von Gerhard Klas
Der Umstieg auf eine klimaneutrale Produktions- und Lebensweise ist machbar. Dies aufzuzeigen ist das Anliegen des neues Buches von Naomi Klein.Die amerikanische Originalausgabe des neues Buchs der Globalisierungs- und Kapitalismuskritikerin Naomi Klein erschien rechtzeitig vor dem UN-Klimagipfel 2014 in New York. Und es dürfte zumindest etwas zu der überwältigenden Mobilisierung beigetragen haben, die mehr als 300000 Menschen auf die Straße brachte. Es war die größte Demonstration gegen den Klimawandel, die je stattgefunden hat. Von Menschen, die das Klima retten wollen und dies den Delegierten des UN-Gipfels allein offensichtlich nicht zutrauten.
Auch für Naomi Klein ist es längst zur traurigen Gewissheit geworden, dass die Sondergipfel der Vereinten Nationen wenig bis gar nichts zur Rettung des Planeten beitragen. Wie schon ihre Bücher No Logo und Schocktherapie, die sich kritisch mit dem globalen Konsum- und Wirtschaftsmodell beschäftigen und millionenmal verkauft wurden, will Naomi Klein auch mit ihrem neuen Buch über Kapitalismus und Klima wachrütteln.
Wer heute noch die menschengemachte Erwärmung des Weltklimas leugnet, der gehört zu den Nutznießern der fossilen Energiekonzerne. Das ist keine Verschwörungstheorie. Naomi Klein zeichnet gleich im ersten Kapitel die personellen Verbindungen und Geldflüsse nach, mit deren Hilfe solche Lügen in die Welt gesetzt werden. Diese Demontage fällt ihr nicht schwer, denn die Beweislage ist eindeutig.
Aber auch die Geoingenieure, die das Weltklima retten wollen, indem sie die Erde verdunkeln oder die Ozeane in gigantische Spiegelflächen verwandeln, sind in ihrer maßlosen Selbstüberschätzung dankbare Objekte der Kritik. Wirklich spannend wird es, wenn die Autorin der Frage nachgeht, warum so wenig getan wird, um den Klimawandel tatsächlich aufzuhalten – obwohl, wie sie zeigt, apokalyptische Szenarien drohen bzw. in einigen Regionen der Welt schon Alltag sind.
«Eine Krise dieser Größenordnung gab es bisher nur einmal in der Geschichte, nämlich als die Menschen im Kalten Krieg befürchteten, die Welt würde auf einen nuklearen Holocaust zusteuern», schreibt Naomi Klein. Damals scheuten die Regierungen allerdings kaum Mühen, diese unvorstellbare Zerstörung abzuwenden. Und selbst bei weniger gravierenden Krisen wie der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 standen auf einmal viele Milliarden Euro und US-Dollar bereit, um international operierende Banken vor dem selbstverschuldeten Zusammenbruch zu retten.
Es liegt also nicht an fehlenden Ressourcen, sondern am politischen Willen, diese entsprechend einzusetzen. Denn die notwendigen Schritte, darauf weist Naomi Klein unermüdlich hin, laufen auf die «Auslöschung der reichsten und mächtigsten Industrie, die es jemals auf der Welt gegeben hat [hinaus]: der Öl und Gasindustrie». Mit anderen Worten: der treibenden Kraft des Industriekapitalismus in den vergangenen 200 Jahren.
Der Realismus der Utopie
In der zweiten Hälfte des Buches, in der sie sich mit Alternativen beschäftigt, läuft Naomi Klein zur Hochform auf. Sie beschreibt nicht nur längst entwickelte klimafreundliche Ansätze in der Energie- und Verkehrspolitik, sie hat auch überall auf der Welt Orte besucht, an denen Menschen gegen die Förderung fossiler Energieträger Widerstand leisten. Nicht auf die offiziellen Klimaverhandlungen, sondern auf die Vernetzung eben dieser Kämpfe setzt die Globalisierungskritikerin, um das ansonsten unvermeidliche Desaster noch aufzuhalten.
Das mag für einige abgeklärte Geister naiv klingen, entspringt aber einem kompromisslosen Realitätssinn der Autorin, der Regierungen und wirtschaftlichen Eliten längst abhanden gekommen ist: «Um die von der Wissenschaft gesetzten Ziele zu erreichen, müssen einige der gewinnträchtigsten Konzerne des Planeten gezwungen werden, auf künftige Erträge in Billionenhöhe zu verzichten und den Großteil der nachgewiesenen fossilen Brennstoffe im Boden zu lassen», so Klein.
Wer wirklich gegen den Klimawandel vorgehen will, das macht Naomi Klein immer wieder deutlich, der muss den Kapitalismus selbst in Frage stellen. Er muss Alternativen jenseits des unendlichen Wachstums denken und das Verhältnis zur Natur neu definieren. Naomi Kleins Umkehrschluss ist logisch: Jeder Kampf, der den Kapitalismus schwächt, nützt heute dem Weltklima. Womit sie nicht sagt, dass dann alles gut wäre: Sie kritisiert auch den «linken Extraktivismus» und den ungebrochenen Glauben vieler «Linker» an das fortwährende Wirtschaftswachstum in den Metropolen.
Und wer jetzt denkt, angesichts der Machtverhältnisse auf diesem Globus sei die von Klein skizzierte «andere Welt» pure Utopie und man könne nur den Kopf in den Sand stecken: Die akribisch recherchierte und mit viel Einfühlungsvermögen geschriebene Kampfschrift hat das Zeug, längst resignierte Zeitgenossinnen und -genossen wachzurütteln.
Naomi Klein wird am 10.April um 20 Uhr das Grußwort zur Internationalen Klimaaktionskonferenz 2015 halten.
* Naomi Klein: Die Entscheidung: Kapitalismus vs. Klima. Frankfurt a.M.: S.Fischer, 2015. 704 S., 24,99 Euro
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