von Manfred Dietenberger
Die Werbung suggeriert, Weihnachten sei eine «magische Zeit». Dann rückt die Familie romantisch/verkitscht in den Vordergrund. Doch vor allem ist Weihnachten das wichtigste Geschäft des Jahres.
Weihnachtsmarkt
Weihnachten ist vor allem ein gigantischer Weihnachtsmarkt. Weihnachtsmärkte haben hierzulande eine fast 600jährige Tradition. In Deutschland gibt es über 2500 Weihnachtsmärkte. In kleineren Orten werden die Standplätze oft kostenlos vergeben. In Städten und Großstädten kostet die Standgebühr mehrere tausend Euro. Zur Miete kommen noch die Kosten für die Holzhütte, Strom, Wasser usw., aber die Investition lohnt sich, besonders für die Glühweinverkäufer, die übrigen Verkaufsstände machen deutlich weniger Reibach. So erklärt sich, warum auf manchen Märkten 70–80% der Standbewerber Glühwein verkaufen wollen. Zugelassen wird je nach Markt aber nur jeder Fünfte bis Zehnte.
Neben den Anbietern von Weihnachtsengeln, Duftkerzen u.a. profitiert auch der umliegende Einzelhandel von der Anziehungskraft der Glühweinstände. Weihnachtsmarktbesucher geben durchschnittlich 12 Euro auf dem Weihnachtsmarkt und zusätzlich noch 20 Euro in den umliegenden Geschäften aus. 2012 machte der Einzelhandel fast ein Fünftel seines Jahresumsatzes in der Weihnachtszeit. Spielwarenhändler erwirtschaften in der Zeit von November bis Dezember durchschnittlich sogar ein Drittel ihres Jahreserlöses.
Städte und Gemeinden wissen um die Wirtschaftsmacht dieser Märkte und investieren daher massiv in die Werbung. Dresden und Nürnberg gaben dafür jeweils rund 250000 Euro aus. Köln hat den größten Weihnachtsmarkt Deutschlands zu bieten. Jährlich wird er von mehreren Millionen Menschen besucht. Als Organisatoren werden die Kommunen aber nur selten aktiv. Meistens sind Schaustellervereine, Verbände und Firmen die Veranstalter.
Umsatz
Auch die Einzelhändler wollen an unser Portemonnaie und erwarten im Weihnachtsgeschäft 2014 einen Gesamtumsatz von 85,5 Mrd. Euro. Das würde einem Umsatzplus von einer Milliarde im Vergleich zum Vorjahr entsprechen. Dennoch kommt bei vielen Ladeninhabern nicht so richtig Freude auf, da ist die Onlinekonkurrenz vor. Bei Onlinehändlern fällt ein Viertel des Jahresumsatzes in die Vorweihnachtszeit. Das ganz große Geschäft erwarten auch die Händler mit Spielwaren und Unterhaltungselektronik. Gerade diese Branchen sind massiv von den Einnahmen der letzten zwei Monate des Jahres abhängig, sie machen bei Spielwaren fast 28% und bei der Unterhaltungselektronik rund 22% des Jahresumsatzes aus.
Weihnachten 2014 werden so viele Geschenke wie noch nie online gekauft werden. Der HDE prognostiziert hier einen Umsatz von 10 Milliarden Euro. Vielen Verbrauchern ist inzwischen das Bestellen via Internet sogar schon wichtiger als das Shopping bei großen Filialisten wie H&M. Dieser Strukturwandel setzt immer mehr Betreibern von Ladengeschäften zu. Drei Viertel der stationären Händler beklagen sinkende Kundenfrequenzen, besonders in den Innenstädten. Der HDE geht davon aus, dass bis 2020 etwa 50000 Händler vom Markt verschwinden könnten.
Der Weihnachtsmarkt hängt eng mit dem Arbeitsmarkt zusammen. Dass das Geschenk zum Kunden kommt, dafür sorgt zum Beispiel die Deutsche Post mit ihrer Pakettochter DHL. Der Trend zum Versandhandel hat die Zahl der verschickten Pakete in den vergangenen Jahren stetig nach oben getrieben. Allein die Deutsche Post rechnet damit, dass sie an den Tagen vor Weihnachten mehr als 8 Millionen Pakete pro Tag bearbeiten muss. Deshalb hat sie mehr als 10000 Arbeitskräfte zusätzlich (hauptsächlich Leiharbeiter) eingestellt.
Spenden
Weihnachtsmärkte sind auch ein lukratives Eldorado für Taschendiebe. Doch nicht nur auf den festlich beleuchteten Marktplätzen wird den Menschen vor Weihnachten das Geld aus der Tasche gezogen. Alle Jahre wieder, wenn das Fest der Nächstenliebe naht, wächst die Spendenbereitschaft der Deutschen. Für Hilfsorganisationen, die auf private Zuwendungen angewiesen sind, ist der Dezember deshalb der wichtigste Spendenmonat. Mehr als dreimal so hoch wie in den anderen Monaten des Jahres ist das Spendenaufkommen in Deutschland in den Wochen vor Weihnachten. Rund 600000 Organisationen sammeln in Deutschland Spenden zur Finanzierung ihrer Projekte. Das Spendenaufkommen erreichte im Jahr 2013 mit rund 4,7 Mrd. Euro sogar Rekordniveau. Die Zahl der Spender aber nimmt ab. Um an ihr Geld zu kommen, herrscht auf dem Spendenmarkt ein immer härterer Verdrängungswettbewerb. Während 2004 noch rund 40% der Deutschen eine oder mehrere Organisationen mit einer Spende unterstützten, sind es zehn Jahre später nur noch etwa ein Drittel der Bundesdeutschen.
