von Helmut Born
Am 16.Februar begann mit den ersten Verhandlungen die diesjährige Tarifrunde im öffentlichen Dienst der Bundesländer. Anders als in den letzten Jahren wird diese Tarifrunde wohl eine längere Auseinandersetzung.
Zu eindeutig haben sich die Arbeitgeber – der Zusammenschluss der Landesregierungen – festgelegt: Ab 2020 soll dank der Schuldenbremse auch für die Bundesländer eine Kreditaufnahme, außer in genau definierten Ausnahmefällen, nicht mehr möglich sein. Die Landesregierungen fahren schon heute einen Sparkurs und drohen unverhohlen mit dem Abbau von Stellen, wenn es keinen moderaten Abschluss geben sollte. Vor allem aber wollen sie eine Absenkung der Rentenzahlungen der Länder aus der Zusatzversorgung (Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder – VBL), alternativ dazu höhere Beiträge der Beschäftigten.
Dabei haben die Gewerkschaften im öffentlichen Dienst (GEW, Ver.di, DBB, GdP) schon deutlich gemacht, dass sie sich von den Vorgaben der Politik nicht beeindrucken lassen. Sie wollen nicht, dass die Beschäftigten von der Einkommensentwicklung abgekoppelt und zu Opfern der Schuldenbremse werden.
Das Forderungspaket, das sie geschnürt haben, spricht eine andere Sprache, wenn auch keine radikale:
– Erhöhung der Einkommen um 5,5%, mindestens 175 Euro;
– Erhöhung der Ausbildungsvergütung um 100 Euro;
– 30 Tage Urlaub auch für Azubis;
– Ausschluss sachgrundloser Befristung von Arbeitsverträgen;
– Erhöhung der Nachtarbeitszuschläge in Krankenhäusern auf 20%;
– Übertragung des Ergebnisses auf Beamtinnen und Beamte.
Darüber hinaus hat die GEW eine seit 2006 unerfüllte Forderung erneut aufgestellt:
– Gleiche Bezahlung der angestellten Lehrkräfte wie ihre verbeamteten Kolleginnen und Kollegen. Die Einkommensdifferenz zwischen den Lehrkräften beträgt in Nordrhein-Westfalen etwa 500 Euro netto. Für die gleiche Arbeit bekommen die angestellten Lehrkräfte in den Schulen also rund 20% weniger Geld. Bis heute ist es nicht gelungen, die angestellten Lehrkräfte in den Tarifvertrag einzubinden. Jede Landesregierung entscheidet nach Gutdünken, wie sie bezahlt werden.
Stunk…
Die Forderungen sind berechtigt: Seit dem Jahr 2000 hinken die Einkommen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst um 3% hinter der allgemeinen Einkommensentwicklung hinterher. Dabei sind die Steuereinnahmen in den letzten Jahren stetig gestiegen, was sich auch in den Landeshaushalten bemerkbar macht.
Seit Anfang März machen die Gewerkschaften nun mit ganztägigen Warnstreiks Druck auf die Verhandlungen. Die Beteiligung an den landesweiten Aktionstagen liegt weit über den Erwartungen. Am 12.März nahmen allein in Düsseldorf an der landesweiten Demonstration und Kundgebung über 20000 Beschäftigte teil.
Die gute Mobilisierung verdankt sich vor allem den Forderungen für die Auszubildenden und dem provokativen Ruf der Arbeitgeber nach Senkung der Zahlungen aus der VBL. Bei den Beschäftigten hat sich herumgesprochen, dass die VBL für ihre Rente sehr wichtig ist, weil die gesetzliche Rente durch den Riester- und den Nachhaltigkeitsfaktor weiter sinken wird.
…und Brass auf die SPD
Die Auseinandersetzung findet in einer Zeit statt, wo wir mehrheitlich SPD-geführte Landesregierungen haben. Die harte Haltung wird also hervorgerufen durch eine starke SPD-Dominanz in den Bundesländern, was leicht wieder zu einer Entfremdung der Gewerkschaftsführungen von der SPD führen kann. So gibt es in NRW bei Ver.di und beim DGB eine tiefe Enttäuschung über die SPD/Grüne-Landesregierung, allein schon deswegen, weil es kaum Gesprächstermine mit ihr gibt. Dabei ist die letzte Tarifrunde 2013 noch nicht vergessen, als die Landesregierung sich weigerte, das Tarifergebnis auf die Beamten zu übertragen.
Dass die SPD häufig die härteste Haltung beim Lohnabbau und beim Schleifen sozialer Errungenschaften einnimmt, haben wir in den letzten zwanzig Jahren häufig genug erfahren. Die Einführung der Schuldenbremse wurde zuallererst von der SPD propagiert. Das sie auch die Drecksarbeit übernimmt, sie gegen die Interessen der Beschäftigten durchzusetzen, ist da nur die logische Konsequenz.
Es gibt gute Gründe, den Kampf der Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu unterstützen – egal, ob es sich um eine gute Lohnerhöhung, gleichen Urlaub für Azubis, die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung oder gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit bei den Lehrkräften handelt. Alle Forderungen gehen in die richtige Richtung. Sollten die Arbeitgeber bei ihrer harten Haltung bleiben, könnte es durchaus sein, dass wir nach langer Zeit wieder einen unbefristeten Streik im Bereich der Länder bekommen.
Dabei muss der Kampf für die Durchsetzung der Tarifforderungen mit dem Kampf gegen das Tarifeinheitsgesetz der Bundesregierung verbunden werden. Zumal ja hier die Hauptgegner des Gesetzes sozusagen Schulter an Schulter kämpfen: Ver.di, DBB und GEW.
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