Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 06/2014

Linke Versäumnisse in Sachen Solidarität

von Manuel Kellner

Die Präsidentschaftswahlen des 3.Juni endeten mit dem offiziell verkündeten Ergebnis von 88,7% für den alten und neuen Präsidenten Bashar al-Assad. Das Ergebnis stand im wesentlichen schon vorher fest. Die beiden Gegenkandidaten waren keine wirklichen Gegenkandidaten. Die Wahlen waren alles andere als geheim. Viele haben unter Zwang und Druck gewählt. Die Opposition hatte zum Boykott aufgerufen, und in den von Rebellen kontrollierten Gebieten ist niemand zu Wahl gegangen, auch nicht in den selbstverwalteten kurdischen Gebieten. Die angebliche Zahl der Wählenden war offensichtlich gefälscht.

Die nach der Wahl von Assad verkündete «Amnestie» ist ein Fake – niemand wäre gut beraten, sich aufgrund dieses Angebots den Schergen des Regimes auszuliefern.

Dennoch drücken die Wahlen eine Konsolidierung seines Regimes aus. Trotz des Krieges ist es ihm gelungen, große Teile der Bevölkerung an die Urnen bringen. Dem entspricht die Entwicklung der militärischen Situation. Mithilfe der überlegenen Waffen seiner Armee, der Hilfe aus Russland und aus dem Iran und der Hilfstruppen der schiitischen Hisbollah konnte Assad die bewaffnete Opposition zurückdrängen. Die zivile Bewegung gegen das Regime hat sich unter dem Terror von Artilleriebeschuss und Fassbomben deutlich zurückentwickelt. Das Eingreifen der ISIL, die mit brutaler Gewalt einen sektiererischen «Gottesstaat» durchsetzen will, ist ein weiterer schwerer Schlag gegen die syrische Revolution.

Seitdem der Einfluss verschiedener islamistischer Kräfte im bewaffneten Widerstand gegen das Assad-Regime zu überwiegen scheint, ist von vielen Linken in Deutschland zu hören, eine Solidarisierung mit so einer Bewegung sei nicht möglich, da müsse man sich raushalten. Manche bezeichnen die Assad-Diktatur sogar als das «kleinere Übel» und identifizieren sie fälschlich mit einer säkularen und irgendwie antiimperialistischen Ordnung.

Eine internationalistische Solidaritätsbewegung, auf die sich die demokratisch und säkular orientierten Kräfte der Bewegung hätten stützen können, gab es jedoch von Beginn der syrischen Revolution im März 2011 an so gut wie nicht. Das ist zumindest einer der Gründe für den wachsenden Einfluss der Kräfte, die von Saudi-Arabien und Qatar aus unterstützt werden – und so bekommt die Haltung der Entsolidarisierung linker Kräfte in Europa und weltweit die Wirkung einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung, mit der sich dann noch mehr Entsolidarisierung begründen lässt.

In Syrien selbst gibt es keine Alternative zur – zivilen und bewaffneten – gemeinsamen Selbstverteidigung sowohl gegen Assads Militärmaschinerie wie auch gegen die furchtbare Bedrohung durch die ISIL. Das gilt gerade auch für die Selbstverteidigungskräfte der kurdischen Gebiete, die unmittelbar mit der ISIL konfrontiert sind. Wenn Assads Militärmaschinerie noch mehr Boden gewinnt, wird sie mit ihrer Luftwaffe bald auch massiv gegen die Selbstverwaltungsstrukturen in den kurdischen Gebieten vorgehen. Dann ist die Zeit des Low-Level-Konflikts dort vorbei.

Die Kräfte der politischen Linken in Deutschland sollten ihre politische Zurückhaltung aufgeben und sich dazu durchringen, die Solidarität mit den syrischen Flüchtlingen und mit den für demokratische und sozial gerechte Verhältnisse Kämpfenden in Syrien insgesamt wie in Westkurdistan zu ihrer Sache machen.

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