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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 01/2015
 

Die drohende Verknappung und die ökologischen Folgen

von Klaus Meier

Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Imperativ bei der Energiegewinnung. Nachhaltigkeit ist im Umgang mit allen, vor allem den nicht nachwachsenden, Rohstoffen gefordert. Das kapitalistische Wirtschaftssystem tut aber das Gegenteil: Immer mehr Waren, die sich immer schneller verschleißen, fressen unwiederbringlich immer größere Ressourcenmengen. Wie lange hält der endliche Planet Erde das noch aus?

Allen zyklischen Wirtschaftskrisen zum Trotz erreicht die Güterproduktion in der kapitalistischen Welt immer neue Höhepunkte. Bereits heute gibt es eine Milliarde Fahrzeuge auf der Welt. Bis 2050 soll diese Zahl auf 3 Milliarden steigen. In Deutschland nimmt der Anteil der schweren, Material und Ressourcen fressenden Geländewagen immer mehr zu. Heute werden davon 464000 pro Jahr verkauft. Laut Prognose sollen 2025 allein in Deutschland über eine Million SUVs neu in Umlauf gebracht werden.

Doch nicht nur der Automarkt wächst. Neben einem Boom bei immer kurzlebigeren Haushalts- und Elektrogeräten wächst auch der ebenfalls auf Kurzlebigkeit getrimmte Gebäudebestand weiter an. All dies frisst immer größere Ressourcenmengen.

Angesichts des endlichen Planeten Erde stellt sich die Frage, wie lange die Rohstoffversorgung für die kapitalistische Verbrauchs- und Glitzerwelt noch aufrechterhalten werden kann und welche ökologischen Folgen damit verbunden sind.

Riesige Materialflüsse

Seit einigen Jahren liegen zu diesen Fragen umfangreiche Forschungsergebnisse vor. Darin werden die der Erde entnommenen Rohstoffe getrennt nach Baumaterialien, Erzen, fossilen Energieträgern und Biomasse über die Jahre separat in Tonnen aufaddiert und dann zusammengefasst. Der Begriff dafür ist DMC (Domestic Material Consumption, heimischer Materialkonsum). Es ist ein Bewertungsmaß für die Materialmenge, die durch ökonomische Aktivitäten genutzt wird. Die Ergebnisse: Im Jahre 2008 wurden der Umwelt insgesamt 62 Mrd. Tonnen Material entnommen. Das entspricht einer Zunahme von 800% gegenüber dem Jahr 1900. In jüngerer Zeit ist ein starkes Wachstum zu verzeichnen: Seit 1980 ist die Entnahme um 60% gestiegen. Und bis 2030 erwartet die OECD einen weiteren Anstieg des DMC um 60% auf 100 Mrd. Tonnen.

Endliche Mengen

Um die Daten richtig einordnen zu können, muss man wissen, dass die der Umwelt entnommene Materialmenge bereits die Größenordnung der Materialflüsse unseres irdischen Ökosystems erreicht hat. So liegt die jährlich durch Photosynthese auf der Erde erzeugte Biomasse bei 120 Mrd. Tonnen. Betrachtet man allein die mit der Materialentnahme verbundenen Gesteinsverschiebungen im Berg- und Tagebau, so wird dadurch bereits jährlich viermal soviel Sedimentmasse verfrachtet, wie alle irdischen Flüsse und Gletscher gemeinsam bewegen.

Die Größenordnung dieser Eingriffe und die damit zwangsläufig verbundenen Baumaßnahmen, Industrieanlagen, Müllkippen und toxischen Freisetzungen sind die eigentliche Ursache dafür, warum sich unser Planet auf eine tiefe ökologische Krise zubewegt. Das wird z.B. deutlich, wenn man die Gesamtmenge von 500 Mrd. Tonnen an fossilen Energieträgern betrachtet, die im 20.Jahrhundert gefördert und dann verbrannt worden sind. Sie sind die Ursache für den dramatischen CO2-Anstieg in unserer Atmosphäre und das damit drohende Kippen unseres bisher gemäßigten Weltklimas.

