Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

Bert Brecht hielt nicht viel vom Recht auf geistiges Eigentum. Wir auch nicht. Wir stellen die SoZ kostenlos ins Netz, damit möglichst viele Menschen das darin enthaltene Wissen nutzen und weiterverbreiten. Das heißt jedoch nicht, dass dies nicht Arbeit sei, die honoriert werden muss, weil Menschen davon leben.

Hier können Sie jetzt Spenden
PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 09/2015

Flüchtlingshilfe auf Lesbos
von Angela Huemer

Elias Bierdel, ehemaliger Leiter der Cap Anamur und wegen Flüchtlingshilfe schon mal als Schleuser angeklagt, wollte sich eigentlich dieser Tage wieder anderen Dingen zuwenden. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Angesichts der Lage in Griechenland, insbesonders auf Lesbos, einer Insel, die er gut kennt, weil er dort einmal gelebt hat, konnte er nicht anders und hat Hilfe organisiert für die vielen, die die Insel von der nahen Türkei aus erreichen.

Die Ursprünge seiner aktuellen Hilfsaktion erklärt Bierdel auf der Seite von «borderline europe»:
«Während das Land am Rande des Staatsbankrotts dahinsegelt, spitzt sich die Lage für Flüchtlinge auf den Inseln der griechischen Ägäis immer mehr zu: Für tausende Syrer, Afghanen und andere, die von der türkischen Küste aus in kleinen Schlauchbooten Europa zu erreichen versuchen, ist die gefährliche Reise mit der Ankunft auf Lesbos, Chios, Kos oder Samos noch nicht beendet. Die staatlichen Stellen sind von den stark ansteigenden Flüchtlingszahlen komplett überfordert, internationale Hilfe ist kaum vorhanden.
Vor allem auf Lesbos, der drittgrößten Insel Griechenlands, gleicht die Lage der Angekommenen einem Alptraum. In tage- und nächtelangen Fußmärschen ziehen die entkräfteten Männer, Frauen und Kinder auf den Landstraßen in Richtung Inselhauptstadt Mytilini, weil der private Transport von Flüchtlingen bei hoher Strafe verboten ist und die beiden Polizeibusse der Insel bei weitem nicht ausreichen, um täglich mehrere hundert Menschen aus den Dörfern entlang der Ostküste abzuholen. Da viele nach der Bootsfahrt ihre durchnässten Schuhe zurücklassen mussten, erreichen sie die überfüllten Lager der Hauptstadt häufig mit schweren Fußverletzungen.
Nach zwei Erkundungsreisen in den vergangenen Wochen haben wir uns entschlossen, ein eigenes humanitäres Programm für den Norden der Insel zu starten. Ziel des Projekts Proti Stassi (Erste Station) ist es, für die Flüchtlinge, die im Bereich der Stadt Molyvos die Küste erreichen, eine Erstversorgung zu gewährleisten und – nach Möglichkeit – für die geordnete Weiterreise zu sorgen. Damit sollen auch die privaten Unterstützer entlastet werden, die bisher aus eigenen Mitteln eine notdürftige Versorgung mit Essen und Trinken sowie trockener Kleidung bereitgestellt haben.
Insel-Bürgermeister Spiros Galinos hat Proti Stassi seine volle Unterstützung zugesagt. Die Nutzung des derzeit leerstehenden Campingplatzes von Molyvos stößt allerdings noch auf den heftigen Widerstand der lokalen Bevölkerung, die befürchtet, in dem Touristenort könnte mitten in der Hauptsaison ein neues Flüchtlingslager entstehen. Trotz der Vorbehalte haben wir uns aufgrund der akuten Notsituation entschlossen, Proti Stassi anlaufen zu lassen.
Mitte Juli hat ein deutsch-griechischer Notfallmediziner als unser Projektkoordinator die Arbeit auf Lesbos aufgenommen. Er untersucht den Gesundheitszustand der Ankommenden und leitet geeignete Therapie- und Hygienemaßnahmen ein. Die Anschubfinanzierung für Proti Stassi haben die österreichische Caritas und ‹SOS Kinderdorf› ermöglicht.»

Elias und seine Helfer kriegen Frontex-Einsätze mit, bei denen den Flüchtlingen auf den Schlauchbooten entgegengerufen wird: «You are not allowed to cross the border», «Sie dürfen die Grenze nicht überqueren.» Dabei befinden sich die Boote schon längst in griechischen Gewässern. Syrische Flüchtlinge reagierten darauf, indem sie auf ihre Kinder verwiesen und weiter fuhren.
Aktuell ist jede Hilfe willkommen. Derzeit geht es vor allem darum, ein winterfestes Quartier einrichten zu können.

Teile diesen Beitrag:

Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen

Spenden

Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF


Schnupperausgabe

Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.