Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 06/2014
John Oliver, Fernseh- und Internet-Comedy-Show. HBO, USA, seit Mai 2014

von Angela Huemer

Einige Leser werden sich wundern, was soll das, keine Besprechung eines ernsthaften und engagierten Films, stattdessen der Hinweis auf was Lustiges? Eine Comedy-Show, noch dazu eine amerikanische? Kann das denn gut sein?

Nun ja, erstens stehen die Sommerferien bevor und zweitens ist die Show gut. Sehr gut sogar. Und deshalb verlieren wir hier ein paar Worte darüber, auch wenn das Ganze auf englisch stattfindet – dafür ist es auf Youtube frei für jeden zugänglich.

Seit Anfang Mai präsentiert der gebürtige Liverpooler John Oliver die satirische Nachrichtenshow Last Week Tonight. Sie wurde vom amerikanischen Kabelsender HBO produziert, dem wir seit rund 15 Jahren die besten Fernsehserien, u.a. The Sopranos verdanken. Darauf aufmerksam wurde ich, wie so oft, wenn es um gute Dinge geht, durch die Süddeutsche Zeitung. «Guten Abend, Monster», hieß es da, und dann führte ein Link zu John Olivers Programm «FIFA and the World Cup» – die böseste, beste und präziseste Erklärung, was die FIFA ist, und Beschreibung des Dilemmas, dass viele von uns trotzdem immer noch Fussball lieben. All das gemacht für ein amerikanisches Publikum, wo die meisten American Football oder Baseball schauen und sich weder mit Fussball auskennen noch jemals von der FIFA gehört haben.

John Oliver sitzt an seinem Schreibtisch und erklärt mit Hilfe von Einspielern noch komplexere und kontroversere Themen als die FIFA: In einer Sendung geht es um die Todesstrafe, in einer anderen um die Wahlen in Indien und Narendra Modi, den Erfolg der Rechtsextremen bei den EU-Wahlen, und sogar um komplizierte Themen wie die Netzneutralität – die die amerikanische Regulierungsbehörde FCC in Frage stellt, weil sie Firmen, die dafür zahlen, schnellere Internet-Verbindungen geben will. Oliver verwendet dabei kurze Bild- und Nachrichtenzitate, die er intelligent montiert und auf den Punkt hin kommentiert. Manches mag für einen europäischen Zuseher nicht sofort verständlich sein, doch Oliver spielt auch damit, dass er eben kein Amerikaner ist, sondern Engländer, der mit Hilfe einer Green Card in New York City lebt.

Begonnen hat er seine Karriere als Stand-up-Comedian, dann wurde er für die Daily Show von Jon Stewart entdeckt. Die Daily Show läuft auf CNN und ist eine Satire auf Nachrichtensendungen, die viele für informativer und wertvoller halten als die richtigen amerikanischen Nachrichtensendungen – auf jeden Fall politisch um einiges radikaler. Einige Jahre war John Oliver «Korrespondent» für die Daily Show, seine Beiträge, wie z.B. die Serie über Gun Control, die Beschränkung von Waffenbesitz, sind nach wie vor auf Youtube zu sehen. Da interviewt er einen sturen Verfechter des zweiten amerikanischen Verfassungszusatzes: das Recht, Waffen zu tragen. Vor dem Gespräch gibt John Oliver seinem Interviewpartner ein Stopschild in die Hand, worauf «2nd Amendment» (2.Verfassungszusatz) steht – er darf es immer dann hochhalten, wenn immer er meint, dass ein Vorschlag, den Oliver ihm unterbreitet, auf Waffenkontrolle hinausläuft und deshalb diesem Verfassungszusatz widerspricht. Das Schild ist meistens oben, und Oliver schafft es, dass sich sein Gesprächspartner um Kopf und Kragen redet.

Er ist ein begnadeter Interviewer, seine Gesprächspartner geraten freiwillig aufs Glatteis, das er ihnen anbietet, und sie rutschen gnadenlos darauf aus, meist ohne es zu merken – vielleicht weil sie ihn nicht als politischen Kopf wahrnehmen, sondern als Komiker, was er natürlich auch ist. Auch in seiner eigenen Show führt er längere Interviews, u.a. mit General Keith Alexander, dem ehemaligen Leiter der NSA. Am Ende des Interviews macht er ihm Vorschläge, wie man die ziemlich ramponierte Marke «NSA» wieder aufpeppen kann – keiner davon ist ernst gemeint. Doch ein Vorschlag gefällt Keith Alexander auf Anhieb: die NSA als einzige Regierungsbehörde, die wirklich zuhört – der ideale Partner.

Die Youtube-Filme dauern im Schnitt 13 Minuten, das perfekte Sommerprogramm, wobei man weder Kino- noch Fernsehzeiten beachten muss und auch kein Fussballspiel verpasst. Gemeinsam mit Andy Zaltzman macht John Oliver zudem ein Podcast, das man sich auf www.thebuglepodcast.com («bugle» heißt Signalhorn) anhören oder runterladen kann. Wer englischen Humor mag, wird es lieben.

www.youtube.com/user/LastWeekTonight

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