Bedeutsam sind auch die Einzelzahlen. So machten zu Beginn des neuen Jahrhunderts die nicht erneuerbaren Rohstoffe bereits 70% der gesamten der Umwelt entnommenen Rohstoffmenge aus. Um 1900 waren es dagegen nur 26%. Das verdeutlicht, dass das heutige kapitalistische Wirtschaftssystem in eine nicht nachhaltige Phase eingetaucht ist.

Erste Anzeichen für künftige Verknappung der Rohstoffe sind bereits in vielen Bereichen erkennbar. Daten des US Geological Survey zeigen, dass die Metalle Chrom, Molybdän, Nickel, Platin, Kupfer, Zink, Kadmium und Zinn innerhalb der nächsten drei bis vier Jahrzehnte ihren Förderhöhepunkt überschreiten werden.

Ein weiteres Beispiel sind die globalen Phosphatvorräte. Die Datenlage ist nicht ganz übersichtlich. Einige Prognosen sagen aber, dass sie bereits in den 30er Jahren unseres Jahrhunderts so weit erschöpft sein werden, dass sie den Bedarf der heutigen Landwirtschaft nicht mehr decken können. Damit würde das gesamte Funktionieren der heutigen industriellen Landwirtschaft in Frage gestellt.

Selbst Sand, der für die Bauwirtschaft ein wesentlicher Rohstoff ist, droht knapp zu werden. So verbraucht ein klassisches Mehrfamilienhaus für Betonwände und Fenster ca. 150 Tonnen Sand.

Ein wahrhafter Sandfresser ist auch der Straßenbau. Allein für einen Kilometer Autobahn werden 20000–30000 Tonnen Sand benötigt. Die Tragik ist, dass nur Fluss- und Meeressand für die Bauindustrie verwendet werden kann. Wüstensand, der noch reichlich vorhanden wäre, kann nicht verwendet werden, weil seine Körner durch den Wind rundgeschliffen wurden und deswegen nicht aneinander haften.

Peak-Mineral-Szenarien

Eine rein mengenmäßige Betrachtung der verbleibenden Rohstoffe reicht nicht aus, um das Problem vollständig zu erfassen. Dazu müssen Peak-Mineral-Szenarien erstellt und betrachtet werden. Sie stehen für die kombinierte Wirkung von geologischen und ökonomischen Phänomenen bei zunehmender Ressourcenverknappung.

Der Begriff «Peak Mineral» hat in Anlehnung an «Peak Oil» Eingang in wissenschaftliche Veröffentlichungen gefunden. Er kann wie folgt definiert werden: Ein Rohstoff, dessen Ausbeutung begonnen wird, ist zu Beginn noch leicht zugänglich und der Metallgehalt der Erze ist hoch. Die Förderkosten liegen noch im unteren Bereich. Wenn die Ausbeutung voranschreitet, kommt irgendwann ein Punkt, ab dem die leicht förderbaren und einfach zu verarbeitenden Erzmengen der Mine erschöpft sind. Danach werden Erze geschürft, die tiefer liegen und einen niedrigeren Metallgehalt haben. Zusätzlich dehnt sich der Abbau in der Fläche aus. Damit steigen die Förderkosten und es muss immer mehr Energie aufgewendet werden.

In der Spätphase einer Förderstätte nehmen auch die ökologischen Belastungen zu. Es kommt zu einer Zunahme toxischer Freisetzungen und der Wasserverbrauch steigt. Irgendwann kommt es auch zu einem unvermeidbaren Rückgang der Fördermenge des Minerals. Der Förderhöhepunkt, der Peak, ist dann überschritten. Wenn die Ergiebigkeit noch weiter sinkt und die Kosten weiter steigen, kommt es irgendwann zur Stilllegung der Förderstätte. Dieser skizzierte zeitliche Ablauf der Ausbeutung von Förderstätten kann bei Erzen – in anderer Form auch bei der Öl- und Gasförderung – beobachtet werden. Er kann auch übertragen werden auf den Lebenszyklus einer global geförderten Ressource.

