von Jochen Gester
Der Arbeitskampf bei der Deutschen Post/DHL (siehe SoZ 5/2015) dauert bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe der SoZ weiter an. Das Unternehmen will den Konzern umbauen und flächendeckend in ihm prekäre Beschäftigungsverhältnisse durchsetzen.
Der Konzern ist dafür einseitig aus dem mit Ver.di abgeschlossenen Tarifvertrag ausgestiegen, der dem Unternehmen lediglich gestattet, 990 Zustellbezirken an Dritte zu vergeben. Stattdessen sollen 49 Regionalgesellschaften für ein flächendeckendes Zustellnetz aufgebaut werden, das dem bisherigen Tarifvertrag nicht mehr unterliegt. Das betrifft nicht nur neu angeheuertes Personal, sondern auch einen Teil der seit langem Festangestellten: Sie sollen zu einem geringeren Lohn und mit einem ungesicherten Status weiterarbeiten. Mitunter sieht die Koexistenz dann in der Praxis so aus, dass ehemals gleiche Arbeitsstätten nun durch gelb-schwarze Klebestreifen am Boden getrennt werden. Nur die Toiletten werden noch gemeinsam benutzt.
Viele Beschäftigte der DHL befürchten, dass sich das Verhältnis des traditionell abgesicherten Teils der Belegschaft zu dem, der den neuen Vertragsbedingungen unterliegen soll, langfristig umkehrt, wenn dieser Kurs nicht auf entschiedenen Widerstand stößt – das zeigen Umfang und Dauer der aktuellen Arbeitsniederlegung.
Kein Einlenken der Post
Da die Gewerkschaft die geplante Umstrukturierung juristisch nicht in Frage stellen kann, fordert sie eine arbeitsplatzsichernde Arbeitszeitverkürzung von 38,5 auf 36 Stunden, auch als Kompensation für den Verzicht auf die freien Tage und Pausen, die die Beschäftigten geopfert hatten, um per Vertrag zu erreichen, dass die Fremdvergabe beschränkt wird.
Am 9.Mai wurden die Tarifverhandlungen für die 140.000 Beschäftigten abgebrochen, da die Deutsche Post AG keinerlei Anstalten machte, den Forderungen der Gewerkschaft entgegenzukommen. Das Verhandlungspaket der Arbeitgeber enthielt sogar noch zusätzliche Verschlechterungen in der Frage der Arbeitszeiten. Nur beim Kündigungsschutz wurde eine Verlängerung bis zum 31.12.2018 in Aussicht gestellt.
Die Verhandlungsführerin von Ver.di, Andrea Kocsis, meint dazu: «Die Zeichen stehen jetzt auf Sturm.» Für den 13.Mai hat Ver.di zu Streiks in allen 83 Briefzentren aufgerufen, mit Schwerpunkt bei der Brief- und Paketzustellung. Aber auch der Fahrdienst für die Großkundenannahme beteiligte sich.
Einschüchterungen
Die seit Wochen ausbleibende Zustellung vor allem von Paketsendungen erzeugt ungewöhnlich großen Druck auf die Deutsche Post AG. Doch das verantwortliche Management hofft, den Konflikt durchzustehen und ist dazu übergegangen, die Belegschaft einzuschüchtern und rechtswidrig Beamte als Streikbrecher einzusetzen.
Führungskräfte erklären insbesondere befristet Beschäftigten, man werde sich genau anschauen, wer am Streik teilnehme – das geht nach Angaben von Ver.di aus Anrufen, Gedächtnisprotokollen und Vermerken Betroffener hervor. In einem Zustellpunkt zitierte der Leiter alle befristet Beschäftigten, die sich am Warnstreik beteiligt hatten, zu Einzelgesprächen. Eine Betriebsrätin: «Einige sind total eingeschüchtert und erklären mir, dass sie an keinem Streik mehr teilnehmen.»
