von watchthemed.net
Die Webseite watchthemed.net hat als Reaktion auf den Zehn-Punkte-Plan der EU einen eigenen Zehn-Punkte-Plan veröffentlicht, wie Flüchtlingen auf menschenwürdige Art und Weise geholfen werden kann. Hier der Wortlaut in Auszügen:
1. Wir sind geschockt und verärgert angesichts der jüngsten Tragödien, bei denen mindestens 1200 Menschen auf dem Mittelmeer ums Leben kamen. Wir sind geschockt, jedoch nicht überrascht angesichts dieser nie zuvor dagewesenen Zahl von Opfern in nur wenigen Tagen. Wir sind wütend, da wir wissen, dass es ohne radikale Veränderungen in diesem Jahr noch viele Tote geben wird.
2. Wir sind auch deshalb wütend, weil wir wissen, dass das, was uns als «Lösung» für diese untragbare Situation vorgeschlagen wird, nur zu mehr Vorfällen dieser Art führen wird: Gewalt und Tod. Die EU hat die Verstärkung der Triton-Mission von Frontex gefordert. Frontex ist eine Migrationsabwehragentur und Triton wurde mit dem klaren Auftrag geschaffen, Grenzen zu schützen, nicht um Leben zu retten.
4. [...] Die Geschichte der letzten zwanzig Jahre im Mittelmeer zeigt, dass stärkere Militarisierung der Migrationsrouten mehr Todesopfer fordert. Jedesmal, wenn eine Route nach Europa durch neue Überwachungstechnologie und vermehrte Polizeitätigkeit blockiert wurde, wurden Migranten dadurch nicht vom Ankommen abgehalten. Sie werden schlicht nur gezwungen, längere und gefährlichere Reisen auf sich zu nehmen. Die jüngsten Todesopfer im zentralen und östlichen Mittelmeer sind das Ergebnis der Militarisierung der Meeresenge von Gibraltar, der Kanarischen Inseln, der Landgrenze zwischen Griechenland und der Türkei sowie etlicher Landgrenzen in der Sahara. Die «Erfolge» von Frontex zeigen sich in tausenden Todesfällen.
5. Internationale Organisationen und Politiker des gesamten politischen Spektrums haben die Schlepper als Hauptursache der Toten im Mittelmeer ausgemacht. Mehrere prominente Politiker haben das Schleusen von Migranten mit dem transatlantischen Sklavenhandel verglichen. Es gibt scheinbar keine Grenze für die Heuchelei: Diejenigen, die das Sklavenregime aufrechterhalten, verurteilen die Sklavenhändler! Wir wissen sehr gut, dass die Schmuggler, die im Kontext des libyschen Bürgerkriegs agieren, vielfach skrupellose Verbrecher sind. Doch wir wissen auch, dass der einzige Grund, warum Migranten sich ihrer bedienen müssen, das europäische Grenzregime ist. Schleusernetzwerke wären binnen kurzer Zeit Geschichte, wenn die, die auf dem Mittelmeer ums Leben kommen, Europa legal erreichen könnten. Das Visumsystem, das sie davon abhält, wurde erst vor 25 Jahren eingeführt.
7. Was ist angesichts der aktuellen Situation zu tun? Freunde und Weggefährten, die mit uns gemeinsam in den letzten Jahren gearbeitet haben, haben zur Bewegungsfreiheit als einzig gangbaren Weg aufgerufen. Auch wir schließen uns dieser Forderung an, da es der einzige Weg ist, einen Raum in dieser stickigen politischen Debatte zu öffnen. Nur der bedingungslose legale Zugang zur EU kann den Tod von Migranten auf hoher See verhindern. Und wir finden, dass ein allgemeiner Aufruf zur Bewegungsfreiheit im gegenwärtigen Kontext nicht genug ist. Wir wollen die Bewegungsfreiheit nicht als ferne Utopie, sondern als gelebte Praxis, die Migranten unter Einsatz ihres Lebens täglich vorführen – sie sollte unseren politischen Kampf hier und heute leiten.
10. Das einzige, was wir definitiv wissen, ist dass jede Lösung, die nicht so weit geht, zu weiteren Toten auf hoher See führen wird. Wir wissen, dass keine Außenverlagerung von Asylverfahren und Grenzkontrollen, keine noch so gute Einhaltung der Pflicht zur Rettung, keine vermehrte Überwachung und Militarisierung das Massensterben auf hoher See stoppen wird. Was ad hoc getan werden muss, ist, legale Einreisemöglichkeiten zu schaffen und Fähren zur Verfügung zu stellen. Sind die EU und internationalen Organe bereit dazu, diese Schritte zu unternehmen, oder muss die Zivilgesellschaft für sie einspringen?
Für den vollen Wortlaut siehe www.watchthemed.net/index.php/page/index/12.
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