von Manuel Kellner
Man glaubt, man ist im falschen Film. Für den 25.April rief die IG Bergbau-Chemie-Energie (BCE) zu einer Demonstration «Gegen den sozialen Blackout ganzer Regionen» in Berlin auf. «100.000 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Nicht mit uns.» Zwei Jahre zuvor, am 22.Mai 2013, hatte die IG BCE 5000 Leute zu einer Demonstration in Cottbus «für den Erhalt der Braunkohleförderung» verführt.
Das alles, weil Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) eine bescheidene Kurskorrektur angekündigt hat: Um die – EU-weit abgestimmten – Klimaziele der Bundesregierung wenigstens annähernd zu erreichen, sollen besonders klimaschädliche Kohlekraftwerke ab 2017 mit einer höheren Abgabe belastet werden.
Schon einmal gaben sich Gewerkschaftsführungen dafür her, für die Interessen der Energiekonzerne zu demonstrieren. Das war 1978, als Atomkraftgegner landauf, landab beschimpft wurden, mit ihnen würden «die Lichter ausgehen». Damals trommelte die IG Chemie zu einer Großkundgebung im Dortmunder Stadion Rote Erde – die Kollegen wurden dafür bezahlt.
In kaum einer anderen Branche ist der Filz von Unternehmensleitungen, Gewerkschaften und Betriebsräten so eng wie in der Energiewirtschaft. Vor annähernd 40 Jahren mobilisierte der so zusammengesetzte «Aktionskreis Energie» für Atomkraftwerke. Mutige Gewerkschafter gründeten einen Aktionskreis Leben (AKL), stellten sich der Kampagne entgegen und prangerten den «Atomfilz» an.
Es wäre an der Zeit, jetzt den noch viel hartnäckigeren Kohlefilz anzuprangern. Auch Frank Bsirske hat sich ja in einer öffentlichen Erklärung gegen Gabriels Klimaschutzabgabe gestellt. Er ist nicht nur Vorsitzender der Gewerkschaft Ver.di, sondern auch Aufsichtsratsmitglied des Energieoligopolisten und Deutschlands größten Klimaverschmutzers RWE – ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Viele Ver.di-Mitglieder und auch viele Mitglieder anderer DGB-Gewerkschaften wehren sich gegen das Ausspielen des Arbeitsplatzarguments gegen die laut Weltklimarat unabdingbaren Klimaziele. Denn diese Argumentation kann genauso dazu herhalten, für die Aufrechterhaltung oder gar Ausweitung der Rüstungsproduktion und des Rüstungsexports einzutreten. Zum selben Termin hat deswegen im Rheinland ein breites Bündnis die Bildung einer Menschenkette für den Ausstieg aus der Braunkohle angesetzt.
Der Kampf für das ökologisch Gebotene muss mit einem wirtschaftlichen Umbauplan verbunden werden, der neue Arbeitsplätze in gesellschaftlich sinnvollen Bereichen schafft. Dazu braucht es nicht nur allgemein in der Gesellschaft, sondern gerade auch unter den Beschäftigten im Energiesektor eine breite Debatte darüber, wie die Energiewende rasch, effizient und sozial gerecht gestaltet werden kann. Gerade die Gewerkschaftsbewegung ist dazu aufgerufen – in enger Zusammenarbeit mit der Umwelt- und Klimaschutzbewegung und den Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben der Energiewirtschaft.
Es ist richtig, dass sich unser Konsumverhalten ändern muss. Aber wie der Mensch mit der Natur umgeht, entscheidet sich letztlich in der Art und Weise, wie er die Produktion organisiert. Deshalb ist das Engagement der Beschäftigten so wichtig. Dazu gehören Diskussionen am Arbeitsplatz über Konversion, über die Frage, was und wie im Sinne der menschlichen Bedürfnisse und der ökologischen Verantwortlichkeit produziert werden sollte. Dann verbindet sich die Verwirklichung der Klimaziele mit dem Interesse an guten und gut bezahlten Arbeitsplätzen.
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