von Guillermo Almeyra
Auf dem Amerika-Gipfel in Panama (8.–10.4.) hat Obama zugegeben, dass 53 Jahre Sanktionspolitik gegenüber der kubanischen Revolution gescheitert sind, und die Normalisierung der politischen Beziehungen zwischen Kuba und den USA in Aussicht gestellt.
Die Reise nach Panama zum «Gipfel der Amerikas» trat Barack Obama als im voraus Geschlagener an, bereit, eine Welle von Protesten und Forderungen über sich ergehen zu lassen. Schon vor seiner Abreise hatte er versucht, Drohungen gegenüber Venezuela zu relativieren, womit er die Schwäche seiner Position enthüllte und doch gleichzeitig die Kritik nahezu aller lateinamerikanischen Regierungen – allen voran Kuba, Ecuador, Venezuela und Argentinien – auf sich zog. Sogar auf einem Treffen wie diesem, bei dem sich Regierungen versammeln, die selten der Ausdruck dessen sind, was die jeweiligen Bevölkerungen denken, war das Kräfteverhältnis für die USA ungünstig, ihre Vorschläge und Initiativen erhielten keine Zustimmung und fielen bei der Abstimmung durch.
Obama musste auf der Anklagebank Platz nehmen und Ströme von Kritik erdulden, die sich auf die ältere wie auf jüngere Geschichte der Region bezogen. Er wurde z.B. daran erinnert, dass ohne den Drogenkonsum der USA der Drogenhandel nicht so ein Problem wäre; dass die Waffen in der Hand von Kriminellen aus den USA kommen; dass in den USA das Geld gewaschen wird, das aus dieser kriminellen Aktivität herrührt und fast ein Drittel des weltweiten Finanzkapitals ausmacht.
Vom ersten Amerikagipfel 1994, der von Bill Clinton einberufen wurde und den Zweck verfolgte, ein Freihandelsabkommen zu schließen, das von Kanada bis Feuerland reichen sollte, bis zum diesjährigen Gipfel in Panama hat sich das politische und diplomatische Kräfteverhältnis zwischen den USA und ihrem ehemaligen «Hinterhof» alles in allem zuungunsten Washingtons verschlechtert. Venezuela ist, wenngleich mit Schwierigkeiten, weiterhin chavistisch; Kuba hat trotz allem dem Embargo widerstanden und die USA gezwungen, ihre Taktik zu ändern; Bolivien und Ecuador haben weiterhin antiimperialistische Regierungen, und zwei der drei größten Länder Lateinamerikas (Brasilien und Argentinien, im Unterschied zum gefügigen Mexiko) sind trotz ihrer politischen Krisen und Schwierigkeiten keine Verbündete des US State Department.
Diese Krise der US-Hegemonie ist verschiedenen Faktoren geschuldet. In erster Linie den Massenmobilisierungen, die bis vor kurzem den nationalistischen, «progressiven», eine soziale Verteilungspolitik vertretenden Regierungen Auftrieb verschafften. In zweiter Linie der Tatsache, dass nordamerikanische und europäische Investitionen durch chinesische und auch russische ersetzt wurden – besonders in Schlüsselsektoren wie Energie, Verkehr, Infrastruktur (Straßen, Häfen, der transozeanische Kanal in Nikaragua) und Rüstung. Und schließlich der Entschlossenheit und dem Mut einiger Regierungen (von Kuba, Venezuela, Ecuador, Bolivien, zum Teil auch Argentinien und Brasilien), die sich nicht von der Allianz lokaler Oligarchien mit Washington ausbooten lassen wollen.
Diese Krise hat aber auch andere Gründe: etwa die moralische und politische Krise, die der weiße Rassismus und das straffreie Morden der Polizei in den USA auslöst; die Niederlagen der US-Politik in Libyen, im Nahen Osten und in Afghanistan; die zunehmend rassistische und kolonialistische Politik des Staates Israel; die Niederlage des Westens in der Ukraine und die Stärkung der Achse Moskau–Peking; die Differenzen mit den europäischen Verbündeten, die bereit sind, mit Russland zu verhandeln, und die verzweifelt versuchen, einen Teil des chinesischen Mannas zu erhaschen, bis dahin, dass sie nicht mehr auf die Mahnungen aus Washington hören und sich der von China eingerichteten Asiatischen Bank für die Entwicklung der Infrastruktur angeschlossen haben, der sogar Südkorea beigetreten ist…
Die schwache wirtschaftliche Erholung der Europäischen Union, das tendenzielle Sinken der US-Erdölproduktion und die Bindung von Finanzmitteln Saudi-Arabiens für seinen Krieg im Jemen, aber auch für pharaonischen Projekte wie die Meerwasserentsalzung zugunsten der eigenen Landwirtschaft und neuer Wüstenstädte treiben den Ölpreis wieder in die Höhe – mit positiven Folgen für Russland, Brasilien, Ecuador, Bolivien und Venezuela, was den Widerstand dieser Regierungen fördert.
Europa dringt zunehmend in den Binnenmarkt der USA, was den Euro abwertet und die Importe senkt. Gleichzeitig ziehen die Niederlande und Deutschland ihr Gold aus den USA ab, um sich auf eine Weltwährungspolitik mit verschiedenen Referenzwährungen vorzubereiten, während China mit Russland und Asien bereits Handel in der eigenen Währung treibt und der US-Dollar nach und nach sein jahrzehntelanges Monopol als Weltwährung verliert. Die USA sind weiterhin die führende Militär- und Finanzmacht der Welt, aber sie verlieren an Geschwindigkeit, und das Scheitern ihrer kolonialistischen Politik befördert den Verfall ihrer Hegemonie.
Deshalb verkörperte Obama in Panama eine kranke und niedergehende Macht – nach dem Modell Englands in den 30er Jahren. Selbst der servilen Regierung von Peña Nieto in Mexiko, die voll und ganz auf diesen lahmen Gaul setzt, ist es nicht gelungen, zu der Welle lateinamerikanischer Proteste sehr auf Abstand zu gehen. Diese aber wäre nicht begreiflich ohne die Veränderung des Kräfteverhältnisses zwischen den Bevölkerungen (in geringerem Maße den Regierungen) und dem Kaiser, der halbnackt nach Panama kam.
Guillermo Almeyra ist gebürtiger Argentinier. Er lehrt zeitgenössische Politik an der Universität Mexiko und schreibt regelmäßig für die Tageszeitung La Jornada.
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