Zutreffend schildert Manuel Kellner, welche aufklärende Bedeutung seinerzeit Wolfgang Leonhards Buch "Die Revolution entläßt ihre Kinder" hatte. Ergänzend ist zu überlegen, ob zeitgeschichtliche Aufschlüsse in der politischen Biographie des Autors nach seinem Wechsel gen Westen liegen können. Leonhard hat sich hier nicht auf die Seite derjenigen geschlagen, die von Parteikommunisten zu Hasspredigern gegen die "kommunistische Weltgefahr" mutierten. Er wurde "Sowjetologe", und manches in seinen einschlägigen Publikationen war lesenswert. Analytische Gedanken dazu, wie aus dem "roten Oktober" jenes System wurde, das etwas kurzschlüssig auf den Begriff "Stalinismus" gebracht wird, sind allerdings nach meinem Eindruck in seinen Arbeiten nicht zu finden. Vermutlich hat sowjetmarxistische Schulung auch Dissidenten daran gehindert, von den Möglichkeiten historisch-materialistischer Methoden Gebrauch zu machen. Bemerkenswert ist, dass Leonhard sich nach dem raschen Abschied von einer "jugoslawischen" Hoffnung nicht mehr politisch engagiert hat, auch nicht in der westdeutschen Opposition gegen regierende Gelüste nach Aufrüstung, nach der "formierten Gesellschaft" etc.
Offenbar hat bei ihm die sowjetische Sozialisation insofern entpolitisierend gewirkt. Auch darin war er kein Ausnahmefall. Übrigens gab es 1961 eine Fernsehverfilmung seines autobiographischen Buches, die das Missfallen seiner Mutter hervorrief, deren Elendszeit im Gulag darin auch "verarbeitet" war. Susanne Leonhard kritisierte, anders als ihr Sohn, dass dieser Film als Instrument des Kalten Krieges eingesetzt werde. Ein "Familienzwist" war das nicht, sondern eine politische Differenz zwischen zwei Menschen, die beide als Kommunisten in der UdSSR angesiedelt gewesen waren, freilich in sehr unterschiedlichen sozialen Räumen.
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