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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 09/2014
Implikationen einer Kriegführung mit bewaffneten Drohnen*

 Die Bundeswehr will bewaffnete Drohnen anschaffen. Das ist völkerrechtswidrig, grundgesetzwidrig und inhuman.

Drohnen sind unbemannte, ferngesteuerte Flugkörper. Derzeit reicht ihr Größenspektrum von libellengroßen Kleinstaufklärern für den Nahbereich bis zu unbemannten strategischen Aufklärungssystemen in der Dimension eines Verkehrsflugzeugs.

Drohnen finden in militärischen wie in zivilen Zusammenhängen Verwendung. Im militärischen Bereich dienen sie seit den 90er Jahren hauptsächlich zur Aufklärung und Zielmarkierung. In geringerem Maße werden Drohnen auch in Kampfhandlungen zum Abschießen von Raketen eingesetzt. Erstmals in der Kriegsgeschichte erlauben Drohnen, über riesige Distanzen und nahezu ohne Risiko für das eingesetzte Personal und praktisch ohne Zeitverlust als feindlich betrachtete Individuen zu identifizieren, über längere Zeiträume zu verfolgen und zu töten. Sie funktionieren damit wie luftgestützte Scharfschützensysteme. Sie spielen vor allem in der sog. Aufstands- und Terrorbekämpfung eine Rolle. In Staatenkriegen mit moderner Luftverteidigung ist ihr Einsatz ungleich risikoreicher. Sie ersetzen deshalb auch nicht den Einsatz der konventionellen Luftwaffe, können ihr aber bei Aufklärung und Kampfunterstützung zuarbeiten.

Die Praxis

Bislang haben die Regierungen dreier Staaten, der USA, Israels und Großbritanniens, Drohnen zur Tötung von Menschen eingesetzt. Für Israel ist diese Praxis in den besetzten palästinensischen Gebieten durch die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch belegt. Das erste bekannte Opfer, das durch eine bewaffnete Drohne umgekommen ist, war Mohammed Atef, ein ranghohes Mitglied von al-Qaeda, das war im November 2001 in Afghanistan. Für die US-Regierung war dies eine gerechtfertigte Handlung im Krieg. Seither avancieren bewaffnete Drohnen zum bevorzugten Instrument für gezielte Tötungen im Kontext des sog. Kriegs gegen den Terror. In den bewaffneten Konflikten in Afghanistan (seit 2001), im Irak (seit 2003) und in Libyen (2011) wurden Tötungen durch bewaffnete Drohnen hauptsächlich von der US-Armee praktiziert. Das britische Militär hat im Zeitraum 2008–2012 in Afghanistan 348 Drohnenangriffe ausgeführt.

Gezielte Tötungen wurden rasch aber auch auf Staatsgebiete ausgedehnt, in denen es keine bewaffneten Konflikte gab. In Somalia (seit 2007), im Jemen (seit 2002) und im Nordwesten Pakistans (seit 2004) setzte vornehmlich der zivile US-Auslandsgeheimdienst CIA Drohnen ein – unter Zuhilfenahme privater Unternehmen, die mit vormaligen Militärangehörigen arbeiten. In diesen Staaten herrschen rechtlich gesehen weder bewaffnete Konflikte, noch führen die USA dort offiziell Krieg. Pakistan war mit insgesamt 319 Angriffen seit 2004 zahlenmäßig am häufigsten von Opfer von Drohnenangriffen. Seit 2011 sehen sich die USA hier jedoch zu einem restriktiveren Vorgehen gezwungen, da die frühere inoffizielle Unterstützung des Drohnenprogramms durch die pakistanische Regierung wegen der Zunahme innenpolitischen Drucks einer offenen Ablehnung gewichen ist. Im Jemen wurden 37 Angriffe allein in den ersten zehn Monaten von 2012 gezählt.

Mit dem Übergang der Regierung von George W. Bush auf Barack Obama im Januar 2009 hat sich der Schwerpunkt der Angriffe verlagert: Waren zunächst die vermeintlichen Anführer nichtstaatlicher bewaffneter Gruppen das Ziel, gerieten danach viel umfassender Terrorismusverdächtige, Drogenbarone oder als militant bezeichnete Zivilpersonen ins Visier. Seit dem Regierungswechsel hat die Häufigkeit solcher Drohnenangriffe rasant zugenommen.

