Das zwischen der Regierung in Kiew und den Vertretern der «Volksrepubliken» Donezk und Lugansk Anfang September in Minsk ausgehandelte Abkommen (siehe SoZ 10/2014) sah u.a. Wahlen «in einigen Gebieten der Bezirke Donezk und Lugansk» vor, gemäß dem Gesetz über die Selbstregierung, das vom Parlament in Kiew angenommen worden war.Obgleich also «rechtmäßig», scheinen die formalen Bedingungen für eine ordnungsgemäße Durchführung der Wahlen am 2.11. nicht gegeben gewesen zu sein: Eingereichte Wahllisten wurden von der Wahlkommission nicht zugelassen. Das galt in Donezk etwa für die Liste «Noworossija» von Pawel Gubarew, dem früheren «Volksgouverneur»; er wurde, nachdem er daran Kritk geäußert hatte, Opfer eines Attentats. Desgleichen wurde die Kandidatur früherer Mitglieder der KP der Ukraine untersagt. Letztlich standen nur zwei Listen zur Wahl: die des derzeitigen Premierministers der «Volksrepublik» Donezk, Alexander Sachartschenko, namens «Republik Donezk»; und die Liste «Freies Donbass», die allerdings eine Scheinliste war, da sie wenige Wochen vorher ohne politisches Programm von völlig unbekannten Personen gebildet worden war, die keinerlei Wahlkampf führten. Damit sollte wohl ein demokratischer Anstrich gewahrt werden. Ähnliches geschah in Lugansk, wo es jedoch drei Scheinlisten gab.
Die Abstimmungsmodalitäten waren nicht eindeutig. Zur Wahl zugelassen waren auch Nichtstaatsbürger der Ukraine. Und man konnte per Internet abstimmen unter Eingabe eines Passwortes und einer Kopie eines Ausweises, wobei nicht präzisiert war, um was für einen Ausweis es sich handeln sollte. Eine öffentliche Kontrolle des Wahlgangs ist damit praktisch unmöglich. Es ist auch ausgeschlossen, dass man jemals in Erfahrung bringt, wer wo an den Wahlen teilgenommen hat und wie hoch die Wahlbeteiligung war.
Vor diesem Hintergrund ist die Bekanntgabe eines «Ergebnisses» von 81% eine Nullaussage.
Strafverschärfend kommen natürlich die Erschwernisse durch die Folgen des Krieges in diesem Sommer hinzu: Was sind 81% in einer Stadt, die einmal 1,1 Millionen Einwohner zählte, von denen 450000 geflohen sind? Und wieviele Wahllokale hatten überhaupt geöffnet?
Es gibt also weiterhin keine Anhaltspunkte, wonach die Regierungen der «Volksrepubliken» als legitimer Ausdruck des Willens der örtlichen Bevölkerung gelten könnten. Sie stützen sich auf die Macht ihrer Gewehrläufe und auf den Rückhalt des russischen Innenministeriums. Auf die Dauer wird das nicht reichen.
Ein Wort noch zum neuen Aushängeschild der «Volksrepublik» Donezk, Alexander Sachartschenko. Auch er hat rechtsextreme Wurzeln: Er war Kommandeur der Kampfeinheit Oplot (Bollwerk), einer Organisation prorussischer Kämpfer in der Ukraine, die 2010 in Charkow gegründet wurde. Die ultranationalistische, paramilitärische Gruppe rühmt sich einer engen und langen Zusammenarbeit mit Wiktor Medwedtschuk, einem bedeutenden ukrainischen Oligarchen und früheren Wegbegleiter Leonid Kutschmas, zugleich enger Freund Putins.
Quelle: Andrea Ferrario, www.crisiglobale.it
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