von Socialist Resistance
Die Kombination aus einer Angstkampagne der Tories und einem schwachen Abschneiden der Labour Party bescherte den Tories bei den britischen Parlamentswahlen vom 7.Mai eine absolute Mehrheit, die niemand erwartet hat, nicht einmal sie selbst.
Die Meinungsumfragen erwiesen sich in zwei Punkten als zutreffend: Erstens in bezug auf die Dezimierung der Liberalen. Die erhielten nur noch acht Mandate und ihre Spitzenvertreter sitzen nicht mehr im Unterhaus. Die Liberalen haben alle Angriffe der Tories mitgetragen. Labour konnte von ihrem Zusammenbruch jedoch nicht profitieren, weil sich diese Partei selbst nicht konsequent gegen die Sparpolitik gestellt hat.
Zweitens in bezug auf den Erdrutschsieg der SNP (Scottish National Party). Sie reduzierte den Anteil von Labour in Schottland auf einen einzigen Abgeordneten. Nur drei Mandate hat die SNP in Schottland nicht gewonnen, je eines ging an Labour, die Tories und die Liberalen. Der Erfolg der SNP ist der bedeutendste Aspekt dieser Wahl, er stellt einen Erdrutsch in der britischen Politik dar, der bleibende Folgen haben wird.
Die Niederlage von Labour
Ihre existenzbedrohende Niederlage in Schottland hat sich die Labour Party selbst beigebracht, weil sie an der verknöcherten Union mit England festgehalten und diese im Referendum über die schottische Unabhängigkeit an der Seite der Tories enthusiastisch verteidigt hat. Und weil sie sich geweigert hat, für den Abzug der vor Glasgow stationierten, U-Boot-gestützten Trident-Raketen (Interkontinentalraketen) einzutreten. Dafür wurde die Labour Party massiv abgestraft, die schottische Wählerschaft lief auf bisher nie erlebte Weise zur SNP über, und Labour ist für die Dauer einer ganzen Generation in die Bedeutungslosigkeit gesunken.
In England hat die ständige Dämonisierung der SNP durch die Tories und die Liberalen bei den Wählern bewirkt, dass sie Labour nicht mehr ihre Stimme gaben, weil Labour verdächtigt wurde, mit der SNP zu koalieren.
Wenn der Schock auch tief sitzt, so bestätigt das schottische Wahlergebnis doch einen Trend, der seit einer Reihe von Jahren zu beobachten ist. Nun sind in Schottland auch die Wähler von Labour in großem Stil auf die Position der schottischen Unabhängigkeit, der Antiausteritätspolitik und einer massiven taktischen Wahlunterstützung für die SNP eingeschwenkt. Die SNP-Abgeordneten im Unterhaus sind wahrscheinlich eine bunte Truppe, zu der sicherlich auch ausgesprochene Linke gehören werden.
Wahlpolitische Fragmentierung
Insgesamt steht Großbritannien wahlpolitisch vor einer stärkeren Fragmentierung. De facto fanden vier verschiedene Wahlen statt: in Schottland, Wales, England und Nordirland. In Wales wurde Labour stärkste Partei mit einem Vorsprung von etwa 10 Prozentpunkten vor den Tories; die Tories gewannen in England mit demselben Vorsprung vor Labour und erreichten dadurch die absolute Mehrheit der Sitze im Unterhaus; die SNP triumphierte in Schottland; und Nordirland hat seine eigene Dynamik.
Plaid Cymru, die Wales-Partei, profitierte trotz ihrer starken Parteivorsitzenden am wenigsten von der Antiausteritätsstimmung und legte nur knapp einen Prozentpunkt zu. Hier erreichte dafür die rechtskonservative United Kingdom Independent Party (UKIP) einen dramatischen Stimmenzuwachs von 11 Prozentpunkten (ihre Zunahme in ganz Großbritannien – +9,5 Prozentpunkte – wäre höher ausgefallen, wenn die Partei in Schottland nicht so schlecht abgeschnitten hätte, wo sie nur 1,6% der Stimmen erhalten hat).
In Nordirland gelangte der Aufschwung von Sinn Féin an sein Ende, nicht zuletzt wegen des Widerspruchs, dass sie als Partei gegen die Sparpolitik auftritt, in der Koalitionsregierung mit der reaktionären DUP (Democratic Unionist Party) aber massiv eine solche betreibt. (Der Kandidat der linken Plattform People Before Profits erhielt in der Sinn-Féin-Hochburg West Belfast 19% und wurde damit Zweiter hinter dem Kandidaten von Sinn Féin [54%].)
Der Sieg der Tories, der ihrem Ergebnis in England geschuldet ist, bedeutet die Fortsetzung ihrer reaktionären Politik, mit massiven Einschnitten in das Sozialsystem und die öffentlichen Ausgaben, mit steigenden Studiengebühren, einer zunehmenden rassistischen Kontrolle der Immigration usw. Ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft wird nun in den nächsten Jahren sehr wahrscheinlich – verbunden mit einer zutiefst reaktionären Antimigrationskampagne.
