von Udo Bonn
Bei nahezu jeder Bambi-Verleihung sind auch sie da, jene Schauspielerinnen mit hoher Publikumsgunst und Ehemännern aus der Medien- und Finanzindustrie, deren Vermögen es den Gattinnen erlaubt, bei der Auswahl der Engagements wählerisch zu sein. Und denen es so auch möglich ist, karitativ tätig zu sein.Für eine von ihnen, soll der Ghostwriter Can Evinmann eine frühe Biografie schreiben, was sich nicht einfach anlässt. Anna Roth und Evinmann sind sich nicht sympathisch, noch weniger nach einer Provokation des angeheuerten Autors. Und wenn Evinmann von seinen Reisen nach Köln zurückkehrt, ist da auch nichts in Ordnung, ein pubertierender Sohn und eine Ehefrau, von der er nicht sicher weiß, ob sie nicht doch mit seinem besten Freund schläft. Und dann taucht Ellen Reichert auf, die Assistentin von Martin Eissler, dem Industriellen und Ehemann der Schauspielerin. Sie behauptet, Evinmann als Ghostwriter ausgesucht zu haben und sie möchte, dass er die Geschichte ihres hundertjährigen Großvaters aufschreibt, eines SS-Kriegsverbrechers, der in Thessaloniki die Erniedrigung, Enteignung und Deportation der sephardischen Juden organisiert hat.
Orkun Erteners erster Roman Lebt beginnt kurz wie eine harmlose Soap Opera und wird dann zu einer überaus dramatischen Krimigeschichte auf dem Hintergrund der Handelsbeziehungen der einzigartigen Stadt im nördlichen Griechenland, des brutalen Bevölkerungsaustauschs und dessen Folgen für die alteingesessene Bevölkerung Thessalonikis, der Naziverbrechen und der Kriegsgewinnler. Von Hamburg nach Griechenland, in die Türkei, nach Südfrankreich hetzend, erfahren Schauspielerin und Autor, dass sie mehr verbindet als ein Arbeitsverhältnis. Und auch das Verschwinden von Evinmanns Eltern scheint kein Unfall im Watt gewesen zu sein, ein Doppelmord hat den kleinen Jungen zum verstörten Waisen gemacht.
Wer die mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnete Fernsehserie KDD- Kriminaldauerdienst gesehen hat, weiß, dass Orkun Ertener ein Autor ist, der Geschichten komplex, variantenreich und spannend erzählen kann. Das ist ihm mit Lebt mehr als gelungen.
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