Präsidentschaftswahlen und die Linke
Von 1750 Lesern des Internetportals LEWICA sprechen sich vor der Stichwahl 56% für Duda (PiS) und 15,2 % für den amtierenden Präsidenten Komorowski aus, die wollen nicht zur Wahl gehen oder geben eine ungültige Stimme ab.
Für die Linken war die erste Runde der Präsidentschaftswahlen ein Fiasko. Die Kandidatin der SLD bekam 2,4% der Stimmen und Palikot, der wie der Rattenfänger von Hameln linke Parteien und Gruppierungen an sich zog, bekam 1,5%. Neben den Ergebnissen der PiS und PO Kandidaten erzielte der „patriotische“ Sänger Kuzik 20,3%.
Bei der zweiten Runde waren dann sogar 56% zur Wahl gegangen. Eindeutig hat mit 53 % Andrzej Duda von der rechtskonservativen PiS – Recht und Gerechtigkeit - gewonnen. Die Internetseite www.lewica.pl, die sonst etwas Zeit braucht zur Verbreitung von Nachrichten, ließ noch am gleichen Abend verlauten:
„Willkommen im neuen Polen. Gehen wir gemeinsam an die Arbeit, um unsere Welt zu verbessern. Präsidenten Duda hat bewiesen, dass mansch die Hoffnung nicht aufgeben soll, auch wenn zu Beginn die Situation aussichtslos erscheint.“
Die Gewerkschaft August 80 nimmt den designierten Präsidenten beim Wort, dass er für alle gesellschaftlichen Kräfte – auch für die, die nicht seinem Lager angehören, offene Türen hätte und bietet ein Gespräch an. Dabei werden als wichtigste Probleme die Erhöhung des Rentenalters, der Mindestlohn, Schrottverträge und die Situation im Kohlebergbau genannt. (wzz.org.pl 26.5.2015)
Welches Übel ist geringer für linke Wähler? www.Krytykapolityczna.pl 20.05.2015
Zu dieser Frage wird Michal Syska vom Lassalle – Zentrum vor der Stichwahl in dem Internetportal befragt.
Die augenblickliche Situation ist ein Dilemma für linke Wähler. Von Komorowski als Präsident ist zu erwarten, dass er das Übereinkommen des Europarats zur „Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ unterzeichnen wird und auch nicht das Projekt der Regierung „in vitro“ stoppen wird. Von Duda, dem Kadidaten der PiS, ist das Gegenteil zu erwarten. Jedoch gehört auf der anderen Seite PiS und Duda nicht zu den Nutznießern der letzten 25 Jahre und sie kritisieren die Formen der Transformation. So sind sie auch gegen die Privatisierung der Kliniken und der Rentenkassen. Aber sie gehören zu den religiösen Fundamentalisten. Die PiS gibt sich in der Rhetorik sozial. Wenn jedoch die Praxis während ihrer Regierungsverantwortung ins Auge genommen wird, so ist festzustellen, dass sie eine Steuer einführten, die de facto eine lineare Steuer ist.
Der nationalpopulistische Rock-Sänger Pawel Kukiz errang über 20% der Stimmen bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen. Dafür die nominellen Linken Magdalena Ogorek für die SLD und Janusz Palikot hatten gemeinsam nicht einmal 4%! Das ist aber nicht verwunderlich, denn linke Wähler konnten bei beiden Kandidaten keine linken Positionen entdecken – ihre Lösungen suchen diese beiden Kandidaten eher durch die Unternehmen. Von Palikot war nichts anderes zu erwarten. Eher wäre zu erwarten, dass die SLD sich auf ihre Wurzeln und ihr ehemaliges Wählerpotenzial besinnt. Zudem gab es während der Wahlkampagne genügend Proteste im öffentlichen Dienst, auf deren Seite sie sich hätten stellen können. Erwähnt seien nur die Krankenschwestern, bei denen faktisch tagtäglich in irgendeiner Stadt Protestkundgebungen stattfanden. Schließlich geht es bei dem Protest der Krankenschwestern um die Verbesserung unserer Gesundheitsvorsorge, bei den Lehrern um die Verbesserung der Bildung. Kein Kandidat nahm sich der Sache an!
Zum Schluss tut der Befragte seine Überzeugung kund, dass Leszek Miller derjenige sei, der einer Linken das Gesicht gibt, ja er sei die einzige Person, der der Linken ein Gesicht geben könnte.