Dass wir bei zahlreichen Metallen einem Peak entgegenschreiten, ist daran festzustellen, dass in den letzten Jahrzehnten der Metallgehalt wichtiger Erze zurückgegangen ist. Das zeigen in jüngerer Zeit veröffentlichte Daten von australischen Erzen, deren Kupfer-, Gold-, Nickel-, Blei- und Zinkgehalt gesunken ist. So lag der Goldgehalt in australischen Minen um 1900 noch bei etwa 25 Gramm pro Tonne Gestein. 1950 war er bereits auf 5 g/t gesunken und heute liegt er bei unter 3 g/t. Die Nickelgehalte in australischen Mienen lagen um 1980 noch bei 2%, heute liegt sie unter 1%.

Wie lange reicht Kupfer noch?

Am Beispiel Kupfer wird diese Entwicklung deutlich. Kupfer wird wegen seiner guten Leitfähigkeit für die Verteilung von Strom und Daten eingesetzt. Im Baubereich wird es für Leitungen, Heizungsanlagen und sanitäre Einrichtungen verwendet. Die Frage, ob Kupfer knapp werden könnte, ist daher sehr bedeutsam. Bisher hat die Menschheit 400 Millionen Tonnen gefördert. Aber nur 2,5% davon stammen aus der Zeit vor 1900. Um 1900 lag die Kupfermenge im Erz noch bei 4 bis 1,5%. 2010 ist der durchschnittliche Kupfergehalt bereits auf 0,6% gesunken. Die heute verbliebenen Kupferreserven wurden 2012 auf 690 Millionen Tonnen geschätzt.

Unter «Reserven» versteht man die Metallmengen, deren Lager bekannt sind und deren Ausbeutung sich mit der heutigen Technologie und zu heutigen Preisen lohnt. Demgegenüber bezeichnen «Ressourcen» die bekannten Reserven und zusätzlich Metallerze, die sich in bekannten Lagern befinden, mit der heutigen Technik und zu heutigen Preisen aber nicht ökonomisch förderbar sind. Weiterhin zählen zu den Ressourcen auch Metalle in bisher noch unbekannten Lagern, die potenziell ökonomisch förderbar sind, deren Vorhandensein aber vielfach nur geschlussfolgert wird. Die Kupferressourcen der Welt werden auf rund 2,1 Mrd. Tonnen geschätzt. Es gibt heute keine Studien, die genauere Aussagen machen können.

Momentan liegt die jährliche Kupferförderung bei 17 Mio. Tonnen. Nach einer australischen Studie aus dem Jahr 2013 wird das Produktionsmaximum Anfang der 2030er Jahre mit dann 28 Mio. Tonnen erreicht. Die von den Autoren durchgeführte Simulation zeigt: Selbst wenn man die Weltkupferressource um 50% höher veranschlagen würde, wäre der Peak nur zehn Jahre später zu erwarten. Die Ressourcen, die danach noch gewonnen werden können, haben einen noch niedrigeren Kupfergehalt als heutiges Erz. Um die gleiche Menge Kupfer zu fördern, muss dann deutlich mehr Begleitgestein ausgehoben, zermahlen und chemisch verarbeitet werden. Die Abraumhalden werden größer, der Wasserverbrauch steigt, toxische Freisetzungen nehmen zu. Und die Kosten steigen. Dies umso mehr, als man davon ausgehen muss, dass bis dahin die Preise für fossile Energieträger, die für die Ausbeutung einer Mine unabdingbar sind, aufgrund zu erwartender Knappheiten ebenfalls gestiegen sein werden. Ob wir uns dann noch die heutige Kupferverschwendung für kurzlebige Konsum- und Wegwerfprodukte leisten können, ist fraglich.

Umweltschäden

Generell sind mit der Förderung und der primären Verarbeitung von Erzen erhebliche Schäden verbunden. So werden zur Goldförderung äußerst giftige Chemikalien eingesetzt, dazu gehören Zyanide – die hochgiftigen Salze der Blausäure, die das Gold vom Begleitgestein trennen. Da im abgebauten Gestein nur 1–2 Gramm Gold pro Tonne enthalten ist, werden riesige Zyanidmengen gebraucht. Übrig bleibt eine hochgiftige Flüssigkeit, die in den Abbauländern meist in großen Becken gesammelt wird. Große Mengen geraten bei Regen in die Flüsse, wo sämtliche Fische getötet werden oder ins Grundwasser geraten, sodass die Wasserquellen der Bevölkerung systematisch vergiftet werden. Ein Beispiel ist die Yanacocha-Goldmine in Nordperu, wo die umliegende indigene Bevölkerung unter den Giften erheblich leidet.