Die Labour Party bleibt eine bedeutende Kraft in den englischen Kommunen: Die Partei gewann praktisch jeden Sitz in den großen Städten im Norden und in den Midlands. Doch es gelingt ihr nicht, eine Alternative zur Sparpolitik zu präsentieren, und so gerät sie von rechts unter den Druck der UKIP und von links unter den Druck der Grünen. Dies wird wahrscheinlich zu einer ernsthaften Krise in ihren Reihen und in den von ihr kontrollierten Kommunen führen, wenn sie versucht, die Sparpolitik der Tory-Regierung umzusetzen. Der Aufbau lokaler Kämpfe gegen die Sparpolitik durch Widerstand gegen die Kürzungen wird wesentlich sein, wenn die Linke sich in Zukunft eine Basis aufbauen will.
Die UKIP hat mit einer rechten Kampagne mit vielen rassistischen Untertönen massiv zugelegt, aber wegen des Mehrheitswahlrechts errang sie nur ein Mandat. Sie erhielt insgesamt knapp vier Millionen Stimmen und verstärkte ihr Eindringen in die Labour-Wahlkreise im Norden. UKIP wird jedoch zahlreiche Sitze bei den kommenden Kommunalwahlen gewinnen und in der Lage sein, Kontrolle über Kommunen zu erlangen – ein großer Rückschlag für eine progressive Politik in Großbritannien. Ein großer Teil der migrantischen Bevölkerung (hauptsächlich aus EU-Ländern) hat bei Kommunalwahlen ein Wahlrecht. Sie muss von der Linken in einer massiven Kampagne gegen Fremdenfeindlichkeit mobilisiert werden, um den Rassismus der Tories und der UKIP zu bekämpfen. Mit der bisherigen Taktik gegen Faschisten wird dies nicht zu erreichen sein.
Die Grünen erzielten ihr bisher bestes Wahlergebnis mit insgesamt über einer Million Stimmen. Ihre Abgeordnete Caroline Lucas konnte ihre Mehrheit in Brighton noch deutlich ausbauen – einer der wenigen Lichtblicke in der politischen Landschaft Englands.
Die sozialistischen Kräfte links von Labour schnitten schlecht ab, auch Left Unity und TUSC (Trade Unionist and Socialist Coalition); die meisten ihrer Kandidaten erhielten weniger als ein Prozent. Die linken Organisationen sind beim Aufbau einer ernsthaften Alternative zu Labour gescheitert und wurden von der SNP und den Grünen deutlich in den Schatten gestellt. Wir stehen nun schlechter da als vor 15 Jahren, als die Socialist Alliance noch existierte und die Errungenschaften aus der Zeit von Respect von den größeren linken Organisationen (SP und SWP) leichtfertig verspielt wurden. Ein größeres Umdenken ist hier notwendig.
Parlamentarische Legitimationskrise
Aus all dem lassen sich einige wichtige Schlussfolgerungen ziehen:
Dass Grüne und UKIP mit zusammen fast 5 Millionen Stimmen gerade einmal zwei Abgeordnete erhielten, während Labour mit 9 Millionen Stimmen 232 Mandate errang, zeigt, dass es eine starke Krise der Legitimität des Parlaments gibt; die Tories gewannen mit nur 11,3 Millionen Stimmen (37%) die absolute Mehrheit im Parlament. Ihr Politik ist zutiefst unpopulär, aber sie werden versuchen, sie weiter durchzusetzen.
Das Wahlsystem ist auf empörende Weise undemokratisch. Für die kleineren Parteien steht der Anteil ihrer Sitze in keinem Verhältnis zu ihrem Stimmenanteil. Die Grünen sind nur mit einer einzigen Abgeordneten vertreten, obwohl sie über eine Million Stimmen erhalten haben. Die DUP in Nordirland hingegen gewann mit nur 180.000 Stimmen acht Abgeordnete. Es muss eine Kampagne für die Einführung des Verhältniswahlrechts geführt werden, damit künftig die Wahlen den Parteien einen gerechten Anteil an den Mandaten gemessen an ihrer tatsächlichen Anhängerschaft erteilen.
Die Ergebnisse zeigen auch, wie dringend der Aufbau einer breiten linken Partei als Alternative zu Labour ist. Wir zahlen einen hohen Preis dafür, dass frühere Versuche, breite linke Parteien in den letzten 25 Jahren in Großbritannien aufzubauen, verspielt wurden. Wir sind zurückgeworfen worden, während die Linke in vielen anderen Ländern Europas fortgeschritten ist. Die Bedeutung von Left Unity liegt darin, dass sie versucht, das Problem anzugehen und eine Partei aufzubauen, die demokratisch ist und verschiedene Strömungen umfasst – aber wir fangen dabei wieder ganz von vorne an.
Es gilt, eine radikale politische Alternative an der Wahlurne mit Kampagnen auf der Straße zu kombinieren. Wir brauchen auch eine gemeinsame Kampagne zur Verteidigung des Gesundheitssystems (National Health Service), das von der neuen Regierung zunehmend privatisiert und abgebaut wird.
Wenn SNP und Grüne in einer besseren Position waren, um am 7.Mai Wählerstimmen gegen die Sparpolitik anzuziehen, so nicht zuletzt deshalb, weil sie kontinuierlich kandidiert hatten. Left Unity muss sich diese Glaubwürdigkeit nicht nur in den Gemeinden und in Kampagnen, sondern auch bei Wahlen konsequent erarbeiten.
Nach: http://socialistresistance.org/7453/the-implications-of-the-election-result. Socialist Resistance ist die Organisation der IV.Internationale in England und Wales.
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