von Manuel Garí
Am 24.Mai fanden in 9000 Gemeinden des spanischen Staates, in 13 autonomen Regionen (mit Ausnahme von Andalusien, Galicien, Katalonien und dem Baskenland) sowie für die Provinzräte der baskischen Provinzen Araba, Bizkaia und Gipuzkoa, der Kanaren und der drei balearischen Inseln Wahlen statt.
Das bedeutendste Ergebnis ist die Tatsache, dass die konservative PP (Volkspartei) 2,5 Millionen Stimmen gegenüber den letzten Kommunalwahlen verloren hat. Gleichwohl bleibt sie mit über 6 Millionen Stimmen stärkste Partei, schlug die sozialdemokratische PSOE aber nur mit einem Vorsprung von 400.000 Stimmen. Die PSOE ihrerseits verlor 775.000 Stimmen.
Dadurch hat das Zwei-Parteien-System, auf dem das politische Regime seit 1978 beruht, einen schweren Rückschlag erlitten. PP und PSOE erhielten zusammen gerade einmal knapp über 50% der Stimmen (bei früheren Kommunalwahlen waren es fast 80% gewesen).
Die dritte bemerkenswerte Neuerung ist das starke Abschneiden der Candidaturas de Unidad Popular (CUP – Kandidaturen der Volkseinheit), die von Podemos unterstützt wurden und in Barcelona und Madrid, aber auch in Cádiz und anderen Städten hervorragende Ergebnisse erzielten. Dasselbe gilt für die Wahlbündnisse «Mareas Atlánticas» in verschiedenen Städten Galiciens. Diese Erfolge stellen das Monopol der konservativen Rechten – der CiU in Barcelona oder der PP andernorts – auf die Regierung der großen Städte in Frage.
Auch die rechte Partei Ciudadanos – eine rechtsliberale Partei, die von Vorständen einiger großer Unternehmen initiiert wurde, um das politische System zu regenerieren – blieb hinter den erwarteten Ergebnissen zurück.
Bezogen auf ihre institutionelle Präsenz ist der Einbruch der PP noch stärker als bezogen auf die Wählerstimmen. Die PP verlor die absolute Mehrheit in den Regionen Kantabrien, Kastilien-La Mancha, Valencia und Madrid; und sie verlor die Regierung in Aragón, in der Extremadura und auf den Balearen. Derzeit ist ihr nur noch die Regierung von La Rioja und Murcia sicher, ob sie sich in Kastilien-León an der Regierung halten kann, ist noch unsicher.
Die Linke
Podemos erzielte bei den Kommunalwahlen ebenso wie bei den Wahlen zu den Regionalparlamenten gute Ergebnisse, wenngleich diese Ergebnisse hinter den Erwartungen eines bedeutenden Teils der Linken zurückblieben. In den besten Fällen wurde Podemos nur drittstärkste Kraft.
Izquierda Unida (IU – Vereinigte Linke) flog aus allen Parlamenten der autonomen Regionen, außer in Asturien und Aragón. Sie verlor überall an Podemos, was für die IU ein bislang beispielloses Scheitern darstellt.
Bei den Kommunalwahlen in Barcelona errang die von Podemos unterstützte und von Ada Colau geführte Liste «Barcelona en Comú» auf Anhieb elf Stadträte; Colau ist eine Aktivistin gegen Zwangsräumungen. CiU (die nationalistische Rechte) erzielte hier 10, Ciudadanos 5 und der katalanische Ableger der PSOE, die PSC, 4 Mandate: das war das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. In Madrid errang die PP 21 Sitze, die von Podemos unterstützte Liste Ahora Madrid 20 und die PSOE nur 9 Sitze. Somit kann die PP die Stadtregierung nicht mehr stellen.
In Cádiz führte Kichi González, ein Mitglied von Anticapitalistas, die von Podemos unterstützte Liste «Cádiz sí se puede» an. Sie gewann 8 Mandate, die Liste der PP hingegen nur 10 und verlor damit ihre absolute Mehrheit. Zum erstenmal seit zwanzig Jahren stellt die Linke (einschließlich der PSOE) jetzt mehr Stadträte als die Rechte.
Ähnliche Ergebnisse erzielten die «Mareas Atlánticas» in A Coruña und Santiago de Compostela (Galicien) und forderten damit die Macht des bisherigen Präsidenten der Regionalregierung von Galicien, Alberto Núñez Feijóo heraus, der als möglicher Nachfolger von Ministerpräsident Rajoy für den Vorsitz der PP gilt.
Kein «Weiter so»
Beim Versuch einer ersten Analyse der Wahlergebnisse erklärte Pedro Sánchez, Generalsekretär der PSOE, diese Ergebnisse seien «der Anfang vom Ende Rajoys als Ministerpräsident». Doch er vermied zu sagen, in welche Richtung sich das Land ändern soll. Sein Projekt bleibt strikt ein sozialliberales. Deshalb überrascht es auch nicht, dass der sozialdemokratische Anwärter auf den Posten des Ministerpräsidenten für die Reform des Artikels 135 der Verfassung gestimmt hat; der neugefasste Artikel gibt der Bezahlung der Schulden den Vorrang vor den Ausgaben für Soziales.
Sánchez irrt, wenn er meint, die Lösung liege in einer Neuauflage der Abwechslung zwischen zwei Parteidynastien. Die Niederlage der PP ist Ausdruck der Ablehnung der Politik der Sozialkürzungen und der Angriffe auf die Menschenrechte und die Demokratie – eine Politik, die die Arbeiterklasse und die Mehrheit der Bevölkerung in eine Situation permanenter Verarmung gebracht hat, während die Eliten sich in einem Maße bereichert haben, dass die spanische Gesellschaft heute die größte soziale Ungleichheit in der EU zu verzeichnen hat.
Podemos und die Candidaturas de Unidad Popular (CUP), an denen Podemos beteiligt war, haben sich hingegen konsolidiert als Mittel für die Bevölkerung und die Lohnabhängigen, sich politisch Ausdruck zu verschaffen.
Der Wandel macht Fortschritte. Die Botschaft dieser Wahlen ist klar: PP raus aus den Machtapparaten! Die Herausforderung für Podemos und die CUP besteht nun darin, diesen Wandel zu vertiefen, um einen demokratischen Bruch mit den alten Verhältnissen zu erreichen und die PSOE daran zu hindern, dass sie eine kosmetische Regeneration des alten Regimes durchsetzt.
Podemos und die CUP sollten also zuallererst sicherstellen, dass die PP nicht länger regieren kann. Vor allem aber sollten sie an der Seite der sozialen Organisationen Massenmobilisierungen befördern und ihre Programmatik und Strategie ausbauen, damit sie eine Vorstellung von einer anderen Zukunft entwerfen und die Menschen zur aktiven Beteiligung an den öffentlichen Angelegenheiten ermuntern können, indem sie neue Formen der Selbstermächtigung auf kommunaler und regionaler Ebene schaffen.
Aus: alencontre.org
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