von Larissa Peiffer-Rüssmann
Die in diesem Buch geschilderten Biografien machen auf bedrückende Weise deutlich, wie problemlos sich die Frauen nicht nur in die NS-Gesellschaft einfügten, sondern selber auf unbeschreibliche Art und Weise Gewalt ausübten.Alle kamen aus der Mitte der Gesellschaft, waren Lehrerinnen und Erzieherinnen, Krankenschwestern, Sekretärinnen, Ehefrauen, NSDAP-Aktivistinnen und Ansiedlungsbetreuerinnen, aufgewachsen in der Tradition des preußischen Militarismus und erzogen in deutschen Schulen. Sie wurden Zeugen politischer Gewalt in den Schulen und auf den Straßen und lernten, diese Gewalt zu tolerieren oder selber auszuüben. Es waren die Töchter von Bauern, Handwerkern, Selbständigen, viele hatten eine weiterführende Schulbildung und einen Beruf.
Es waren junge Frauen, die dem Ruf in die eroberten Gebiete des Ostens folgten, Schätzungen sprechen von einer halben Million, allein 19000 gingen in die besetzten polnischen Gebiete. Sie witterten Chancen auf eine Karriere und wurden zum festen Bestandteil von Hitlers Vernichtungsfeldzug.
Als Sekretärinnen in den Gestapozentralen verwalteten und organisierten sie den Holocaust. In der Ukraine und in Weißrussland arbeiteten sie im Zentrum der NS-Vernichtungsmaschinerie als Buchhalterinnen der Massenmorde.
Als Krankenschwestern und Hebammen verabreichten sie tödliche Injektionen im Rahmen des Euthanasieprogramms und der Rassenhygiene, waren beteiligt an den Selektionen in den Kriegsgefangenen- und Konzentrationslagern, ohne dass ihnen die Pervertierung ihres Berufs bewusst wurde.
Als Lehrerinnen und Erzieherinnen in den besetzten Gebieten halfen sie, das Völkermordprogramm der Nazis umzusetzen. Dabei standen sie den SS-Schergen in Grausamkeit und Brutalität in nichts nach. Ein Beispiel: Erna P., die mit ihrem Mann, einem SS-Offizier, ein beschlagnahmtes Landgut in Polen bewohnte, kam mit ihrer Kutsche an einer Gruppe völlig verängstigter, in Lumpen gekleideter Kinder vorbei – ihr war gleich klar, dass es jüdische Kinder waren. Sie nahm sie mit nach Hause, gab ihnen zu essen und redete beruhigend auf sie ein. Dann fuhr sie mit den sechs Kindern an den Waldrand, befahl ihnen, sich mit dem Rücken zu ihr in einer Reihe aufzustellen, erschoss sie und fuhr nach Hause zu ihren eigenen Kindern.
Nach Kriegsende kehrten diese Frauen zurück und versuchten, ihre Mitschuld am Völkermord zu vertuschen oder zu leugnen. Den meisten gelang fast problemlos der Wiedereinstieg in die Nachkriegsgesellschaft.
Manche Kapitel sind etwas zu ausführlich geraten, einiges hätte sich ohne Verlust straffen lassen. Eines aber wird klar: Die Annahme, Gewalt sei kein weiblicher Wesenszug, kann nicht belegt werden. Alle namhaften Wissenschaftler sind sich einig, dass das von Gewalt und Verfolgung geprägte Umfeld der wichtigste Bestimmungsfaktor für diese Verbrechen war.
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen
Spenden
Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF
Schnupperausgabe
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.