Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 01/2015
Wie kann sie funktionieren?

von Klaus Meier

Die Zerstörungen, die die kapitalistische Produktionsweise anrichtet, ist heute von lokalen auf globale Dimensionen angewachsen. Es werden zu viele Waren in zu kurzer Zeit in Umlauf gebracht, zu viele Rohstoffe verbraucht, zu viel Müll und zu viele Gifte produziert. Unser begrenzter Planet wird von den damit verbundenen Stoffströmen zunehmend überfordert. Im Ergebnis drohen ökologische Katastrophen. Doch wie könnten die Stoffströme verringert werden? Könnte eine ökosozialistische Kreislaufwirtschaft eine Alternative sein?

Werfen wir einen Blick auf Deutschland. Das Land ist heute trotz getrennter Abfallsammlung in unterschiedlichste Tonnen von einer nachhaltigen Entwicklung weit entfernt. Immer noch fallen Jahr für Jahr ungebremst rund 49 Millionen Tonnen Siedlungsabfälle an. Dazu kommen 54 Mio. Tonnen Abfälle aus Produktion und Gewerbe. Zusätzlich sind 60 Millionen Tonnen Baumüll zu berücksichtigen. Viele dieser Müllfraktionen enthalten hochproblematische Stoffe wie Schwermetalle oder Verbundmaterialien.

Das Recycling-Märchen

Die Konzerne der sog. «Wertstoffbranche» wie Remondis, Viola oder Suez behaupten, dass sie den Müll recyceln. Doch wie sieht die Wirklichkeit aus? In den Sammelbehältern des Grünen Punkts findet man genau das, was die Industrie produziert: ein buntes Gemisch von Konsumgütern, die in zahllosen Varianten hergestellt werden und sich unkontrolliert aus tausenden verschiedenen Stoffen zusammensetzen, die teilweise hoch toxisch sind. Hinzu kommen Berge von Verpackungsmüll. Wer glaubt, dass man diese chaotische Müllvielfalt so einfach recyceln kann, sitzt einer gefährlichen Illusion auf.

Tatsächlich wird bei der heutigen Müllverwertung der sog. «Wertstoffbranche» nur ein kleiner Teil des Mülls wirklich recycelt. Die große Masse erfährt dagegen eine «thermische Verwertung» oder ein Downcycling, d.h. es entstehen minderwertige Substanzen oder Produkte. Wirkliche Nachhaltigkeit ist dies nicht. Dies kann aber auch nicht erwartet werden, solange die hergestellten Güter sich aus zu vielen unkontrollierten Substanzen zusammensetzen. Technische Strategien der Müllverwertung können zwar viel erreichen – aber zaubern können sie nicht.

Nachhaltiges Recycling

Wie kann ein wirkliches Recycling aussehen? Eine intelligente Antwort darauf wird in einem viel diskutierten Buch von Braungart und McDonough entwickelt: Sie wird als «Cradle to Cradle» (C2C, Wiege zu Wiege) bezeichnet und als Synonym für eine Kreislaufwirtschaft verwendet. Die Autoren unterscheiden nur zwei Stofffraktionen, nämlich synthetische und natürliche Materialien. Sie sollen sich im Rahmen des Recyclings in getrennten Kreisläufen bewegen. Die sog. natürlichen Stoffe sollen so ausgelegt werden, dass sie am Lebensende eines Produkts bedenkenlos kompostiert werden können. Synthetische Stoffe, wie z.B. Glas, Metall oder auch Kunststoffe, sind dagegen nicht kompostierbar und sollen nach diesem Konzept in endlosen Materialkreisläufen wiederverwertet werden. Das geht natürlich nur, wenn die Stoffe am Lebensende eines Produkts trennbar sind und nicht vermischt werden. Verbundmaterialien wie Tetrapacks, kunststoffbeschichtete Aluminiumverpackungen, Polymerbeton oder Möbel aus Spanplatten widersprechen dem Grundgedanken des C2C-Konzepts.

Man kann die Idee auch so ausdrücken: Während die offizielle Entsorgungsbranche einfach bestehende Konsumgüter «recyceln» will, setzt C2C auf einer tieferen Ebene an. Bereits bei ihrer Entwicklung sollen Produkte so konzipiert werden, dass sie sich nach dem Ende ihrer aktiven Nutzung optimal demontieren und recyceln lassen. In jedem Fall würde die generelle Einführung von C2C-Prinzipien einen tiefen Bruch mit den bisher gültigen kapitalistischen Entwicklungsmethoden bedeuten, die sich einzig und allein am Profit orientieren. Braungart ist dafür aber kein guter Bundesgenosse, denn er verwertet das C2C-Konzept vornehmlich kommerziell für sein Beratungsunternehmen. Die Industrieunternehmen, die er so erreicht, nutzen C2C-Prinzipien für einige wenige Produkte zu Werbezwecken.

Verpackungsflut reduzieren

In einer Politik der Nachhaltigkeit sollte Recycling aber erst an zweiter Stelle stehen. Noch davor sollten die im Kapitalismus anfallenden unkontrollierten Müllmengen auf eine beherrschbare Größe reduziert werden. Tatsächlich passiert heute genau das Gegenteil. So ist ein steigender Verbrauch von Kunststoffkleinverpackungen zu beobachten, z.B. Becher für Desserts oder Joghurt. Bei Wurst, Käse und Fleischwaren gibt es einen Trend zum Vorverpacken, häufig auf aufgeschäumten Kunststoffplatten. Und der Siegeszug des Internethandels wird begleitet von einer Zunahme von Versandkartonage.

