Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 05/2015
Regie: Oliver Hirschbiegel
von Angela Huemer

Ein junger Mann arbeitet fieberhaft, er deponiert ein komplex aussehendes Gebilde – es sieht aus wie ein Uhrwerk in einer Säule des Münchener Bürgerbräukellers. Dieser ist feierlich geschmückt, bald wird er eine NS-Veranstaltung samt Führer beherbergen. Das Uhrwerk ist eine tickende Bombe, als die Veranstaltung beginnt, ist Elser schon weg. Als die Bombe explodiert, ist hingegen der, dem der Anschlag galt, nicht mehr da. Hitler verließ die Veranstaltung wenige Minuten früher als geplant, um einen Zug nach Berlin zu erreichen. Acht Menschen kommen ums Leben.
Es ist Nacht in Konstanz, an der Schweizer Grenze. Georg Elser, der früher einmal in Konstanz gelebt hat, wird beim Versuch, in die Schweiz zu gelangen, verhaftet. Bald wird er als Urheber des Attentats identifiziert. Die Verhöre sind sehr lang und sehr grausam. Der Film zeigt sie auch in all ihrer Grausamkeit. Zartbesaitete Kinobesucher seien hier gewarnt. Doch es ist auch gut, die Grausamkeit vor Augen geführt zu bekommen. Trotz des massiven Drucks, der auf ihn ausgeübt wird, schweigt Elser zunächst, erst als man ihm droht, seinen Liebsten – seiner Familie und seiner Verlobten – etwas anzutun, gesteht er. Doch die NS-Schergen sind nicht zufrieden damit, denn man will, man kann nicht glauben, dass er die Tat allein geplant, die Bombe selber gebaut und trotz seiner Nähe zur Kommunistischen Partei und widerständigen Gruppen aus ganz persönlichem Antrieb gehandelt hat. Seine Familie und Verlobte hatte er nicht eingeweiht, um sie zu schützen.
Oliver Hirschbiegels Film ist nicht der erste Spielfilm über Elser, schon 1989 verkörperte Klaus Maria Brandauer in seinem Regiedebut Georg Elser – Einer aus Deutschland den Hitler-Attentäter. Auf der Internetseite des Georg-Elser-Arbeitskreises ist die Liste der vorhandenen Bücher und Filme beeindruckend – fast vermag man nicht zu verstehen, dass Elser dennoch bislang eine breitere Bekanntheit nicht zuteil geworden ist. (Die Seite ist auch wunderbar geeignet, weiterführendes Material zu finden, was sich sehr lohnt.)
In Hirschbiegels Film verkörpert der Schauspieler Christian Friedel Elser auf beeindruckende Weise. Ebenso eindrucksvoll sind die schauspielerischen Leistungen von Johann von Bülow als Gestapochef Heinrich Müller und insbesonders Burghart Klaußner als Arthur Nebe, Chef der Kriminalpolizei, dessen spätere Wandlung sich schon hier in manchen Momenten erahnen lässt.
Die schwer auszuhaltenden Szenen der Folterungen gehen über in Rückblenden, in eine schöne, fast idyllisch anmutende Welt. Elser war ein lebensfroher Mann, ein tüchtiger Schreiner und arbeitete u.a. für einen Uhrmacher – das Uhrwerk, das ihm sein Arbeitgeber zum Abschied gab, war die Basis für die Bombe. Elser kommt von der Schwäbischen Alb, eine schöne, sehr deutsche Gegend, streckenweise hat der Film die Ästhetik eines Heimatfilms – eine Heimat, die auf perfide Weise immer mehr von den Nazis kontaminiert und von innen heraus zerstört wird. Elser hält das nicht aus und handelt.
Im Gegensatz zum Brandauer-Film meint der Drehbuchautor Fred Breinersdorfer: Während Brandauer zeigte, wie Elser die Bombe baute, zeigt dieser Film, warum er es tat. Er mag recht haben.

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