Vielleicht liegt die Einschätzung eher an einigen Wegen und eigenen Einstellungen des Michal Syska- Miller als Galionsfigur? Seine Landsleute haben doch nicht vergessen, dass er Soldaten in den Irak sandte, der Staat jetzt 130.000 Euro an Gefangene der CIA zahlen muss, die in Polen interniert und gefoltert wurden! Seine politische Karriere: https://de.wikipedia.org/wiki/Leszek_Miller
„Gemeinsam“ - packen wir es www.krytykapolityczna.pl 19.05.2015
Eine andere Politik ist möglich und ein neues linkes Bündnis ist entstanden „razem“ –gemeinsam. Dazu haben sie am 17. Mai 2015 eine erste programmatische Bekanntmachung abgegeben, die als Diskussionsgrundlage dient. Im Januar kam es zu der Idee die außerparlamentarische Linke zusammen zu bringen. Dazu wurde ein offener Brief verfasst, den spontan fast 2000 Menschen unterschrieben haben. Bei den Treffen in verschiedenen Regionen Polens kam der Wunsch zum Ausdruck eine neue linke Partei zu gründen. Die Menschen hatten genug davon, dass sich unterschiedliche Parteien LINKS auf ihre Schilder schrieben und dann im Parlament nichts mehr davon sichtbar wurde, sondern da waren unter ihnen linke und rechte, liberale und neoliberale Vertreter. Es gibt die „Jungen Sozialisten“, die nach einer Entsprechung suchen, wenn sie älter werden, es gibt die „Bewegung der Sozialen Gerechtigkeit“ und es gibt die „Grünen“. Letztere sind zwar potentielle Partner, im Focus haben sie die wichtigen ökologischen Fragen, aber die soziale und wirtschaftlichen Fragen kommen bei ihnen zu kurz. Bisher hatten die Menschen, für die die Fragen der sozialen Gerechtigkeit wichtig sind, keinen Ansprechpartner, keinen Kandidaten für den sie stimmen wollten. Palikot, an den sich linke Parteien und Gruppierungen anschlossen, der mit Links nichts zu tun hat, hat die sozialen Versprechungen überhaupt nicht beachtet.
razem will eine Politik, die gerechter das Nationaleinkommen verteilt, die Schrottverträge liquidiert, den Anteil der Löhne am BIP erhöht, um sozialen Wohnungsbau und um eine bessere Qualität der öffentlichen Dienste kämpft.
Das vorläufige Programm von razem (www.partiarazem.pl) beinhaltet folgende Punkte:
- Der Staat auf Seite der Arbeiterinnen und Arbeiter
- Gerechte Steuern für alle
- Der Staat baut Wohnungen
- Dienst an der Gesundheit und nicht am Profit
- Verbindung von Kultur und Bildung
Ende der Teilung Polens auf A und B
Eine andere Politik ist möglich
- Ein echter Sozialstaat
- Ein aktiver innovativer Staat
Auch in Berlin will bald eine Regionalgruppe polnischer Bürger zusammen kommen, soweit es zeitlich möglich und möglich will ich darüber berichten.
Erster Parteikongress „razem“ www.lewica.pl 27.05.2015
Nachdem am 16./17. Mai der erste Parteikongress in Warschau stattfand ist die Anzahl der Fans auf Facebook um das doppelte – auf 14 Tausend - innerhalb von 10 Tagen gestiegen. An dem Kongress haben 200 Delegierte teilgenommen, die 1700 Personen repräsentieren, die ihre Bereitschaft zur Bildung einer neuen Partei erklärt haben. Dabei handelt es sich zumeist um junge Leute, die bei den Jungen Sozialisten, den Grünen und bei städtischen Bewegungen aktiv waren. Sie alle wollen eine authentische linke Partei und mit ihr im Herbst zu den Wahlen einen ersten Versuch starten und in der Perspektive den Aufbau einer linken Partei jenseits der SLD und der Palikot –„Deine Bewegung“, jedoch mit den Grünen und der Bewegung für Soziale Gerechtigkeit zusammenarbeiten.
Die Normen steigen, die Löhne stagnieren! Ändern wir das!
