Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

Bert Brecht hielt nicht viel vom Recht auf geistiges Eigentum. Wir auch nicht. Wir stellen die SoZ kostenlos ins Netz, damit möglichst viele Menschen das darin enthaltene Wissen nutzen und weiterverbreiten. Das heißt jedoch nicht, dass dies nicht Arbeit sei, die honoriert werden muss, weil Menschen davon leben.

Hier können Sie jetzt Spenden
PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 10/2015
Das Programm der Volkseinheit zu den Wahlen vom 20.September
von der Plattform der LAE

Anfang August bildete der linke Flügel von SYRIZA ein neues Bündnis aus 13 radikalen und revolutionären Strömungen und Organisationen, die beim kompromisslosen Nein zur Austeritätspolitik und zu den Memoranden bleiben. Die Initiative dazu ging von 25 Parlamentsabgeordneten von SYRIZA aus, die gegen das dritte Memorandum stimmten, das die Regierung Tsipras unterschrieben hatte. Tsipras konnte das Memorandum nur mit den Stimmen der bürgerlichen Opposition durchbringen und kündigte daraufhin an, er werde zurückztreten und den Weg für Neuwahlen freimachen. Diese fanden am 20.September statt und bestätigten SYRIZA als führende politische Partei in Griechenland. Aus dem linken Bündnis ging die Partei Laïki Enotita (Volkseinheit – LAE) hervor. Sie erhielt bei den Wahlen vom 20.September 2,9% der Stimmen und verfehlte damit den Sprung ins Parlament um 10.000 Stimmen.
Nachstehend veröffentlichen wir Auszüge aus der Plattform der LAE.

Folgende Sofortmaßnahmen müssen ergriffen werden, um einen neuen Weg einzuschlagen:
– Aufhebung der mörderischen Memoranden und Ausstieg aus den kolonialen Kreditverträgen.
– Einstellung des Schuldendienstes mit dem Ziel, den größten Teil der Schulden zu streichen. Die Einstellung der Zahlungen wird international von politischen und rechtlichen Maßnahmen begleitet, die sich auch auf die Schlussfolgerungen der Wahrheitskommission über die Staatsschulden des Hellenischen Parlaments stützen.
– Unabhängig davon, aber parallel dazu werden politisch und rechtlich Forderungen bezüglich der deutschen Reparationsschulden erhoben.
– Eine Politik der Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums zugunsten der Lohnabhängigen und zulasten der Oligarchen wird eingeleitet. Die von der Krise am härtesten getroffenen Bevölkerungsschichten werden dabei prioritär berücksichtigt. Löhne, Renten sowie die öffentlichen Ausgaben für ein kostenloses Bildungswesen, Gesundheit und Kultur werden angehoben. Die Steuerbelastungen der Memoranden für Bauern und Selbständige werden aufgehoben, ebenso die einheitliche Grundsteuer. Nur der Großgrundbesitz wird besteuert.
– Verstaatlichung der Banken und ihre Unterstellung unter öffentliche Kontrolle; vorrangiger Schutz der kleinen Sparer; Abschüttelung der Bevormundung durch die EZB. Die Banken haben vorrangig Selbständige sowie kleine und mittlere Unternehmen mit Kreditmitteln zu versorgen. Die Landwirtschaftsbank und die Postsparkasse werden wieder eröffnet. Ermittlungen gegen die Monopolgruppen, die Steuerhinterziehung begangen haben, werden eingeleitet.

