim Kampf gegen gewerkschaftliche Einflussnahme zur Seite standen; sie begründeten ein Gewerbe, das mehr als eine Milliarde Dollar umsetzte und später zum Gegenstand sozialwissenschaftlicher Untersuchungen wurde. Im Gegensatz dazu ist die öffentliche Thematisierung vergleichbarer Entwicklungen in Deutschland keine zehn Jahre alt.
Es waren sich wohl zu viele allzu sicher, dass die in den USA verbreitete Feindseligkeit vieler Unternehmen gegenüber den Gewerkschaften nicht aufs europäische Festland exportierbar sei. Doch der Erfolg der aggressiven Gewerkschaftsbekämpfung, der großen Anteil am historischen Niedergang der US-Gewerkschaften hat, weckt schon lange das Interesse wirtschaftlicher Konkurrenten an diesem «Standortvorteil» und animierte etwa die Großen in der internationalen Automobilindustrie, im gewerkschaftsfreien Süden der USA Produktionsbetriebe zu eröffnen. Damit gingen die Türen weit auf für einen umfangreichen Knowhow-Transfer ins Stammland.
Die Studie trägt zusammen, wie sich die Praxis des Union Busting (UB) hierzulande entwickelt hat, erwähnt die ersten Beispiele aggressiver Betriebsratsverhinderung, etwa bei BMW in Berlin, und die Einführung von «Billigflaggen» in der Schifffahrtsbranche und beschreibt den Einzug dieser Praxis in die Discount- und Handelsketten, wo z.B. Aldi sich auf das Angebot professioneller Union Buster stützte, um die Gründung gewerkschaftlicher Betriebsräte in der Handelskette zu verhindern. Union Busting fand auch Eingang in die Systemgastronomie, den Transportsektor und Schlachthöfe. Anhand von zwei ausführlich vorgestellten Fallbeispielen, SAP und die Steakhauskette Maredo, wird deutlich, wie das Ganze funktioniert.
Bis zur gesellschaftlichen Vernichtung
Im Sinne ihrer oben zitierten Definition stellen die Autoren alle beteiligten Akteure der Bekämpfung gewerkschaftlicher Einflussnahme vor, die als ein kooperierendes und sich ergänzendes Netzwerk zur Förderung von Kapitalinteressen begriffen werden können. Dieses Netz umfasst gelbe Gewerkschaften und vom Unternehmer initiierte, betriebliche Interessenvertretungen ebenso wie spezialisierte Anwaltskanzleien, Unternehmensstiftungen und unternehmerfinanzierte Universitätsinstitute. Dazu kommen PR-Agenturen und Detekteien. Rügemer und Wigand nennen die wichtigsten Akteure dieser Sparten mit Namen und erklären, wie sie arbeiten.
Da die Bekämpfung gewerkschaftlich orientierter Betriebsräte im Zentrum der Operationen des Netzwerks steht, wird dessen Vorgehensweise ausführlich beschrieben.Es schreckt auch nicht vor offenem Rechtsbruch zurück, wenn die Nutzung legaler Mittel nicht ausreichend Erfolg verspricht. Mitunter bedeutet Union Busting menschenverachtende Skrupellosigkeit. Ausdruck davon sind Strategien, die den «sozialen Tod» unerwünschter Opponenten am Arbeitsplatz anstreben, mit Freiheitsberaubung und schockartigen Verhören arbeiten und bewusst die Erkrankung und Pathologisierung von «Störern» betreiben.
Der Erfolg all dieser Maßnahmen ist nicht programmiert. Doch die Studie lässt keinen Zweifel daran, wie ernst die Bedrohungen sind: Auch mutige und unbeirrbare Streiter für Belegschaftsinteressen haben sie nicht abwehren können: «In allen (hier untersuchten) Fällen haben die Unternehmer ihr strategisches Ziel erreicht, selbst wenn sie vor Gericht mitunter empfindliche Niederlagen einstecken mussten, etwa die Wiedereinstellung kriminalisierter Mitarbeiter. Die Betroffenen empfanden es dann zwar als Genugtuung und späten Sieg, von staatlicher Seite Recht zu bekommen. Da dieses Recht aber Monate, gar Jahre später gewährt wurde, kehren sie in ein völlig verändertes, vom Arbeitgeber ungestaltetes und diszipliniertes Umfeld zurück.»
Resümierend wird in der Schlussbemerkung festgehalten, «dass man von einer neuen Qualität antigewerkschaftlichen und mitbestimmungsfeindlichen Vorgehens ausgehen kann». Die Autoren versuchen auch erste Antworten darauf zu geben, wie gewerkschaftliche Strategien aussehen könnten, die der Bedrohung gerecht werden. Eine ihrer Empfehlungen ist: «Gewerkschafter, Betriebsräte und aktive Beschäftigte sollten deshalb vorab auf das heute praktizierte Vorgehen und auf Worst-Case-Szenarien vorbereitet werden, damit sie im Ernstfall nicht überrascht sind und im Vorfeld keine taktischen Fehler machen oder zu Nachlässigkeiten verleitet werden.»
*Werner Rügemer, Elmar Wigand: Union-Busting in Deutschland. Die Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften als professionelle Dienstleistung. OBS-Arbeitsheft 77.
Obwohl die Studie, wie mir eine Mitarbeiterin der Otto-Brenner-Stiftung telefonisch erklärte, «wie eine Bombe eingeschlagen» sei, ist der Direktbezug des Heftes nicht mehr möglich, weil alle 4000 gedruckten Exemplare verschickt sind. Es ist jedoch möglich, die Studie von der Website der Stiftung herunterzuladen. Das ist auch über die Webseite des von den Autoren betriebenen Portals «arbeitsunrecht.de» möglich. Hier existiert auch eine Datenbank zum Thema, die weiter gepflegt wird und allen Betroffenen und Interessierten zur Verfügung steht und ihnen ermöglicht, bislang unbekannte Fälle von Union Busting zu veröffentlichen.
http://aktion.arbeitsunrecht.de; www.otto-brenner-stiftung.de/otto-brenner-stiftung/aktuelles/union-busting-in-deutschland.html.