Für das jährlich wiederkehrende Weihnachtsritual des Schenkens geben viele Menschen meist mehr aus, als sie sich eigentlich leisten können, nicht nur für Geschenke, auch für das Festessen usw. Laut Handelsverband Deutschland (HDE, früher Hauptverband des deutschen Einzelhandels) wollen die Menschen pro Nase heute durchschnittlich rund 450 Euro für Weihnachtsgeschenke ausgeben, knapp 50 Euro mehr als im Jahr zuvor. Doch das ist der statistische Durchschnitt. Gleichzeitig hat nämlich eine repräsentative Umfrage ergeben, dass gut ein Drittel der Bevölkerung diesmal ihre Weihnachtsausgaben senken will.
Ein Gutteil des Weihnachtsgeschäfts wird mit Spielwaren gemacht. Seit 2008 sind die Ausgaben für Spielzeug um ein Drittel auf 269 Euro je Kind gestiegen. Dieses Jahr erwartet die Branche eine Renaissance bei Plüschtieren und elektronischem Lernspielzeug für Kinder in Form spezieller Tablet-Computer. Auch der Branchenprimus Lego aus Dänemark wird mit seiner Kombination aus Bausteinen und Digitaltechnik einen großen Happen vom Branchenkuchen ergattern. Unterm Weihnachtsbaum landen aber auch Roboterhunde, die auf Kommandos hören, Puppen, die per Smartphone eine gewisse elektronische Intelligenz entfalten, oder Minihubschrauber/Drohnen für den ferngesteuerten Einsatz im Wohnzimmer.
Ja, und natürlich gibt es wieder eine Unzahl von neuen gewalt- und kriegverherrlichenden Computerspielen. Das hat nicht nur in Deutschland eine lange Tradition. Es war aber auch schon mal anders. Nach der Befreiung Deutschlands im Mai 1945 entwaffneten die Alliierten nicht nur die deutsche Wehrmacht, sie verboten auch die Herstellung und den Vertrieb von Kriegsspielzeug. Schnell – analog zu den echten Waffenherstellern – stellten die Spielwarenfabrikanten auf Friedensproduktion um: Spielzeugautos und Eisenbahnen wurden nun zum Verkaufsrenner. 1949 brach die Nürnberger Spielzeugfirma Arnold dieses Tabu. Vier Jahre nach Kriegsende brachte sie einen Miniatur-Jeep vom Typ «Willy» der US-Streitkräfte auf den Markt und rasch boomten Militärspielsachen wieder in bundesdeutschen Kinderzimmern.
Das führte dazu, dass – angeschoben von den weiblichen CDU-Abgeordneten – im Bundestag heftig über die schädliche Wirkung solcher Spielsachen auf Kinder und Jugendliche debattiert wurde. In einem Antrag forderten die CDU-Frauen von der Regierung, «Herstellung und Vertrieb von Kriegsspielzeug jeglicher Art in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu verhindern». Am 23.Juni 1950 wurde das Gesetz zum Verbot von Kriegsspielzeug angenommen. Selbst die braundurchsetzte FDP unterstützte den Antrag und schickte ihre Abgeordneten Margarete Hütter (vormals Mitglied der NSDAP und der NS-Frauenschaft) ans Rednerpult. Pathetisch forderte sie, «dass der Gedanke an alles mit dem Krieg Verbundene, wie Schießgewehre, Pistolen, Kanonen, Panzer und Soldaten, selbst Atombomben en miniature, wie sie kürzlich auf einer Nürnberger Spielzeugmesse verkauft wurden, aus der Umgebung des Kindes ausgeschaltet werde».
Franz-Josef Strauß (CSU) ging gegen diese allgemeine Verurteilung von Kriegsspielzeug in die Bütt und schlug einen Änderungsantrag vor, das Vertriebsverbot für Kriegsspielzeug nur für deutsche Kinder zu verhängen. Begründung: die Bedeutung der Spielzeugfabrikation im Raum Nürnberg. Sein Antrag wurde abgelehnt, es blieb beim ursprünglichen Text. Dennoch war das ein Sieg auf dem Papier. Panzer, Jeeps und Schießgewehre liefen auch nach der Abstimmung im Bundestag in immer größeren Stückzahlen vom Band. Die Regierung Adenauer wandte das neue Gesetz einfach nicht an. Dies, obwohl die Deutschen kriegsmüde waren und in Umfragen fast drei Viertel aller Befragten eine Militarisierung Deutschlands strikt ablehnten. Doch Adenauer wollte ungestört mit den Amerikanern über einen westdeutschen «Verteidigungsbeitrag» verhandeln.
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