Mit dem sinkenden Metallgehalt der Erze und einer wachsenden Nachfrage kommen wir heute schon in Situationen, wo Förderungen interessant werden, die vorher aus Kostengründen ausschieden. Sie sind vielfach mit hohen Umweltrisiken behaftet. Das gilt bspw. für Grönland, wo aufgrund der geringeren Aktivität der Biosphäre Rohstoffausbeutungen besonders starke Verwüstungen hervorrufen können. Unter dem Druck von Investoren hat das grönländische Parlament 2013 das bis dahin bestehende Verbot des Abbaus von Uran und seltener Erden aufgehoben. Dazu wurde einem chinesischen Konsortium der Abbau von Eisenerz in der Nähe der Hauptstadt Nuuk übertragen.

Ein anderes Beispiel ist das wachsende Interesse der Industrie am Tiefseebergbau. Während Nickel, Kobalt, Mangan, Zink und Kupfer an Land knapp zu werden drohen, gibt es noch beachtliche Ressourcen seltener Metalle in der Tiefsee. Sie existieren als faustgroße «Manganknollen» auf dem Boden der Ozeane, als harte Krusten an unterseeischen Gebirgen und als Sulfidschichten rund um Tiefseevulkane. Schon jetzt hat die internationale Meeresbodenbehörde ISA 19 Lizenzen für die Suche nach Bodenschätzen an Rohstoffjäger vergeben. Deutschland ist mit der «Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe» dabei und hat Lizenzgebiete im Indischen Ozean und im Pazifik erworben. Bergbauunternehmen planen, riesige Verarbeitungsschiffe auf hoher See zu stationieren, um Manganknollen an Ort und Stelle zu verhütten. Sie könnten dann die zum Herauslösen der Metalle aus den Knollen nötigen toxischen Stoffe zusammen mit den chemisch belasteten Gesteinsresten direkt wieder im Ozean entsorgen. Das Umpflügen des Meeresbodens zur Gewinnung der Knollen und die anschließende Müllverkippung drohen schwere ökologische Schäden anzurichten, was zulasten der Nahrungskette gehen wird.

Nichtkapitalistische Kreislaufwirtschaft

Die Betrachtungen zeigen, dass die zunehmend zu beobachtenden großen ökologischen Schäden auf unserem Planeten die Folge einer Rohstoffausbeutung sind, die jedes Augenmaß verloren hat. Die entnommenen Materialien werden fast ausschließlich für kurzlebige Verbrauchsprodukte mit hoher Obsoleszenz verwendet. Und der Ressourcenverbrauch nimmt unaufhörlich zu.

Der Kapitalismus erzeugt immer neue künstliche Bedürfnisse: nach einem größeren LED-Bildschirm, einem neuen Smartphone oder einem Geländewagen. Es sei auch angemerkt, das das System gleichzeitig soziale Bedürfnisse nach menschlichen Kontakten, kürzerer Arbeitszeit oder Job- und Lebenssicherheit systematisch untergräbt, weil diese nicht verwertbar sind oder Profitinteressen sogar direkt entgegenstehen.

Die Ökologiebewegung sollte nicht nur die ökologischen Schäden angreifen, sondern ein Bewusstsein über deren eigentliche Ursache entwickeln – nämlich den zu großen Materialstrom, der unseren begrenzten Planeten überfordert. Ein Ende des Wachstums reicht in den entwickelten kapitalistischen Ländern schon nicht mehr aus – es bedarf einer Reduzierung des sinnlosen Materialverbrauchs. Das bedeutet eine technologische Umwälzung hin zu einer nichtkapitalistischen Kreislaufwirtschaft.

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