Folgende Strukturreformen werden ein neues Wachstumsmodell einleiten (das alte ist gescheitert) und das gesellschaftliche Kräfteverhältnis zugunsten der einfachen Bevölkerung und zu Lasten der Oligarchen und ihrer Netzwerke ändern:
– Wiederherstellung der Tarifvertragsfreiheit, des Kündigungsschutzes, der Gewerbeaufsicht; Verbot privater Leiharbeitsfirmen.
– Eine gerechte Steuerreform mit Umverteilungskomponente.
– Stopp der Privatisierungen, sofortige Auflösung des diesbezüglichen Treuhandfonds, entschädigungslose Rückübertragung des öffentlichen Vermögens, das privatem Kapital überlassen wurde (kleine Fische ausgenommen). Verstaatlichung und öffentliche Kontrolle über alle strategisch wichtigen Unternehmen, Netze und Infrastruktur, damit sie eine Lokomotivfunktion für die Wirtschaft übernehmen können.
– Wiederaufbau eines flächendeckenden öffentlichen Gesundheitswesens.
– Wiederaufbau der Wirtschaft mit Verlagerung ihres Schwerpunkts a) vom Konsum von Importprodukten zu ihrer Produktion – vor allem bei hochwertigen Industrie- und Agrargütern; b) weg von der Senkung der Lohnkosten.
– Schaffung von Wachstumssektoren in den Bereichen technologische Erneuerung, Innovation, moderne Organisation, öffentlicher Reichtum. Dieses Wachstum wird sich auf das Wissen, den Elan und die Kreativität der Abhängig Beschäftigten stützen. Dazu braucht es eine demokratisch Planung im Zentrum wie an der Peripherie, mit starker Berücksichtigung der Umwelt.
– Substanzielle Förderung eines öffentlichen und kostenlosen Bildungswesens und der Forschung.
– Der «dritte Sektor» (neben dem öffentlichen und dem privaten) spielt eine wesentliche Rolle für den Wiederaufbau der Wirtschaft: Genossenschaften, selbstverwaltete von ihren Eigentümern verlassene Betriebe; Strukturen der gegenseitigen Solidarität.
– Gegenüber Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten wird es eine Politik der Solidarität und der Humanität geben. Kampfansage an jede Form von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit; Kampf gegen die imperialistischen Kriege; Aufhebung des Dublin-II-Abkommens; die Länder des Nordens von Europa müssen den Grenzländern substanziell entlasten.

Ausbruch aus dem Währungsgefängnis der Eurozone
Der Versuch, die Memoranden abzuschütteln, wird den erbitterten Widerstand der herrschenden Kreise in der EU hervorrufen. Man wird versuchen, das im Keim zu ersticken, indem uns der Geldhahn zugedreht wird. Die Frage nach dem Austritt aus der Eurozone und dem Bruch mit der neoliberalen, zunehmend konservativen und antidemokratischen Politik der EU steht deshalb auf der Tagesordnung.
Die Wiedererlangung der Souveränität über die Währung und die Ausgabe einer neuen Währung sind kein Selbstzweck. Sie sind nur notwendige Instrumente für die Verwirklichung des radikalen Wandels, den wir uns vorgenommen haben; der letztendliche Garant dieses Wandels ist nicht die Währung, sondern der Kampf der einfachen Bevölkerung.
Wir sind keine Nostalgiker des kapitalistischen Griechenland der Drachme. Wir wissen sehr wohl, dass das keine idyllische Zeit war, aber die 13 Jahre mit dem Euro, vor allem die letzten, waren um nichts besser.
Die Wiedererlangung der Währungssouveränität und die Befreiung der griechischen Natinalbank aus den Fängen der EZB wird der Wirtschaft die notwendige Liquidität verschaffen, ohne die verabscheungswürdigen Auflagen der Kreditabkommen. Sie wird den Export unterstützen, die Importsubsitution durch lokale Produkte sowie die Stärkung der produktiven Basis des Landes und des Tourismus.
Sie wird die Schaffung von Arbeitsplätze fördern durch eine öffentliches Investitinsprogramm, durch die Vergabe öffentlicher Großaufträge, durch die Unterstützung des öffentlichen Sektors und durch Kredite an kleine und mittlere Unternehmen. Die Steuererleichterungen für kleine Einkommen und Unternehmen werden die Nachfrage ankurbeln und Wachstum generieren. Wir werden dazu einen besonderen Entwicklungsplan für Griechenland vorlegen.
Der Ausbruch aus dem Währungsgefängnis des Euro führt nicht in die Autarkie und nicht in die internationale Isolierung. Im Gegenteil: durch einen solchen radikalen Wandel kann das griechische Volk für die anderen Bevölkerungen Europas und der Welt zu einem Leuchtturm der Hoffnung werden und sich wertvolle Sympathien und Bündnispartner erwerben.

Teile diesen Beitrag:

Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen

Spenden

Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF


Schnupperausgabe

Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.