von Dieter Wegner
Es war das Verdienst der Leipziger SDS-Gruppe (Studierendengruppe der Linkspartei), im Juni ein Treffen von meist studentischen Gruppen organisiert zu haben, die sich die Aufgabe stellen, betriebliche Kämpfe zu unterstützen. Sie haben schon seit 2013 Kontakt zu den Streikenden von Amazon Leipzig und mehrere Aktionen mit und für sie gestartet, auch im Uni-Bereich.Das Treffen im Juni, zu dem 21 meist junge Kolleginnen und Kollegen aus sieben Städten gekommen waren, verlief in konstruktiver und harmonischer Stimmung. Und es war dann klar, dass es ein Folgetreffen geben würde, das zu organisieren sich eine studentische Gruppe aus Frankfurt am Main bereit erklärte.
Das Leipziger Treffen zeichnete eine realistische Einstellung der Arbeitswelt und eine durchaus kritische Einstellung zu den Gewerkschaftsapparaten aus. Fast alle Studierenden hatten schon in prekären Jobs gearbeitet, die Leipziger auch bei Amazon, einige hatten vor dem Studium eine Berufsausbildung gemacht. Der Realismus der heutigen Jugend ist sicher viel größer als der jener, die nach 1968 in die Betriebe gingen. Es waren keine Verfechter ideologischer Ausrichtungen wie Trotzkismus, Maoismus, Stalinismus anwesend. Für alle war das Selbstverständnis klar: Unterstützung von Betriebskämpfen, ohne die Betriebsaktivisten bevormunden zu wollen.
Das Treffen in Frankfurt (vom 14. bis 16.11.) war öffentlich bekanntgemacht worden, auch durch Labournet, und es kamen etliche Kollegen mehr als in Leipzig, auch aus politischen Gruppen. Die Mehrzahl der Anwesenden waren jedoch, wie schon in Leipzig, Studierende. Etliche Stunden am Freitag verlief die Diskussion nicht konstruktiv, sondern als Auseinandersetzung über das Selbstverständnis des Treffens und geplanter weiterer Zusammenkünfte. Das war ziemlich nervig und frustrierend. Auf dem Hintergrund gezielter ideologischer Vorstellungen stellten neu Hinzugekommene hohe und meines Erachtens überladene Ansprüche an ein Selbstverständnis dieses Bündnisses, das sich ja erst herausbilden muss – besonders hinsichtlich seiner Aufgaben und Außenwirkung.
Die große Mehrheit sieht jedoch die Möglichkeiten des Bündnisses und der dahinterstehenden Gruppen sehr realistisch: Es gibt Treffen von örtlichen Gruppen, die vor Ort Unterstützungsarbeit für Betriebskämpfe leisten und sich ein- oder zweimal im Jahr zwecks Erfahrungsaustausch, Inspiration, Koordination und Vernetzung treffen.
Der Sonntag, an dem es um bevorstehende Streiks bei Kitas und bei Amazon ging, also um die Praxis aller örtlichen Gruppen, war dann wieder ausgesprochen konstruktiv. Zumal Kollegen von Amazon da waren, die, wie auch Kollegen aus Amazon-Soli-Gruppen, Realitätsbezüge in die Planung brachten.
Das nächste Treffen soll im Frühjahr nächsten Jahres in Bad Hersfeld stattfinden. Schon allein die Wahl des Ortes, der die Teilnahme von Amazon-Aktivisten impliziert, dürfte für eine Praxisorientierung und einen Realitätsbezug des Treffens sorgen.
Der Autor ist aktiv im Jour Fixe Gewerkschaftslinke, Hamburg.
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