400 Amazon -Arbeiter Polens unterschreiben Petition
Am 15. Mai übergab die bei Amazon tätige Gewerkschaft Inicjatywa Pracownicza dem Generaldirektor des Betriebs in Sady eine Petition gegen die übermäßige Steigerung der Produktivitätsnormen. Initiatorinnen der Aktion waren Arbeiterinnen aus der Versandabteilung, danach wurde sie von der Inicjatywa Pracownicza unterstützt. Die Petition wurde von 402 Personen unterschrieben, obwohl sie nur eine einzige Woche in der Nachtschicht herumging. Die große Zahl von Unterschriften und die schnelle Mobilisierung zeigen, dass die Arbeiter immer unzufriedener mit den steigenden Normen und den stagnierenden Löhnen ist (u.a. gibt es keine Lohnerhöhungen nach dem Ende der Probezeit und der Übernahme in unbefristete Verträge).
Dies ist ein deutliches Signal an die Firma, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter bei Amazon nicht passiv bleiben, wenn die von der Firma versprochene regionale Lohnübersicht mit einem Einfrieren der Löhne oder einer geringen, für die Belegschaft nicht zufriedenstellenden Lohnerhöhung endet.
Die Gewerkschaft Inicjatywa Pracownicza erwartet:
- Schluss mit der Erhöhung der Produktivitätsnormen;
- Schluss mit der Belastung eines Arbeiters durch Aufgaben, die vorher von mehreren Personen ausgeführt wurden, in Abteilungen, wo keine Normen bestehen;
- die Festlegung von klaren und festen Normen und deren Offenlegung gegenüber den Arbeitern;
- die Festlegung der Normen auf Basis der durchschnittlichen Produktivität statt auf Basis der Leistung der produktivsten Mitarbeiter;
- Beratung der Normen mit der Belegschaft;
- Ausgleich der bisherigen Normerhöhungen durch Lohnerhöhungen;
- Wir sind nicht einverstanden mit Entlassungen wegen Nichterreichen der Normen.
OZZ Inicjatywa Pracownicza bei Amazon (Gewerkschaft Arbeiter Initiative)
Pozna?, 15. Mai 2015 (siehe auch ihre Zeitung in Deutsch – Anhang zur E-Mail)
Endlich zahlt das Landratsamt ausstehende Löhne? www.ozzip.pl 19.02.2015
Seit über 7 Jahren kämpfen die Beschäftigten der ehemaligen städtischen Klinik in Kostrzyn um die Zahlung ihrer ausstehenden Löhne. Die zuständigen kommunalen Behörden ließen sich nicht einmal dazu erweichen todkranken ehemaligen Mitarbeiterinnen entgegenzukommen. Die Vertreterinnen der Gewerkschaft Arbeiter Initiative trafen sich mit der neuen Landrätin Malgorzata Domagala. Sie versprach bis Ende Juni die ausstehende Löhne mit Zinsen auszuzahlen. Die Landrätin nimmt dazu einen Kredit von 50 Mill. Zloty beim Finanzministerium auf. Die ersten Zahlungen erfolgten bereits im April. Zuvor hatten lediglich 12 von 340 Beschäftigten ihre zustehenden Löhne erhalten.
Tag des Prekariat 23. Mai in Warschau www.ozzip.pl 27.05.2015
Hunderte demonstrierten durch die Strassen Warschaus mit Parolen wie: „Wie wollen nicht elastisch sein“; „Arbeit auf Zeit – Ausbeutung immer“; „Kämpfe, protestiere, leiste Widerstand!“ Die Gewerkschaft Arbeiter Initiative hatte zu den Protesten anlässlich des Tages des Prekariat aufgerufen. Über 5 Millionen Beschäftigte in Polen leben unter den Verhältnissen von Schrottverträgen – damit sind sie nicht sozial abgesichert – weder bei Krankheit, Rente oder Urlaub. Die Beschäftigten auf Zeit leben in instabilen Verhältnissen – gerade junge Leute können keine Zukunft oder Familie planen. Der Protest begann am Ministerium für Arbeit und Soziales. Der Warschauer Revolutionäre Chor „Warszawianka“ sang Lieder aus der Zeit der Revolution 1905 und den britischen Streiks der Bergarbeiter aus den achtziger Jahren des 20. Jh. Jaroslaw Urbanski erinnerte in seiner Rede an die Aussagen der Regierung beim Eintritt in die EU, dass die Polen schwerer und für weniger Geld arbeiten werden. Anschließend ergriffen das Wort Vertreter der Beschäftigten bei Amazon Polen und Deutschland. Ein Vertreter aus Italien machte darauf aufmerksam, dass prekäre Arbeitsverhältnisse ein globales Problem ist. Ein Journalist betonte, dass auch die Mitarbeiter in den Medien davon betroffen seien, er sei schon seit 15 Jahren in prekären Arbeitsverhältnissen. Dies sei auch bezüglich vieler Beschäftigter in Kultur und Bildung der Fall, aber auch in den Universitäten und bei den Studenten der Fall. Aber auch im dritten Sektor seien, so Vertreter von NGO’s, die Arbeitsverträge unwürdig, weil oft sie in Konkurrenz zueinander stehen. Aber es gehe nicht an für Menschenrechte einzutreten und die Rechte der Beschäftigten zu missachten. Immer wieder wurde betont, dass ein Kampf der Beschäftigten notwendig sei, weil die Regierungen – außer vor Wahlen – sich niemals um die Belange der Beschäftigten oder die Nöte der Bürger gekümmert haben.
