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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 04/2015

Es geht um das Streikrecht

von Jakob Schäfer

Am 21./22.Mai will die Große Koalition das Tarifeinheitsgesetz verabschieden, völlig unbeeindruckt von allen Rechtsgutachten, die deutlich machen, dass mit einem solchen Gesetz die Grundrechte der Koalitionsfreiheit und des Streikrechts massiv verletzt werden.Dabei ist das Tarifeinheitsgesetz nur ein Türöffner für weitere Einschränkungen des Streikrechts. Seit Ende der 80er Jahre werden landauf landab Belegschaften aufgespalten, und zwar durch Ausgliederungen, durch den Einsatz von Leiharbeitern, durch den Abschluss von «Werkverträgen», durch Austritte aus den Flächentarifverträgen usw. Das Kapital ist also seit langem die Kraft, die für unterschiedliche Bedingungen der Beschäftigten und damit für die Anwendung sehr unterschiedlicher Tarifverträge sorgt, wenn es denn überhaupt noch welche anerkennt.

Es ist ein gewerkschaftspolitischer Skandal, dass die DGB-Gewerkschaften Tarifverträge für Leiharbeiter unterschreiben und es damit den Unternehmen (in Ausnutzung einer spezifischen deutschen Rechtslage) ermöglichen, die EU-Richtlinie «Equal Treatment/Equal Pay» (Gleichstellungsgrundsatz) zu unterlaufen.

Dass es Kabinett und Kapital mit dem geplanten Gesetz um etwas ganz anderes geht, als um Übersichtlichkeit und um gleiche Tarifbedingungen, macht der neueste Vorstoß der Lufthansa deutlich. Sie stellt nämlich ihre Wünsche zur Streikrechtseinschränkung genau in den Zusammenhang des Tarifeinheitsgesetzes.

Der Dax-Konzern ist mit dem Gesetz nicht zufrieden. DPA meldet am 20.3. 2015: «Die streikgeplagte Lufthansa … hat Nachbesserungen beim geplanten Gesetz zur Tarifeinheit verlangt. Unter Hinweis auf mehr als 40 Arbeitskämpfe im deutschen Luftverkehr seit dem Jahr 2008 hat das Unternehmen für die kritische Verkehrsinfrastruktur erneut Sonderregeln vorgeschlagen. In seiner bisherigen Form werde das Gesetz zu Tarifeinheit bei der Lufthansa keinen Frieden stiften.»

Der Personalvorstand Bettina Volkens kritisiert an dem Gesetz das auf einzelne Betriebe bezogene Mehrheitssystem. Es müsse dann allein im Lufthansa-Konzern in mehr als 200 «Betrieben» geprüft werden, welche Gewerkschaft dort die Mehrheit hat und folglich den Tarifvertrag abschließen kann. Der Verwaltungsaufwand und auch die Vielfalt von zumindest in Teilbereichen tariffähiger Gewerkschaften würden «dramatisch zunehmen».

In einem Brief an mehrere Fraktionen wünscht sich Volkens gesetzliche Regelungen für eine frühzeitige Schlichtung, rechtzeitige Ankündigungsfristen und die Sicherstellung der Grundversorgung. Derartige Regelungen gebe es bereits in Frankreich, Italien und Spanien.

Diese Wünsche decken sich voll und ganz mit dem Gesetzentwurf der Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Stiftung von 2012 und mit dem Gesetzentwurf der CSU vom 26.Januar 2015 (siehe SoZ 3/2015, zum Link hier klick).

Auch der GDL-Streik hängt eng mit dem geplanten Gesetz zusammen. Seit Monaten betreibt die Bahn ein mieses Spiel der Zusagen und dann der Rollen rückwärts, immer in dem Bestreben, die GDL in eine Sackgasse zu manövrieren, die es ihr nachher unmöglich macht, trotz angeblicher Verhandlungsfortschritte doch noch zu streiken. Wenn es der Bahn gelingt, dies bis Ende Mai fortzuführen, würde sie durch das neue Gesetz politisch enorm gestärkt und könnte der GDL ab dem 1.Juli das Streiken gerichtlich verbieten lassen. Im Moment ist die GDL noch zuversichtlich und erklärte in ihrer letzten Verlautbarung, sie rechne mit einem Tarifabschluss noch vor Ostern. Der ist allerdings noch lange nicht im Kasten.

Glücklicherweise hat die GDL den politischen Zusammenhang ihres Tarifkampfes mit dem Tarifeinheitsgesetz voll begriffen, das geht nicht nur aus ihren Erklärungen hervor. Inzwischen hat sie sich auch entschlossen, zumindest regional zur Demonstration gegen das Tarifeinheitsgesetz am 18.April in Frankfurt aufzurufen. Das tut sie, obwohl ihr klar ist, dass die Initiative dazu «aus der linken Ecke» kommt. Die GDL wird sogar mit ihrem stellvertretenden Vorsitzenden, dem Kollegen Quitter, einen Redner auf der Abschlusskundgebung stellen.

Auch bei Ver.di zieht der Widerstand weitere Kreise. Die Region Süd-Ost-Niedersachsen von Ver.di ruft zur Unterstützung der Demonstration auf, ebenso linke Hauptamtliche von Ver.di, die eine sehr gute Erklärung zum Thema verfasst haben (siehe bei Labournet hier click).

Widerstand meldet sich auch aus den Betrieben. Der Konzernbetriebsrat der Rhön-Klinikum AG – er vertritt etwa 16000 Beschäftigte – bringt in einem Offenen Brief an die Bundesregierung die entscheidenden Argumente auf den Punkt:

«Der Konzernbetriebsrat der Rhön-Klinikum AG stellt sich gegen das Vorhaben der Bundesregierung, ein Gesetz zur sogenannten Tarifeinheit zu verabschieden. Dieses Gesetz ist nicht nur unnötig, sondern wird Konflikte innerhalb von Belegschaften zahlreicher Betriebe schüren, die es ohne dieses Gesetz nicht geben würde. Vor allem aber stellt das vorgesehene Gesetz einen inakzeptablen Eingriff in das verfassungsmäßig geschützte Recht der Koalitionsfreiheit und das hieraus resultierende Streikrecht dar … Ohne eigenen Tarifvertrag unterliegen die jeweils kleineren Gewerkschaften der Friedenspflicht aus dem Mehrheitstarifvertrag. Ein Arbeitskampf darf sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts immer nur auf die Durchsetzung eines tariflich regelbaren Ziels richten, also den Abschluss eines Tarifvertrags. Da dies aber hiernach gar nicht mehr möglich wäre, kommt das Gesetz einem Streikverbot gleich, auch wenn dies nicht explizit im Gesetzesentwurf geregelt ist … Es kommt einem offenen Verfassungsbruch gleich, wenn der Staat bestimmten Arbeitnehmergruppen das Recht verwehrt, unabhängig und eigenständig tarifpolitisch tätig zu sein.»

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