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Globalisierung/Krieg 1. November 2014
Solidaritätsaktionen in Syrien künden von neuem, antiimperialistischen Bewusstsein

von Ghayath Naisse

Der nachstehende Beitrag wurde am 7.Oktober geschrieben und ist deshalb in Teilen von der Entwicklung überholt. Dennoch ist der Verweis auf arabische Solidaritätsaktionen in Syrien wertvoll – und hier gänzlich unbekannt.

Seit über zwei Wochen angegriffen und belagert, läuft die kurdische Stadt Kobanê in Nordsyrien Gefahr, in die Hände der reaktionären Kräfte des Islamischen Staats (IS, auf Arabisch Daesh genannt) zu fallen. Der IS profitiert von der Komplizenschaft des türkischen Staates. Viele sind geflohen, hauptsächlich in die Türkei, die begonnen hat, ihre Grenzen für die Flüchtlinge dicht zu machen. Aber Kobanê leistet weiter heroischen Widerstand gegen die starken und schwer bewaffneten Kräfte des IS.

Dieser Widerstand ruft Bewunderung hervor und ist beispielhaft – ganz im Gegensatz zu Städten wie Mossul im Irak und Raqqa in Syrien, die leicht und rasch in die Hände des IS gefallen sind. In mehreren syrischen Städten haben Menschen auf Demonstrationen ihre Solidarität mit Kobanê zum Ausdruck gebracht.

In dieser Stadt wird der Widerstand von der Kurdischen Demokratischen Union (YPD) und ihren bewaffneten Kräften, den Volksschutzeinheiten (YPG), organisiert und von mindestens drei in der Stadt präsenten arabischen Bataillonen unterstützt, dem «Revolutionären Bataillon von Al Raqqa», dem Bataillon «Sonne des Nordens» und dem Bataillon «Jirablis». Am 4.Oktober hat die Freie Syrische Armee (FSA) entschieden, 1000 Kämpfer zu schicken, um Kobanê zu verteidigen.

Die von den USA angeführte internationale Koalition hat seit dem 23.September begonnen, Stellungen des IS zu bombardieren, offenbar ohne großen Erfolg, sind doch die damals noch 60 Kilometer von Kobanê entfernten IS-Kräfte inzwischen in mehrere Stadtviertel von Kobanê eingedrungen.

Der Vorsitzende der YPD erklärte am 30.September, dass seine Partei «die westlichen Länder um Waffen angegangen hat, was die USA und die EU aber bis jetzt verweigern». Kobanê widersteht für sich allein, wie das ganze syrische Volk.

Streiks und Demonstrationen

Hunderte von Demonstrationen haben am 26.September in Syrien unter der Parole stattgefunden: «Die Zivilbevölkerung braucht keine neuen internationalen Mörder!» Darin drückt sich das Gefühl aus, dass die Luftangriffe gegen den IS nutzlos sind, aber auch ein «nationalistisches» und antiimperialistisches Bewusstsein, das seit der jüngsten zionistischen Aggression im Gazastreifen gewachsen ist. Dieser Wandel im Bewusstsein der syrischen Bevölkerung zeigt sich auch in einer Rückbesinnung auf die Anfänge der Volksbewegung und der Revolution, die verschiedentlich auf Demonstrationen in den Parolen zum Ausdruck kam.

Am wichtigsten aber sind zwei Streiks in den befreiten Gebieten von Aleppo: derjenige der Müllentsorger am 20.September gegen die Provisorische Regierung der oppositionellen Syrischen Nationalen Koalition; und derjenige der Beschäftigten der «Zivilen Verteidigung» (sie entspricht etwa der Feuerwehr) am 21.September gegen dieselbe Regierung. Am 3.Oktober wurde auch eine unabhängige Kampagne zur Anprangerung und Verfolgung der Korruption in den Strukturen der Opposition ins Leben gerufen.

In den Gebieten, die unter der Kontrolle des Assad-Regimes stehen, fand am 2.Oktober in den «loyalistischen» Vierteln von Homs eine große Demonstration gegen die Regierungsverantwortlichen wegen einer Explosion statt, der dutzende Kinder zum Opfer gefallen waren. Am selben Tag kam es im «Rebellen»-Viertel von Homs zu einer Demonstration in Solidarität mit den Familien der Opfer. Das war ein Monat nachdem «loyalistische» Aktivisten verhaftet worden waren, weil sie dagegen protestiert hatten, dass das Assad-Regime hunderte seiner Soldaten im Stich gelassen hatte, die dann vom IS massakriert wurden. Die Aktivisten hatten eine Kampagne begonnen unter der Parole: «Wo sind sie?»

Im vorangehenden Juli und August waren in den vom Regime kontrollierten Gebieten zahlreiche Flugblätter aufgetaucht, auf denen geschrieben stand: «Wir wollen leben: Deine Kinder ruhen im Palast und unsere Kinder in den Särgen.»

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