1,3 Millionen junger Polen wollen ins Ausland kurier zwi?kowy 416- 6. Mai 2015
In diesem Jahr soll die Zahl der polnischen Arbeitsmigranten auf 3 Millionen anwachsen. Seit einem halben Jahr hat der ehemalige Premier Donald Tusk im Ausland einen gut bezahlten Job. Der gleiche, der versprach, dass die Migranten bald zurückkehren werden, weil sich ihnen in Polen die Arbeit lohnen wird. Aber immer mehr verlassen Polen, in diesem Jahr sollen es 1,3 Millionen werden. Sie wollen eine Perspektive, eine bezahlten Job und eine Wohnung, um eine Familie gründen zu können. Einen empörten Brief schrieb die polnische Regierung an die deutsche, als diese den Mindestlohn von 8,50 Euro auch für ausländische Arbeiter in Deutschland vorschrieb. Eine Anzeige haben sie auch an die EU geschickt. Und was war bei den Kohlegruben? Da hat die Gummigeschossen gegen die Arbeiter vorging! Die Menschen wollen so verdienen, dass sie würdig davon leben können. Aber allein polnische Regierung Polizei auf die Kumpel gehetzt, die mit Wasserwerfern, Gas und die 750.000 Kinder, die in Armut leben sagen etwas anderes und das sind keine Kinder von sogenannten pathologischen Familien! Am 9. Mai fanden in vielen Städten Polens Demonstrationen für eine Erhöhung des Mindestlohns statt. Sie verlangen die Erhöhung des Minimallohnes auf 68% - etwa 2800 Brutto = 2000 Zloty Netto. Die Experten des Europarates schlagen diesen Minimallohn vor, damit die Menschen in Würde leben können.
Kostenloser Nahverkehr kurier zwi?kowy Nr. 413, 24.03.2015
Die Gewerkschaft August 80 begann 2012 mit der Kampagne: „NEIN – zur Fahrpreiserhöhung, JA – für kostenlosen Nahverkehr.“ Es stand eine enorme Preiserhöhung im Raum und das Fest Allerheiligen stand vor der Tür, an dem traditionell die Menschen die Friedhöfe aufsuchen. Für viele wäre das mit hohen Fahrkosten verbunden gewesen. Warum also nicht an diesem Tag kostenlosen Nahverkehr. Aus diesen Erfahrungen entwickelte sich dann diese Kampagne, die inzwischen in alle Regionen Polens vorgedrungen ist. Es gibt jetzt nicht nur einzelne Städte mit einem kostenlosen Nahverkehr, sondern auch ländliche Regionen und Kreise. Dabei wird dies recht unterschiedlich angewandt: nur für die eigene Bevölkerung oder für Autofahrer, für Arbeitslose oder wie in der Stadt Kielce gibt es kostenlosen Linienverkehr. Das größte Projekt des kostenlosen Nahverkehrs ist die Stadt und der Kreis Lubin in Niederschlesien. Dort ist in der Stadt und im Kreis der ÖPN kostenlos für alle, ob Einwohner oder Durchreisende. Es gibt genügend Belege dafür und wissenschaftliche Untersuchungen(Lewis-Mogridge und Braess), dass der Neubau von Strassen den Autoverkehr verstärkt und nicht etwa die Staus mindern würde. Deshalb lassen sich manche Städte und Gemeinden davon überzeugen ihre Gelder in den Nahverkehr zu stecken und dafür weniger in die Strassen. Heute gibt es in fast allen Woiewodschaften Städte und Gemeinden, die einen kostenlosen ÖPN haben. Inzwischen hat Polen schon unter diesem Gesichtpunkt Schweden und Frankreich überholt. Es besteht die Hoffnung, dass dieser Trend weiter geht zum Wohle der Umwelt in der Region und auf Weltebene.
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