Ver.di beschwerte sich daraufhin auch beim Hauptaktionär der Post, der Bundesregierung, die mit 21% immer noch das größte Paket an der Post/DHL hält. Sie stützt politisch den Kurs der Prekarisierung der Arbeitsbedingungen und profitiert ökonomisch von den gesteigerten Gewinnen. Der SPD-Vorsitzende Gabriel sah sich dennoch genötigt, dem Vorstandsvorsitzenden der Post, Frank Appel, einen Brief zu schreiben: «Offenbar haben Vorgesetzte Druck ausgeübt, um Ver.di-Mitglieder gegen ihre Gewerkschaft in Stellung zu bringen.» Allen Arbeitgebern, «ganz besonders aber den großen Unternehmen mit Bundesbeteiligung», müsse jedoch die «unbedingte Achtung sowohl persönlicher wie kollektiver Arbeitnehmerrechte abverlangt werden».
Auch Betriebsräte klagen vor Gericht dagegen, dass das Unternehmen mit Hilfe von 3700 installierten Flachbildschirmen – sie erreichen mehr als 100.000 Angestellten bei ihrer Arbeit – die Beschäftigten mit Propaganda gegen den Streik berieselt.
Streikbrecher
Offensichtlich rechtswidrig ist der Einsatz von Beamten, über den die Süddeutsche Zeitung berichtete. Der Arbeitsrechtler Rolf Geffken schreibt dazu: «Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Beschluss vom 2.3.1993 (1 BVR 1213/85) entschieden, dass die damalige Bundespost nicht den Einsatz von Beamten auf bestreikten Arbeitsplätzen hätte anordnen dürfen. Soweit die Post Arbeitnehmer auf arbeitsrechtlicher Grundlage beschäftige, betätige sie sich als Privatrechtssubjekt. Hingegen bediene sie sich bei einem angeordneten Einsatz von Beamten auf bestreikten Arbeitsplätzen eines Mittels, das ihr nur als Hoheitsträger zustehe. Dadurch würde die öffentliche Verwaltung im Gegensatz zu privaten Arbeitgebern über ein zusätzliches Kampfmittel bei kollektiven Streitigkeiten verfügen.»
Die Post bestritt den Einsatz zunächst, redete sich dann aber damit heraus, der Einsatz sei ja «freiwillig» und nicht angeordnet. Tatsächlich hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss darauf abgehoben, dass private Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer ja auch nicht anweisen könnten, auf bestreikten Arbeitsplätzen zu arbeiten. Damit war indirekt natürlich eingeschlossen, dass Arbeitnehmer rechtlich nicht gehindert sind, als Streikbrecher während des Streiks zu arbeiten. Dazu sagt Ver.di: Der Einsatz von Beamten in Streiks als Streikbrecher ist schlicht verboten, egal ob der Einsatz freiwillig ist oder angeordnet. Geffken merkt an: Im hierarchischen Dienstverhältnis des Beamten gibt es keinen Platz für die Kategorie freiwillige Arbeit.
Der neue internationale Logistikkonzern Deutsche Post/DHL sieht sich nicht mehr als Dienstleister mit öffentlichem Auftrag und sozialen Verpflichtungen, an denen er sich messen lassen will. Personalvorstand Melanie Kreis ließ die Öffentlichkeit wissen, wie das Unternehmen das auf 600 Mio. Euro geschätzte Forderungsvolumen der Gewerkschaft beurteilt: «Das ist schlicht nicht finanzierbar und würde zudem unseren bestehenden enormen Personalkostennachteil gegenüber unseren Wettbewerbern erheblich verschärfen.»
Im Ergebnis zeichnete sich auch für die Verhandlungsrunde am 21.Mai keine Einigung ab. Ver.di-Verhandlungsführerin Andrea Kocsis: «So kann es nicht weitergehen. Nach zwei Monaten Verhandlungen muss es im Juni zu einer Entscheidung kommen.» Die nächste Runde findet am 1./2.Juni in Berlin statt.
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