Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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Film 1. November 2014
Österreich 2014. Regie: Johannes Holzhausen

von Angela Huemer

Ein großes, ein sehr großes Bild wird in prunkvollen Räumen vorsichtig abgehängt. Kaiserin Maria Theresia und ihre Kinder sind darauf zu sehen. Es soll renoviert werden. Das Bild hängt in der Präsidentschaftskanzlei, eine barocke Raumfluchtpracht, eigentlich unangemessen für den Präsidenten einer kleinen europäischen Republik. Langsamer Schwenk – von der Hofburg über die Ringstraße hin zum Kunsthistorischen Museum – das große Museum. Allein der Bau ist prunkvoll, museal und herrschaftlich. Da zuckt man leicht zusammen, als ein Mann mit einer Spitzhacke den Parkettboden aufbricht. Dann werden die Tapeten von der Wand gerissen, lose Kabel liegen herum. Die Kunstkammer wird renoviert. Die Arbeiten daran und deren Vollendung bilden einen roten Faden des Films.

Regisseur Johannes Holzhausen hat vor seinem Filmstudium Kunstgeschichte studiert. Doch im Film geht es nicht um die Kunst im Museum, es geht darum, wie ein solches Museum funktioniert. Ein Museum stellt heutzutage auch eine «Marke» dar, die sich gegen Konkurrenz behaupten muss – Konkurrenz um Besucherströme, aber auch um das Staatsbudget. Einiges von diesem «Branding-Prozess» kriegen wir mit. Die Gestaltung der Plakate, der Anzeige, die für Jahreskarten wirbt. Am Rande erfahren wir etwas über die Rivalität zwischen der kunsthistorischen und kaufmännischen Seite.

Neil McGregor, der Leiter des Londoner British Museum, ist auf Besuch bei Frau Generaldirektorin Sabine Haag. Seine Begeisterung steckt an. Neidlos betont er mehrmals, dass sie zwar ähnliches in London hätten, jedoch nicht so schön wie hier. «Diese Flucht!», ruft er aus und meint damit die beeindruckende Flucht von Sälen. Sogar die Büros liegen weit auseinander, da wundert es nicht, wenn der Mitarbeiter in der Münzsammlung den Roller benutzt, wenn er was ausdrucken will.

Wir bekommen viele kleine Blicke hinter die Kulissen – von der Mottenkontrolle bei den Kutschen in der Wagenburg über die Reinigung der Kunstwerke bis hin zur aufwendigen Renovierung eines goldenen Schiffes, dessen Segel bemalt sind und das über aufwendige Mechanismen verfügt, Spieluhr und Kanonen. Hier sehen wir, wie der Restaurator an dem Ding kurzzeitig verzweifelt. Die Kamera ist für ihn in diesem Moment gar nicht anwesend. Später bewundert Neil McGregor dieses einmalige Kunstwerk, ein Symbol für das Staatsschiff.

Durchweg hat man das Gefühl, dass man die Abläufe als unsichtbarer, unbemerkter Beobachter mitbekommt, die Präsenz der Kamera also nach und nach vergessen wurde. Wir wohnen Mitarbeiterversammlungen und harten Budgetverhandlungen bei. Und wir staunen mitunter über die profane moderne Art der Aufbewahrung: antike Scherben in kleinen Plastiksäckchen im riesigen Archivschrank, antike Münzen, sortiert in nummerierten Plastikbechern.

Der Film ist unterhaltsam, es darf gelacht werden, sagte Holzhausen bei der Präsentation des Films in Köln. Und er erklärt, dass viel mehr genau geplant und inszeniert ist, als es dem Zuschauer erscheinen mag, obwohl er auf Interviews und Musik gänzlich verzichtet hat – doch es ist gestützt auf jahrelange Beobachtung und Recherche.

Beim «großen Museum» geht es auch um österreichische Identität und Mentalität. Die ist spürbar im Umgang der Menschen miteinander, eine gewisse Art herzlicher Höflichkeit aber auch der Hierarchie, und nicht zuletzt die Tatsache, dass die Sammlung des Kunsthistorischen Museums auf das ehemalige österreichische Kaiserhaus zurückgeht, die Habsburger.

Ganz am Schluss – das kann ich diesmal erwähnen, ohne die Spannung wegzunehmen – tritt die Kunst noch einmal in den Vordergrund: im Depot weich gebettete Statuen, wunderschöne antike Kinderköpfe und eines der berühmtesten Bilder der Sammlung ganz neu betrachtet.

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