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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 04/2015
Linke Organisierung damals und heute*

von Florian Osuch

Ein Sammelband zur frühen Geschichte der KPD, bevor sich die Partei «in ein Werkzeug der russischen Außenpolitik verwandelt» hatte.

Anfang der 20er Jahre existierte in Deutschland mit der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) eine revolutionäre Kraft mit mehreren hunderttausend Mitgliedern und Millionen Wählern. Gegründet Ende 1918 in den Wirren der Novemberrevolution, bestand ihr Kern zunächst aus tausenden radikaler Arbeiter, die der SPD wegen deren Unterstützung für den Ersten Weltkrieg den Rücken gekehrt hatten.

Als sich die Führung der Sozialdemokraten dann noch unter Einsatz militärischer Gewalt gegen Aufstandsversuche stellte, verließen weitere zehntausende die Partei und schlossen sich der KPD an. Zu den Persönlichkeiten der ersten Stunde gehören Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Paul Levi und Heinrich Brandler.

Ein Sammelband, herausgegeben von Marx21, einem Netzwerk innerhalb der Partei Die LINKE, widmet sich nun der frühen Phase der KPD. Marx21 begibt sich auf die Suche nach Lehren für die Linke heute. «Mit der KPD entstand zum letzten Mal in Deutschland eine Organisation, die sich dem radikalen Antikapitalismus, einem revolutionären Sozialismus von unten, verpflichtet fühlte und zugleich hunderttausende Arbeiter zu ihren Unterstützern zählte», schwärmt Marx21. Daher sei das Buch ein «bedeutsamer Erfahrungsschatz» für alle, die «heute in die Fußstapfen eines solchen Projekts treten wollen».

Die Herausgeber konnten Bernd Riexinger, den Vorsitzenden der Linkspartei, für ein Gespräch gewinnen. Dieser betont, dass ein moderner Begriff von «Einheitsfront» für Linke bedeutet, «im Bündnis mit anderen gesellschaftlichen Kräften für eine Veränderung der Gesellschaft Kämpfe und Auseinandersetzungen organisieren zu müssen».

Im vorliegenden Band sind 13 Beiträge zusammengefasst. Es wird dargelegt, wie die junge KPD von tumultartigen Diskussionen, Debatten und Kontroversen geprägt war. Positionen zu wichtigen Fragen wurden zumeist im Verlauf längerer Kontroversen entwickelt und teilweise auch wieder verworfen. Die Zusammensetzung der Parteiführung änderte sich fortwährend.

Die KPD steckte in einem Dilemma. Sie setzte auf eine Arbeiterrevolution, musste jedoch zur Kenntnis nehmen, dass die Mehrheit der Arbeiter die SPD unterstützte. Etwa ab 1921 richteten die Kommunisten Vorschläge für eine Aktionseinheit an die Führung der Sozialdemokraten und an die Gewerkschaften. Sie erhofften sich dadurch größere Schlagkraft bei Kampagnen und Streiks und wollten zugleich die Anhänger der SPD für die Praxis der KPD gewinnen.

Erst etwa ab Mitte der 20er Jahre setzte sich innerhalb der KPD ein Kurs durch, der zumeist an der Außenpolitik der Sowjetunion orientiert war. Nicht nur bürgerliche Kritiker, auch Autoren in diesem Buch, sprechen von einer «Stalinisierung der Partei». Der Historiker Marcel Bois steuert einen Beitrag bei, in dem er sich ausführlich mit der Einheitsfronttaktik der KPD in der Weimarer Republik befasst. Die Partei wurde «zunehmend undemokratisch und geriet in immer stärkere Abhängigkeit von Moskau», so Bois.

Tatsächlich wurden tausende Kommunisten aus der Partei geworfen oder gingen von selbst. Einige gründeten 1929 die KPD-Opposition (KPO) um August Thalheimer und Heinrich Brandler, andere sammelten sich in linkssozialistischen Organisationen oder gingen zurück zur SPD.

Noch heute prägt das Bild einer autoritären Partei die Sichtweise auf die KPD. Doch die Partei war in der frühen Phase eben auch eine «lebendige Massenpartei, in der antikapitalistische Strategien lebhaft diskutiert und erprobt wurden», wie es in dem Band heißt. Mehrere Autoren befassen sich mit der Einheitsfronttaktik und fragen, was diese Ansätze für die heutige Politik der Linken zu bieten haben. Genau hier gibt es durchaus Parallelen zu damals, auch wenn Bernd Riexinger darauf hinweist, das Verhältnis der Linkspartei heute zur SPD könne «nicht einfach mit dem der KPD zur damaligen SPD» verglichen werden.

Weitere Artikel befassen sich mit der Frauenpolitik der KPD und der «publizistischen Pionierarbeit» der Arbeiter-Illustrierten Zeitung. Der britische Gewerkschafter Yussuf Timms zeichnet die dramatischen Ereignisse des Jahres 1923 nach, in dem die KPD bereits umfangreiche Vorbereitungen für einen Aufstand getroffen hatte, diesen aber in letzter Sekunde abblies.

* Berlin: Edition Aurora, 2014. 338 S., 6,50 Euro

Der Autor schrieb zuletzt über den Prozess gegen Tim H. in Dresden (SoZ 1/2015).

 

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