Lizenz zum Töten

Unter «gezielter Tötung» versteht man im allgemeinen die tödliche Gewalt durch Staaten (Armeen, Geheimdienste) oder diesen zurechenbare Organisationen (private Sicherheitsfirmen), die mit der ausschließlichen Absicht durchgeführt wird, individuell ausgewählte Personen, die sich nicht im Gewahrsam des auftraggebenden Staates befinden, ohne rechtskräftiges Urteil eines zuständigen Gerichts und zumeist auf fremdem Territorium zu töten. Vor allem im Zusammenhang mit dem sog. Krieg gegen den Terror werden Verdächtige auf eine «Capture-or-kill»-Liste gesetzt – ohne transparente Verfahren, ohne rechtliche Verantwortlichkeiten und ohne Chance auf ein rechtsstaatliches Verfahren. Die Operationen werden von Kommandospezialkräften durchgeführt.

Im internationalen Recht ist der Ausdruck nicht definiert. Die Staaten, die «gezielte Tötung» praktizieren, rechtfertigen sie mit der «terroristischen» Bedrohung oder als notwendige Reaktion auf eine «asymmetrische Kriegführung». Der UN-Sonderberichterstatter für extralegale Hinrichtungen, Philip Alston, hat diese Praxis in einer Stellungnahme im Jahr 2010 scharf kritisiert. Sie führe dazu, dass die Grenzen der Menschenrechte, des Kriegsvölkerrechts und der für die Anwendung von Gewalt zwischen Staaten geltenden Regeln verwischt und ausgeweitet werden. Klare Rechtsnormen würden durch eine «Lizenz zum Töten» ersetzt und ein enormes Rechtsvakuum geschaffen. Neue Technologien, insbesondere Drohnen, würden dieses Problem zusätzlich erheblich erweitern.

Ein neuer Rüstungswettlauf

Alston informierte, dass insbesondere die Regierungen Israels, der USA und Russlands seit der Jahrtausendwende eine Politik verfolgen, die gezielte Tötungen zulässt. Im Jahr 2005 gab es 195 Drohnenprogramme, im Jahr 2012 bereits 680. Rund 50 Staaten entwickelten im Jahr 2012 etwa 900 verschiedene Drohnentypen. Die Anzahl der Staaten, die Drohnen besitzen, stieg von 2005 bis 2011 von 41 auf 76.

Drohnen sind ein Wachstumsmarkt: 2012 beliefen sich die weltweiten Ausgaben auf 6,6 Mrd. US-Dollar pro Jahr, und es wird angenommen, dass sie sich bis zum Ende des Jahrzehnts nahezu verdoppeln. Allein die Ausgaben des US-Militärs für Drohnen haben sich zwischen 2002 und 2011 verzehnfacht (von 550 Mio. auf rund 5 Mrd. Dollar). Russlands Präsident Putin hat im Juni 2012 angekündigt, bis 2020 rund 10 Mrd. Euro in militärische Aufklärungs- und Kampfdrohnen investieren zu wollen. Großbritannien hat seit 2007 rund 2,5 Mrd. Euro investiert.

Evident menschenrechtswidrig

Die US-Regierung behauptet, bei Drohnen handele es sich um Waffen von höchster Präzision, sie würden keine oder nur äußerst geringe Kollateralschäden verursachen und sehr effektiv zwischen Zielpersonen und unbeteiligten Zivilisten unterscheiden. Auf das zivile Leben in den betroffenen Gebieten hätten sie kaum spürbare Auswirkungen. Also die ideale, gar «humanste», Waffe. Auch die Befürworter der Anschaffung von Drohnen für die Bundeswehr argumentieren so.

