von Dieter Braeg
24.Januar 1975. An diesem Tag gab es in der Kölner Oper ein Improvisationskonzert – und immer noch, mehr als 40 Jahre später, ist das, was da geboten wurde, wenn man Jazz mag, eine immerwährende Freude fürs Ohr. Das war ein Stutzflügel, nicht unbedingt ein Superinstrument, und Legenden behaupten, das Instrument sei defekt gewesen. Keith Jarrett war hungrig, übermüdet und wollte eigentlich gar nicht auftreten beim Festival «New Jazz in Cologne». Wir verdanken es der großen Überredungskunst der damals erst 19 Jahre alten Vera Brandes (sie lebt heute in Wien und ist als Musiktherapeutin tätig), dass The Köln Concert gespielt und aufgenommen wurde. Es blieb einer der großen Erfolge dieses Ausnahmepianisten, der Tonträger wurde bislang über dreieinhalbmillionenmal verkauft.Joachim Ernst Berendt, Autor des lesenswerten Buchs Ein Fenster aus Jazz, war der Meinung, es sei «totale Musik», die Jarrett in diesem über 60 Minuten langen Konzert improvisiert und gespielt hat. Es gliederte sich in vier Teile. Auf den sehr langen ersten Teil folgen zwei fast gleichlange Stücke, dann kommt ein kurzes, furioses Finale. Jarrett bat das Publikum um Ruhe, und so hört man erst nach dem ersten Teil dessen begeisterte Reaktionen. Es war eine Improvisation am Klavier, an jenem Punkt, wo Klassik und Jazz eigene Wege gehen. Es ist starke und vollendete Klaviermusik und Melodienketten, die Kraft und Schönheit ausstrahlen.
Der Jarrett-Biograf Uwe Andersen schreibt zum ersten Teil dieses Konzerts: «Was Jarrett hier an Motiven, an ruhigen wie triebhaften Momenten, an Spannung, ekstatischer Wohlklangserlösung und Entspannung aneinander reiht, ist schier überwältigend. Er scheint es gar nicht nötig zu haben, eine Idee länger zu verfolge…» Jarrett selbst wollte eigentlich mit seiner Musik nicht in irgendeine Erklärungsschublade gesteckt werden. Für ihn war immer wichtig, dass seine Musik in die Zukunft gerichtete Visionen transportiert. Im Mai 2015 wird Jarrett 70. Schön waren seine Lehrjahre mit Charles Lloyd, Ornette Coleman und Miles Davis. Und wer mag, sollte sich das geniale Zusammenspiel mit Charlie Haden und Paul Motian auf der CD Hamburg‚ 72 anhören. Das Konzert wurde am 14.Juni 1972 im NDR-Funkhaus aufgenommen und bietet ein breites Spektrum vom entspannten Swing bis zum Free Jazz.
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