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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 04/2015
Das EEG: Eine kleine Geschichte

vom isw-report

Wieso wird der Strom immer teurer, obwohl die erneuerbaren Energien den Strompreis an der Leipziger Börse manchmal unter Null drücken? Die Antwort auf diesen Widersinn findet sich in der Neuordnung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Hier hat in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel stattgefunden, der das ursprüngliche Anliegen des EEG, ein Instrument zur Förderung erneuerbarer Energien zu sein, ins Gegenteil verkehrt.

Der neue isw-Report Die Energiewende im Wügegriff der Konzerne erläutert diesen Paradigmenwechsel auf leicht nachvollziehbare Weise.

Wind, Biomasse, Sonne und Wasser liefern bislang vor allem Strom, und zwar anteilig in dieser Reihenfolge. Dass die Erneuerbaren hier eine Erfolgsstory hinlegen konnten, hat zwei Ursachen: zunächst eine Graswurzelbewegung für den praktischen (individuellen) Ausstieg zuerst aus dem Atomstrom, dann aus den fossilen Energien überhaupt; dann, seit dem Jahr 2000, die staatliche Förderung dieses Ansatzes durch das EEG. Das EEG hat den Umstieg auf Erneuerbare auch für solche Private und Betriebe wirtschaftlich interessant gemacht, die zunächst wenig mit «Öko» im Sinn hatten.

Das EEG wurde jedoch seit seiner Einführung viermal novelliert, 2004, 2009, 2012 und 2014.

Das alte EEG

Ursprünglich baute das EEG auf drei Säulen auf:

  1. eine feste, garantierte Vergütung für die Einspeisung von erneuerbarer Energie für 20 Jahre – damit konnten die Anlagenbetreiber ihre Investitionen refinanzieren;
  2. Strom aus Erneuerbaren hat im Netz Vorrang vor dem aus konventionellen Energien;
  3. auch kleinere und nicht-professionelle EE-Produzenten wurden gefördert.

Die Grundidee war folgende: Betreiber von Anlagen, die Strom aus Wind, Wasser, Sonne, Geothermie oder Biomasse produzieren, dürfen ihn in das Stromnetz einspeisen. Die Regierung verpflichtet die Netzbetreiber, diesen Strom abzukaufen (ihn zu vergüten) – zu einem auf 20 Jahre staatlich garantierten Preis. Wer z.B. im Jahr 2013 eine Photovoltaikanlage baute, bekommt die nächsten 20 Jahre zwischen 9 und 17 Cent pro eingespeiste Kilowattstunde – je nach Größe der Anlage und Zeitpunkt der Inbetriebnahme.

Für die Vergütung wird der Netzbetreiber entschädigt durch eine Umlage, die alle Verbraucher zahlen müssen.

Novelle 2009: Börsenzwang

Am 1.Januar 2010 trat eine wichtige, systemändernde Neuerung in Kraft. Bis dahin erhielten die Stadtwerke den EEG-Strom tatsächlich physisch geliefert, sodass die großen Stromlieferanten (RWE, E.on, Vattenfall, EnBW etc.) auch faktisch weniger Strom an die Stadtwerke liefern konnten. Seit 2010 muss der EEG-Strom an der Börse verkauft werden, und das hat weitreichende Folgen: Seitdem beliefern die großen Konzerne, die ihre Energie hauptsächlich aus fossilen Energien beziehen, die Stadtwerke wieder ungehindert mit fossilem Strom, der EEG-Strom kommt zusätzlich auf den Markt, somit gibt es eine Überproduktion an Strom und der Strompreis an der Börse sinkt, teilweise unter Null. Vom sinkenden Strompreis profitieren die Großabnehmer und die Industrie, damit steigt aber die Differenz zu den Vergütungspreisen und somit die EEG-Umlage für die Verbraucher. Würde der Marktpreis an der Börse steigen, würde die EEG-Umlage sinken. Die erste Grafik auf S.14 zeigt, wie dieser Systemwechsel die EEG-Umlage in die Höhe getrieben hat.

Dieser Mechanismus fördert die Großverbraucher und die Netzbetreiber und er behindert zugleich den weiteren Ausbau der Erneuerbaren. Denn fossiler Strom wird dadurch nicht verdrängt, stattdessen wird der überschüssige Strom exportiert. Die Energiewende findet nicht statt.

Novelle 2012: Verdrängung der Kleinproduzenten

Am 1.Januar 2012 wurde der Ausbau der Erneuerbaren auch direkt gebremst, durch zwei Mechanismen:

Deckelung der Photovoltaik (PV): Das Gesamtausbauziel für die geförderte Photovoltaik (PV) wurde auf das Doppelte des damaligen Bestands gedeckelt. Damit blieb man weit unterhalb der Ausbaumöglichkeiten dieser Energieform, zudem wurde ihre Vergütung degressiv gestaltet.

Benachteiligung der Kleinproduzenten: Für Anlagen bis zu 1000 kW pro Jahr werden nur noch 90% der erzeugten Strommenge vergütet.

Novelle 2014: Ausschreibungen

Im Jahr 2014 folgte, unter Federführung von Wirtschaftsminister Gabriel, eine weitere Novelle, die eine Abkehr vom ursprünglichen Gesetz und seine Denaturierung darstellt. Durch vier Maßnahmen:

Weitere Deckelung gerade der kostengünstigsten und am stärksten wachsenden Erneuerbaren, nämlich Photovoltaik und Windkraft an Land.

Die Einführung einer Marktprämie: Anlagenbetreiber bekommen nun die Möglichkeit, ihrem Strom selbst bzw. über Dienstleister an der Börse zu vermarkten. Dafür bekommen sie zusätzlich zu den Erlösen an der Börse eine Marktprämie statt der Vergütung. Bürgerenergie-Akteure werden dadurch von hochspezialisierten Vermarktungsunternehmen abhängig und können sich noch schwerer behaupten.

Ausschreibungen: Ab 2017 wird nicht mehr jeder gefördert, der EE-Strom erzeugt. Wer gefördert wird, wird dann über Ausschreibungen ermittelt – dort haben aber nur große Anbieter eine Chance. Der Bürgerenergie droht das Aus. Sie kann in der Regel die einer Ausschreibung einhergehenden Kosten nicht tragen.

Der Einspeisevorrang für die Erneuerbaren wird ausgehebelt. Wenn es an der Börse zu Negativ-Strompreisen kommt, wird die Förderung ausgesetzt. Das bedeutet, dass bei hohen Überkapazitäten nicht die Kohle- und Atomkraftwerke, sondern die Erneuerbaren heruntergefahren werden müssen.

Künftig müssen auch Verbraucher von selbst erzeugtem Solarstrom bzw. von Strom aus Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen EEG-Umlage zahlen. Ihr Anteil soll bis 2017 40% der Einnahmen aus dem Solarstrom ausmachen. Ausnahmen gibt es nur für Kleinstanlagen unter 10 kW. Kohle- und Atomkraftwerke hingegen sind vom EEG befreit!

* Aus: Franz Garnreiter, Helmut Selinger: Die Energiewende im Würgegriff der Konzerne, isw-Report Nr.99, www.isw-muenchen.de.

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