Positiv ist dagegen die hohe Sammelquote von Glaspfandflaschen zu bewerten, die in Deutschland bei 96–98% liegt. Damit wird ein wirkliches Glasrecycling hoher Qualität erreicht und Flaschen können rund 50mal wieder genutzt werden. Dieser Erfolg sollte ausgebaut werden und sämtliche Getränke, Desserts, Joghurts usw. auf Glas und Pfandsysteme umgestellt werden. Alle anderen Verpackungen gehören auf den Prüfstand. Sie sollten auf ein Mindestmaß reduziert und vereinheitlicht werden. Die Einführung von Pfandsystemen wäre auch hier zu prüfen, und der Restbestand sollte auf C2C-Prinzipien umgestellt werden. All dies würde sicher auf den verbissenen Widerstand der Konzerne treffen.

Lange Lebensdauer für die Produkte

Ein weiteres wichtiges Vorgehen, um die Müllflut einzudämmen, wäre die Herstellung langlebiger Konsumgüter, die möglichst lange bei den Benutzern kreisen. Dies wird heute von kapitalistischen Unternehmen planmäßig untergraben, indem sie Methoden der Obsoleszenz anwenden. Darunter versteht man die gezielte und bewusste Verringerung der Lebensdauer eines Produkts durch kapitalistische Produzenten, die so dafür sorgen, dass die Nachfrage hoch bleibt und es zu keiner Marktsättigung kommt.

Würde man systematisch daran arbeiten, die Lebensdauer von Produkten zu verlängern und die aktive Obsoleszenz unterbinden, so wäre es heute keine Utopie, bspw. Kühlschränke zu produzieren, die 40 Jahre halten. Dies umso mehr als in der DDR schon eine Mindesthaltbarkeit dieser Geräte von 25 Jahren vorgeschrieben war. Angesichts des heutigen technischen Fortschritts wäre mehr möglich. Genauso könnten für Fernseher und Digitalkameras 20 Jahre Haltbarkeit vorgeschrieben werden, für Waschmaschinen 30 Jahre, usw.

Produkte reparieren

Die heutige kapitalistische Wegwerfgesellschaft hat eine irrwitzige Konsumkultur erzeugt. Wenn heute technische Gegenstände oder Bekleidungsstücke Mängel aufweisen, so werden sie meist bedenkenlos weggeworfen, ein Verhalten, das noch vor einigen Jahrzehnten undenkbar gewesen wäre. Wenn der Kragen eines Hemdes abgenutzt war oder es ein Loch aufwies, ließ man es vom Schneider reparieren. Schuhe wurden regelmäßig zum Schuster gebracht. Wenn ein Radio oder ein Fernsehgerät Schäden aufwies, wurde selbstverständlich ein Radio- und Fernsehtechniker gerufen, der etwa schadhafte Röhren im Gerät austauschte. So gab es ein effektives und umfassendes Netzwerk von Reparaturmöglichkeiten.

Den großen Herstellern technischer Produkte ist es in den letzten Jahrzehnten gelungen, die früher noch vorhandene Reparaturserviceinfrastruktur weitgehend auszutrocknen und zu verdrängen. Die Politik hat dabei tatenlos zu gesehen. Viele Unternehmen unterhalten zwar formal einen Reparaturservice. Aber die Kosten der Ersatzteile sind maßlos überteuert. Und es wird ein hoher Stundensatz samt Anfahrt in Rechnung gestellt, sodass potenzielle Kunden vor dem horrenden Preis gleich kapitulieren und lieber ein Neugerät bestellen. Das ist genau das, was die Unternehmen auch wünschen, denn so wird der Neukauf wieder angekurbelt. Unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit ist das allerdings eine Katastrophe.

Wichtig wäre es, dass Reparaturen wieder konkurrenzfähig gegenüber Neuprodukten gemacht werden. Dass bedeutet, dass Material- und Arbeitskosten, die bei Reparaturen anfallen, auf Neuprodukte umgelegt werden sollten. Nur so entsteht der unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit erwünschte Anreiz, dass Reparaturen durchgeführt werden, statt ständig Neugeräte zu kaufen und dabei wichtige Ressourcen zu verschwenden. Dies ist durchaus im Interesse der Kunden, die dadurch Geld sparen, aber natürlich nicht im Interesse der kapitalistischen Konzerne.

Nachhaltige technologische Revolution

Die bisher genannten Maßnahmen wären schon einschneidend. Aber sie sind immer noch nicht ausreichend, um ökologisch zu produzieren. So brauchen Produkte vor allem einen längeren Lebenszyklus. Das heißt, sie dürfen sich nicht mehr alle zwei Jahre ändern, wie dies heute der Fall ist. Das bedeutet, dass die kapitalistische Innovation ausgebremst gehört, denn sie dient heute allein der Profitmacherei und der Ressourcenverschwendung.

Nur ein längerer Produktlebenszyklus ermöglicht, dass sich Reparatur-, Wiederverwendungs- und Recyclingprozesse auf spezifische Produkte einstellen können. Das wäre die Basis für eine ökologische Kreislaufgesellschaft. Gleichzeitig sollten bestimmte Produkte im wesentlichen gemeinsam genutzt werden. So sollte die deutlich reduzierte Autoflotte einer Gesellschaft dem Car-Sharing vorbehalten bleiben. Es versteht sich, dass die öffentlichen Verkehrsmittel im Gegenzug deutlich ausgebaut werden müssen.

Es bleibt eine letzte Frage: Ist die dargelegte Vision nicht auch im Kapitalismus umsetzbar? Die Antwort ist ein klares Nein. Der Kapitalismus kann nur mit ständigem Wachstum existieren. Ein Schrumpfen der Gesamtproduktionsmenge würde eine tiefe Wirtschaftskrise hervorrufen. Im Ringen um eine ökologische Kreislaufwirtschaft muss daher auch der Kapitalismus überwunden werden.

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