von Ekkehard Lieberam
Für die LINKE setzte sich bei den Landtagswahlen in Sachsen am 31.August ein längerfristiger Trend des Stimmenrückgangs fort. Mit 18,9% der Listenstimmen (2009: 20,6%; 2004: 23,6%) ist ihr Wahlergebnis erneut schlechter ausgefallen. In absoluten Zahlen wird die langfristig absteigende Tendenz noch deutlicher:Bei den Landtagswahlen 1999 erhielten die PDS bzw. die LINKE 480317 Stimmen; 2004: 490488; 2009: 370359; 2014: 309581 Stimmen. Vor einem Jahr bei der Bundestagswahl hatten 467045 Wähler der LINKEN ihre Listenstimme gegeben. An diesen Zahlen gemessen hat die LINKE in den letzten zehn Jahren ein Drittel bis zwei Fünftel ihrer Stimmen eingebüßt.
Dieser Trend war absehbar. Die von der Führungsgruppe im Landesvorstand um Rico Gebhardt, Stefan Hartmann und Sebastian Scheel vertretene Wahlkampfstrategie einer «stillen Opposition» und einer «Wahlstrategie» des Herbeifabulierens einer Landesregierung «Rot-Rot-Grün» war die falsche politische Antwort darauf. Wie die Umfrageergebnisse vorhersagten, waren Erwartungen, es könne diesmal eine Mehrheit für «Rot-Rot-Grün» im Sächsischen Landtag zustande kommen, völlig realitätsfern. Die Abschwächung des Oppositionsprofils der LINKEN im Wahlkampf durch die Führungsgruppe im Landesvorstand und ihr Konzept einer sonderbaren Zurückhaltung gegenüber der CDU in einem weitgehend inhaltslosen Wahlkampf wurden erfreulicherweise regional nur teilweise durchgesetzt. Sie hatten dennoch offenbar negative Auswirkungen.
Eine Umfrage von Infratest dimap im Zusammenhang mit den Wahlen in Sachsen ergab, dass eine positive Meinung über die LINKE vor allem mit folgenden «Ansichten» der Menschen über sie einhergeht:
90%: Löst zwar keine Probleme, nennt aber die Dinge beim Namen.
64%: Bemüht sich nach wie vor am stärksten um sozialen Ausgleich.
57%: Kümmert sich am ehesten um die Probleme in Ostdeutschland.
56%: Gut, dass sie in der Ukraine-Krise Verständnis für Russland hat.
Mobilisierung für die LINKE in Wahlkämpfen bedeutet insbesondere, derartige «Ansichten» durch ein linkes Wahlprogramm und einen entsprechenden Wahlkampf zu bekräftigen. Die offizielle «Wahlstrategie» aus «Dresden» hat dies allenfalls (und auch da nur sehr allgemein) hinsichtlich der sozialen Frage getan. Konkrete Defizite und Versäumnisse der LINKEN in Sachsen gibt es vor allem bei der Vertretung der Interessen der abhängig Beschäftigten, der Arbeitslosen und der Mittelschichten. Sie schlagen sich zum Teil direkt in den Wahlergebnissen, zum Teil aber auch in den Trends des Wählerverhaltens der Alters- und Berufsgruppen, der Gewerkschaftsmitglieder, in den Wählerwanderungen und in einem inhaltslosen Wahlkampf («25 Jahre CDU sind genug», «Wir sind die Guten. Wir sind die Roten») nieder.
Insgesamt lassen sich sieben längerfristige Trends ausmachen, die die Stellung der LINKEN im Parteiensystem Sachsens verändern:
Erstens ist, wie bereits skizziert, in den letzten zehn Jahren die Zahl unserer Wähler dramatisch und unser Anteil an den Zweitstimmen merklich zurückgegangen.
Zweitens ist bei den Landtagswahlen seit 2004 unser Anteil an den Direktstimmen von Mal zu Mal größer als der an den Listenstimmen (2014: 21% vs. 18,9%).
Drittens verschlechtert sich das Kräfteverhältnis zwischen LINKEN, SPD und Grünen von Wahl zu Wahl zum Nachteil der LINKEN.
Viertens ist die bis Ende der 90er Jahren gegebene Fähigkeit der PDS, Protestwähler für sich zu gewinnen und dadurch das Aufkommen neonazistischer und rechtspopulistischer Parteien zu verhindern bzw. zu begrenzen, deutlich geringer geworden.
Fünftens ist der anhaltend geringe Anteil der Stimmen der Erst- und Jungwähler, aber auch der Wähler bis 44, alarmierend für die LINKE.
Sechstens ist der Anteil der abhängig Arbeitenden und Arbeitslosen unter ihren Wählern rückläufig.
Siebtens hat sich 2014 der Trend zu größeren Unterschieden in ihrem Wahlergebnis zwischen den einzelnen Regionen Sachsen fortgesetzt – einschließlich regionaler Erfolge einzelner ihrer Direktkandidaten. Die LINKE schneidet zunehmend in Großstädten gut ab und verzeichnet die größten Verluste im Vogtland und im Erzgebirge.
Der Landesvorsitzende der LINKEN, Rico Gebhardt, bemühte sich am Wahlabend, das Ergebnis schön zu reden. Er verwies auf das Wetter und die geringe Wahlbeteiligung. Er erklärte in einem Interview am Wahlabend, Die LINKE sei ja «zweitstärkste Partei vor der SPD» geblieben und nach wie vor die «einzige Alternative». Mit dem Politikangebot sei man eben «nicht ganz durchgedrungen». Diese Interpretation ist grundfalsch. Doch kritische Selbstbesinnung gehört nicht zu den Tugenden der meisten Politiker.
Die vollständige Analyse findet sich unter www.kleinezeitungen.de.
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