Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 12/2014
Offener Brief an Mitglieder und Vorstände der DGB-Gewerkschaften

24 Betriebsräte und gewerkschaftliche Funktionsträger wenden sich mit einem Offenen Brief an alle Mitglieder in den DGB-Gewerkschaften und ihre Gremien. Wir dokumentieren ihn in Auszügen:

Vor [dem Hintergrund des Entwurfs zum Tarifeinheitsgesetz aus dem Haus Nahles] geht es im Konflikt der GDL mit der Deutschen Bahn nicht mehr nur darum, ob die GDL ihre Tarifforderungen durchsetzt oder wieviele Mitglieder die GDL oder die EVG jeweils vertreten. Bundesregierung, Bahnvorstand und die EVG haben versucht, die GDL zu zwingen, die Bedingungen eines solchen Gesetzes quasi «im vorhinein» zu akzeptieren, bevor das Gesetz zur Tarifeinheit überhaupt verabschiedet wurde und rechtliche Gültigkeit erlangt hat. Die GDL streikt derzeit also nicht nur für ihre eigene Existenz, sondern sie streikt auch dagegen, dass es ein Tarifeinheitsgesetz mit der gleichen Wirkung für alle Gewerkschaften geben soll.

Dem grundgesetzwidrigen Angriff auf Koalitionsfreiheit und Streikrecht hätte quasi mit dem Argument, «die GDL hätte es doch eingesehen», eine Scheinlegitimation verliehen werden können. Große Koalition und Bundesarbeitsministerin Nahles hätten einen ersten kleinen «Sieg» davon getragen und der ungeheuerlichen Verleumdungskampagne gegen die Streikführung der GDL und ihren Vorsitzenden zusätzliche Nahrung gegeben.

Richter des Arbeitsgerichts Frankfurt und des hessischen Landesarbeitsgerichts haben nun diesem Vorhaben der Deutschen Bahn einen Riegel vorgeschoben, indem sie in zwei Verfahren das Streikrecht der GDL bestätigt und ihre Streiks für verhältnismäßig erklärt haben. […]

Darum stellt sich die Frage, ob DGB-Gewerkschafter – wegen der Differenzen, die wir mit Spartengewerkschaften haben – ihnen in diesem Konflikt die Solidarität verweigern wollen. Ob wir weiter zusehen wollen, wie eine kleine Gewerkschaft in die Knie gezwungen werden soll.

Eine Niederlage der GDL würde die schleichende Aushebelung der Rechte aller und aller Gewerkschaften verstärken. Grund- und Freiheitsrechte wie das Streikrecht müssen immer wieder verteidigt werden; gerade jetzt in Krisenzeiten sind sie europaweit bedroht, bereits eingeschränkt oder sogar abgeschafft worden wie z. B. in Italien und Griechenland.

Wollen wir DGB-Gewerkschafter zulassen, dass eine kleine Gewerkschaft gezwungen werden kann, quasi «stellvertretend» für uns, als erste über die Klinge eines Tarifeinheitsgesetzes zu springen, bevor ein solches Gesetz überhaupt verabschiedet geschweige denn rechtskräftig wurde? Wir meinen nein, wir können und dürfen nicht zulassen, dass das Streikrecht eingeschränkt wird! [...]

Wir fordern euch dringend auf, nicht länger schweigend zuzusehen, wie einer «Konkurrenzgewerkschaft» der Garaus gemacht wird! Deshalb erwarten wir von euch, dass ihr umgehend eindeutige, öffentliche Signale setzt, dass die DGB-Gewerkschaften sich mit dem Kampf der GDL gegen die Logik eines Tarifeinheitsgesetzes solidarisieren und sich der Vorgehensweise des EVG-Vorstands in diesem Konflikt, der im Einklang mit der Bundesregierung und dem Bahnvorstand der GDL eine Tarifeinheitslogik im Sinne des geplanten Gesetzes aufzuzwingen versucht, entgegenstellen.

Wir fordern euch auf, das politische Gewicht der DGB-Gewerkschaften zur Verteidigung des Grundrechts auf Koalitionsfreiheit und Streikrecht in die Waagschale zu werfen, diesen gesellschaftlichen Grundkonflikt in Betriebe und Büros zu tragen, zu Solidaritätsaktionen mit der GDL und Protestaktionen gegen das geplante Gesetz aufzurufen und so dazu beizutragen, dass das Gesetz zur Tarifeinheit nicht verabschiedet wird!

Hände weg vom Streikrecht – volle gewerkschaftliche Aktionsfreiheit für jede und jeden!

Grundrechte gelten für alle – Solidarität mit der GDL ist gewerkschaftliche Pflicht!

 Erstunterzeichnete:

Christiaan Boissevain (IGM, Betriebsrat, München); Udo Bonn. IGM (ehem. BRV Atlas Copco Energas Köln); Helmut Born (Betriebsratvorsitzender, Mitgl. im Landesbezirksvorstand Ver.di NRW); Eberhard Doths (stellvertr. Vorsitzender Ver.di Ortsverein Gronau/Ahaus und Mitglied im Kreisvorstand des DGB Kreis Borken); Barbara Emme (BR bei Kaisers und Ver.di-Mitglied); Gregor Falkenhain (ehem. Landesfachbereichsleiter bei Ver.di NRW); Matthias Fritz (BR-Mitglied Mahle Stuttgart, IG Metall); RA Dr.Rolf Geffken, Arbeitsrechtler Hamburg; Jochen Gester (Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall Berlin); Thies Gleiss (BRV und Delegierter der IGM Köln-Leverkusen); Willi Hajek (Tie); Christa Hourani, (Betriebsrätin, VK-Leiterin Daimler Zentrale Stuttgart, Delegierte Vwst. Stuttgart); Almut Jürries, IG-Metall-Mitglied; Günther Klein (PR, Vorsitzender Fachbereich 5 Ver.di Stuttgart); Klaus-Peter Löwen (ehem. stellvertr. GBR-Vorsitzender Alcatel-Lucent Deutschland AG, IGM); Gertrud Moll, ehem. Betriebsrätin Bosch Feuerbach; Detlef Mühling (Ver.di Kassel); Martin Radde (Vorsitz. Ver.di OV Gronau-Ahaus); Andrea Renke-Krapf (Vertrauensfrau Deutsche Post Kassel, Ver.di); Jakob Schäfer (IGM, ehem. BRV; Del. Vwst. Wiesbaden-Limburg und Mitglied im Arbeitsausschuss der Gewerkschaftslinken); Helga Schmid (BR Ver.di); Jürgen Senge (Ver.di-Landesbezirksvorstand NRW); Michael Weissenfeldt (Offenbach, NGG); Mag Wompel (Bochum, Ver.di, Labournet Germany)

 

Der vollständige Text findet sich auf der Seite von Labournet www.labournet.org.

Außerdem: Streikzeitung Ja zum GDL-Arbeitskampf, Nein zum Tarifeinheitsgesetz www.pro-gdl-streik14.de

 

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