Diese Behauptung ist grundfalsch. Zwei US-amerikanische Studien, jeweils der Stanford- und der Columbia-Universität, kommen zum entgegengesetzten Ergebnis: Drohneneinsätze fordern nicht nur zahlreiche zivile Opfer, auch unter Frauen und Kindern, sie verbreiten in den betroffenen Gebieten unter der Zivilbevölkerung Angstzustände und psychologische Traumata. Die US-Zeitschrift Foreign Affairs schreibt in einem Beitrag über die «Auswirkungen des US-Drohnenprogramms in Pakistan»: «Im Durchschnitt tötet nur einer von sieben US-Drohnenangriffen in Pakistan einen militanten Anführer. Die Mehrzahl der Getöteten dieser Angriffe sind keine wichtigen Kommandeure der Aufständischen, sondern niederrangige Kämpfer, zusammen mit einer kleinen Anzahl an Zivilisten. Nach unserer Untersuchung wurden insgesamt weniger als 2% derjenigen, die durch US-Drohnenangriffe in Pakistan getötet wurden, nach glaubwürdigen Presseberichten als Anführer von al-Qaeda oder verbündeten Gruppierungen bezeichnet.»

Das Völkerrecht hält nur die gezielte Tötung von Kombattanten für zulässig. Der Kombattantenstatus setzt aber die aktive und gegenwärtige Teilnahme an Feindseligkeiten voraus – also mehr als die bloße Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation. Deshalb, und wegen der hohen Zahl ziviler Opfer, hält der Göttinger Strafrechtsprofessor Kai Ambos gezielte Tötungen durch Drohnen in Friedenszeiten für außergerichtliche Hinrichtungen, die «evident menschenrechtswidrig» seien. Angesichts ihrer Ineffektivität sei zudem ein militärischer Vorteil beim Einsatz von Drohnen nicht erkennbar.

Das Parlament wird ausgehebelt

Der NATO-Luftkrieg gegen Libyen wurde maßgeblich von US-Drohnen geführt, sie waren durch die von ihnen vorgenommenen Zielmarkierungen für die meisten Luftschläge mit bemannten Kampfflugzeugen verantwortlich. Für die Piloten bot er geringe Risiken. Der Krieg wurde ein halbes Jahr lang ohne Genehmigung des Kongresses geführt – normalerweise muss dieser spätestens innerhalb von 60 Tagen seine Zustimmung geben. Die US-Regierung hielt die Zustimmung des Kongresses nicht für nötig, weil ihre Operation nicht den Einsatz von Bodentruppen einschloss und mit Opfern auf der eigenen Seite also nicht zu rechnen war. Wenn sich diese Auffassung durchsetzt, bedeutet das, dass solche Militärschläge nicht mehr als Krieg bezeichnet werden und das Parlament kein Mitspracherecht mehr hat. Das ist auch für die Diskussion in Deutschland von erheblichem Belang.

Grundgesetzwidrig

Seit Sommer 2012 fordert die Bundeswehr öffentlich die Anschaffung bewaffneter Drohnen. Sie begründet dies mit dem Schutz der eigenen Soldaten. Das hat mit der Wahrheit jedoch wenig zu tun: Für die Aufklärung über mögliche feindliche Hinterhalte hat die Bundeswehr nämlich seit langem schon verschiedene Typen von Aufklärungsdrohnen im Einsatz. Sie dienen bislang vorrangig der Bekämpfung «illegaler Migration» und dem Katastrophenschutz, wurden aber auch im Kosovo und in Afghanistan eingesetzt.

Bewaffnete Drohnen sind zur Verteidigung unnötig, für Offensivoperationen hingegen sehr nützlich. Damit käme sie in der Öffentlichkeit aber nicht durch, denn die Praxis des «staatlichen angeordneten Mords» ist international äußerst umstritten.

Laut Grundgesetz ist Deutschland das Führen eines Angriffskriegs – und das waren der Jugoslawienkrieg ebenso wie der Irakkrieg – verboten. Mit der Anschaffung von Drohnen macht die Bundesregierung jedoch einen weiteren Schritt in Richtung Angriffsfähigkeit. Berücksichtigt man, dass Geheimdienste heutzutage unmittelbar in die Kriegführung einbezogen sind, dass sie Millionen Menschen durch elektronische Ausspähung als Terrorismusverdächtige führen, wie erneut aus den USA bekannt wurde, und dass deutsche Geheimdienste aller Empörung über NSA zum Trotz alles daran setzen, ähnliche Ausspähungskapazitäten zu entwickeln, die sich ebensogut gegen Inländer richten können, lässt sich das Ausmaß der Gefährdung durch bewaffnete Drohnen erahnen.

* Quelle: IMI, DFG-VK: Fact-Sheet Drohnen-Kriege. Zu bestellen unter www.imi-online.de. Zusammengestellt von Angela Klein.

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