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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 04/2015
von der SoZ-Redaktion

Die Präsidentin des griechischen Parlaments, Zoe Konstantopoulou, hat auf einer Pressekonferenz am 17.März 2015 die Einrichtung einer Kommission angekündigt, die die griechischen Staatsschulden prüfen soll.«Das Anliegen ist, alle illegalen oder illegitimen griechischen Staatsschulden ausfindig zu machen. Das griechische Volk hat das Recht zu verlangen, dass jedweder Teil der griechischen Schulden, der sich als illegal herausstellt, gestrichen wird», so die Parlamentspräsidentin. Schon wird Zoe Konstantopoulou von verschiedenen politischen Parteien (Nea Dimokratia, PASOK und To Potami) vorgeworfen, die Flamme der Zwietracht anzufachen.

Sie wird jedoch weitermachen: «Ein ganzes Volk wurde in die Knie gezwungen, und wir können nicht akzeptieren, dass wir einer solchen Propaganda ausgesetzt werden … Wir haben die Pflicht zu handeln, sonst belasten diese Schulden unsere zukünftigen Generationen.»

Auf der Pressekonferenz war auch Sofia Sakorafa von der Partei SYRIZA anwesend. Sie gehört dem Parlament seit 2014 an und ist in der Kommission für ein Schulden-Audit die Ansprechpartnerin für das Europaparlament. Sofia Sakorafa trat 2010 aus der PASOK aus, als Giorgos Papandreou das gemeinsam mit der Troika unterzeichnete Memorandum durchsetzte. 2011 initiierte sie zusammen mit anderen ein Komitee für ein Bürgeraudit über die griechischen Schulden (ELE).

An der Pressekonferenz nahmen zudem Giorgos Katrougalos, Minister für institutionelle Reformen, sowie Moisis Litsis, Sonia und Giorgos Mitralias und Leonidas Vatikiodis teil – allesamt Mitglieder des Komitees ELE. Insgesamt werden dreißig griechische und internationale Experten in der Kommission arbeiten. Weitere Namen werden Anfang April bekannt gegeben, wenn die Kommission erstmals zusammentritt.

Ziel und Untersuchungsgegenstand

Der wissenschaftliche Beirat der Kommission wird von Eric Toussaint koordiniert, dem Sprecher der Initiative für die Streichung der Schulden der Dritten Welt (CADTM). Toussaint war 2007–2008 schon Mitglied der ecuadorianischen Kommission für ein Schuldenaudit. Er meinte gegenüber der belgischen Finanzzeitung L’Echo: «Wir werden im Juni einen vorläufigen Bericht vorlegen, der sich vor allem mit den von der Troika behaupteten Schulden befasst; das gesamte Audit dauert jedoch vermutlich bis Dezember 2015.

Das Ziel der Kommission ist es, der griechischen Bevölkerung durch profunde Analysen den Charakter der Kredite aufzudecken, die Griechenland gegeben wurden. Das ist dringend, die Griechen werden nämlich stigmatisiert.»

Im genannten Interview präzisierte Toussaint, dass der deutsche Zwangskredit aus dem Zweiten Weltkrieg nicht zum Untersuchungsgegenstand der Kommission gehört: «Das ist nicht Teil unseres Arbeitsumfangs. Eine gesonderte Kommission des griechischen Parlaments wird diese sehr wichtige Frage bearbeiten. Unsere Kommission geht bis in die 90er Jahre zurück. Zunächst einmal werden wir uns auf den Zeitraum konzentrieren, der unmittelbar vor dem Eingreifen der Troika beginnt und bis heute reicht. In dieser Zeit wurden 80% der Schulden ausgehandelt, die Griechenland heute bezahlen soll.»

In einer zweiten Phase wird es um die Zeit unmittelbar vor Griechenlands Beitritt zur Eurozone und um die Bedingungen gehen, unter denen dieser stattfand. Bekannt ist die Frisierung der Staatskonten mit Hilfe von Goldman Sachs, es gibt aber auch die Sache mit den Verträgen, die Griechenland Ende der 90er Jahre mit Siemens geschlossen hat. Eine seriöse Studie schätzt die Bestechungsgelder, die Siemens für Aufträge gezahlt hat, auf 200 Millionen Euro. Auch die unvorhergesehene Verschuldung im Zuge der Olympischen Spiele will die Kommission unter die Lupe nehmen.

Auf keinen Fall will die Kommission für ein Schuldenaudit an Stelle der Regierung eine Entscheidung treffen. Sie untersucht die Schulden nur. Sie versucht die Frage zu beantworten, unter welchen Bedingungen Griechenland diese Kredite gegeben wurden: Geschah das auf legale Weise? Wurde dabei der Lissabon-Vertrag respektiert? Die griechische Verfassung? Hat der IWF im Einklang mit seinen eigenen Statuten gehandelt?

Das Schuldenaudit ist völlig im Einklang mit den EU-Richtlinien. Im Mai 2013 haben das Europaparlament und der Rat die Verordnung (EG) Nr.472 beschlossen, wonach Länder, die einem Strukturanpassungsprogram unterliegen, gehalten sind, ihre gesamte Schuld einem Audit zu unterziehen um zu erklären, warum die Schuld untragbar geworden ist. Eben das zu tun, hat das griechische Parlament gerade beschlossen.

Quelle: http://cadtm.org/

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